Laut aktuellem Barmer-Arztreport erhielten im Jahr 2017 1,1 Millionen Menschen in Deutschland die Diagnose Reizdarmsyndrom. Am häufigsten wurde die Krankheit in Baden-Württemberg und im Saarland festgestellt. Demnach leiden mehr als 168.000 Baden-Württemberger dauerhaft an Symptomen wie Durchfall, Blähungen, Krämpfen und Verstopfung. Das sind etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung. Damit liegt die Betroffenenquote in Baden-Württemberg gut 14 Prozent über dem bundesweit ermittelten Wert, und ist dennoch wohl nur die Spitze des Eisberges.
"Studien gehen davon aus, dass bis zu 16 Prozent der Erwachsenen in Deutschland vom Reizdarmsyndrom betroffen sein könnten. Das wären dann mehr als 1,7 Millionen Baden-Württemberger. Dass unser Arztreport eine wesentlich niedrigere Diagnoserate ausweist, kann verschiedene Gründe haben. Möglicher Weise gehen viele Betroffene nicht zum Arzt, weil sie Symptome wie Durchfall und Blähungen als intim und beschämend empfinden. Es kann aber auch sein, dass Ärzte statt der Diagnose Reizdarmsyndrom nur einzelne Symptome erfassen", sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer Baden-Württemberg, Winfried Plötze. Innerhalb Baden-Württembergs reicht die Betroffenenquote beim von 0,95 Prozent im Schwarzwald-Baar-Kreis bis zu 2,36 Prozent in Karlsruhe. Bundesweit kommen jährlich 285.000 Neuerkrankungen hinzu.
Langer Weg bis zur Diagnose
Was genau ein Reizdarmsyndrom auslöst, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Eine familiäre Vorbelastung kommt ebenso in Betracht wie bestimmte psychische Störungen und infektiöse Darmerkrankungen. Viele Betroffene schreiben ihre Beschwerden der Nahrung zu. Studien, die diesen Zusammenhang belegen, gibt es aber nicht. Da Beschwerden wie Durchfall und Krämpfe viele Auslöser haben können, erfolgt die Diagnose nach dem Ausschlussprinzip. Nicht selten dauert es Jahre, bis der Befund Reizdarmsyndrom feststeht. "Falsche Diagnostik und Übertherapie sind beim Reizdarmsyndrom keine Seltenheit. Vielen Patienten liegen unzählige Laborwerte und Untersuchungsergebnisse vor, mit denen sie aber nichts anfangen können und die vor allem nicht den Auslöser ihrer Beschwerden erklären", sagt der Mannheimer Mediziner Dr. Thomas Weiß, der in seiner Praxis seit Jahren Reizdarmpatienten behandelt.
Begleiterkrankungen sind keine Seltenheit
Bei der Vielzahl der Beschwerden und möglichen Ursachen sollte die Behandlung des Reizdarmsyndroms ganzheitlich erfolgen. Zumal die Patienten häufig Begleiterkrankungen haben. Mehr als die Hälfte leidet laut Barmer-Arztreport unter Rückenschmerzen (53,6 Prozent), 73 Prozent haben psychische Beschwerden. Einfach eine Tablette nehmen, wie die Werbung suggeriert, hilft nicht. Denn hier ist nicht nur der Darm erkrankt. Die Therapie muss einen ganzheitlichen Blick auf den Körper werfen, der die Psyche ebenso mit einbezieht wie die Themen Ernährung und Bewegung.
Was Betroffene tun können
Das Reizdarmsyndrom hat viele Ausprägungen. Einige Patienten haben eine milde Form, mit der sie ohne Behandlung zurechtkommen. Andere aber haben so starke Beschwerden, dass ihre Lebensqualität beeinträchtigt wird. Stress gilt zwar nicht als Auslöser des Reizdarmsyndroms, er kann aber die Beschwerden verschlimmern. Betroffene sollten deshalb erkennen, welche Situationen als stressig empfunden werden und ob sich diese ändern lassen. Eine Ernährungsumstellung ist beim Reizdarmsyndrom angezeigt, sie sollte aber unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Das Führen eines Ernährungstagebuchs kann dabei helfen, eventuellen Überempfindlichkeiten auf die Spur zu kommen