Nirgendwo in Deutschland sind weniger Menschen im Alter ab 60 Jahren gegen Herpes zoster ("Gürtelrose") geimpft als in Baden-Württemberg. Das geht aus dem aktuellen Arzneimittelreport der Barmer hervor. In dieser Altersgruppe haben nur 15,2 Prozent den kompletten Impfschutz, hochgerechnet sind das etwa 40.000 vollständig geimpfte Barmer-Versicherte, zwei Drittel von diesen sind Frauen.
Beim Spitzenreiter Sachsen-Anhalt wurden fast doppelt so viele Versicherte ab 60 Jahren vollständig geimpft, die Quote liegt dort bei 29,3 Prozent. "Gürtelrose ist eine extrem schmerzhafte Erkrankung, die schwere Langzeitfolgen haben kann. Die Impfung senkt das Erkrankungsrisiko mindestens um zwei Drittel. Deshalb sollte jeder diesen Schutz erhalten, der ihn haben will", sagt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg. Doch dafür müsste die Impfaktivität in den Arztpraxen steigen. Denn der Arzneimittelreport habe auch gezeigt, dass hier das Potential nicht ausgeschöpft werde.
In den Hausarztpraxen wird zu wenig geimpft
Da hauptsächlich die Hausarztpraxen gegen das Herpes-zoster-Virus (HZV) impfen, hat die Barmer ermittelt, wie hoch die Impfrate in diesen ist. In Baden-Württemberg reicht die HZV-Impfquote von null bis 69 Prozent. Praxen, die selten gegen HZV impfen, würden laut Barmer-Arzneimittelreport auch selten gegen Grippe impfen. Das lege die Vermutung nahe, dass nicht alle hausärztlichen Praxen gleichermaßen Impfungen anbieten. "Die Skepsis der Patientinnen und Patienten scheint nicht der Hauptgrund für unsere schlechte HZV-Impfquote zu sein. Die Ärztinnen und Ärzte haben einen großen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Impfung. Aber ob jemand gegen Gürtelrose geimpft wird, darf nicht davon abhängen, in welche Hausarztpraxis man geht", sagt Plötze. Gut wäre, wenn sowohl Patienten als auch Praxen an die Impfung erinnert werden würden. Ebenso könnte eine generelle Impfberatung ab 60 Jahren eingeführt werden, um die Impfquote zu erhöhen. Doch das sei Zukunftsmusik.
35.000 Fälle von Gürtelrose in Baden-Württemberg
Laut Arzneimittelreport erkrankten in Baden-Württemberg innerhalb eines Jahres rund elf von 1.000 Barmer-Versicherten im Alter ab 60 Jahren an einer Gürtelrose. Hochgerechnet auf die baden-württembergische Bevölkerung wären das mehr als 35.000 Krankheitsfälle pro Jahr. Typisch für Herpes zoster ist ein schmerzhafter, häufig einseitiger Hautausschlag entlang eines Nervenausbreitungsgebietes. Ein Teil der Betroffenen leidet noch Monate nach der Erkrankung an Nervenschmerzen, die so stark sein können, dass sie mit Opioiden behandelt werden müssen. Ist das Auge vom Virus befallen, dann kann das bis zur Erblindung führen. Auch eine Entzündung des Gehirns und Todesfälle in Folge einer Gürtelrose kommen vor.
STIKO hat ihre Impfempfehlung im November 2025 geändert
Gegen Herpes zoster gibt es eine Schutzimpfung, die durch die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut seit Dezember 2018 für Gesunde ab 60 Jahren und für chronisch Kranken ab 50 Jahren empfohlen wird. Im November 2025 hat die STIKO diesen Anspruch auf chronisch Kranke ab 18 Jahren ausgeweitet. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen festlegt, hat nun bis zum Anfang des Jahres 2026 Zeit, eine Entscheidung zur Umsetzung zu treffen. "Die Gürtelrose-Impfung für chronisch Kranke ab 18 Jahren war schon vor Entscheidung der STIKO eine Satzungsleistung der Barmer und damit kostenfrei möglich", betont Winfried Plötze. Es sind zwei Injektionen im Abstand von zwei bis maximal sechs Monaten notwendig, danach hält der Impfschutz zehn Jahre an. Auch Personen, die bereits eine Gürtelrose durchgemacht haben, wird eine Impfung empfohlen. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen. Bei 60-Jährigen reduziert die HZV-Impfung das Risiko für eine Gürtelrose um 64 Prozent und für eine Gürtelrose am Auge (Zoster ophtalmicus) um 57 Prozent. Auch dauerhafte Nervenschmerzen, eine mögliche Langzeitfolge von Herpes zoster, trete bei Geimpften seltener auf (- 67 Prozent). Es gibt auch Hinweise drauf, dass die HZV-Impfung das Risiko für die Entwicklung einer Demenz senkt.
Wer Windpocken hatte, kann eine Gürtelrose bekommen
Die Gürtelrose wird durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst, das bei der Erstinfektion Windpocken verursacht. Das Virus verbleibt lebenslang in den Nervenknoten und kann durch verschiedene Faktoren reaktiviert werden. Etwa durch Stress, chronische Krankheiten oder eine schlechter werdende Immunabwehr. Deshalb steigt mit dem Alter das Erkrankungsrisiko.