Stuttgart, 20. Oktober 2025 - Arbeitgeber sehen in der Möglichkeit, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, einen Grund für die gestiegenen Fehlzeiten in Baden-Württemberg. Die Daten der Barmer bestätigen diese These nicht.
Die Zahl der krankgemeldeten Beschäftigten in Baden-Württemberg ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Von rund 96 Arbeitsunfähigkeitsfällen (AU-Fällen) je 100 Barmer-Versicherte im Jahr 2020 auf etwa 170 (2022) und 183 im Jahr 2023. Arbeitgeber sehen einen Grund dafür in der telefonischen Krankschreibung. Eine Auswertung der Barmer zeigt jedoch: In Baden-Württemberg erfolgten nur 0,95 Prozent der über 550.000 registrieren AU-Fälle im Jahr 2022 und 0,85 Prozent der rund 595.000 Fälle im Jahr 2023 ausschließlich telefonisch. Auch die Krankschreibung per Videosprechstunde spielte mit 0,2 Prozent (2022) und 0,29 Prozent (2023) eine untergeordnete Rolle. "Wir sehen keinen Hinweis auf einen Missbrauch der telefonischen Krankschreibung. Deshalb sollte sie auch beibehalten werden, denn sie entlastet Praxen und verhindert volle Wartezimmer, die zu Infektionsherden werden können", sagt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg.
Mögliche Ursachen für den Anstieg
Grippe- und Erkältungswellen sowie die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnten mögliche Gründe für die gestiegenen Fehlzeiten sein. Seit 2023 werden Atteste automatisch an Krankenkassen und Arbeitgeber übermittelt. Winfried Plötze vermutet einen 'Meldeeffekt', da zuvor viele kurze Krankschreibungen wahrscheinlich nicht eingereicht wurden. Auch ein verändertes Verhalten durch die Pandemie könnte dazu führen, dass sich Beschäftigte heute eher krankschreiben ließen und zu Hause blieben.
Kranke Mitarbeiter kosten die deutsche Wirtschaft Milliarden
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall belastet die Unternehmen erheblich. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft stiegen die Kosten von 64,3 Mrd. Euro (2020) auf 76,7 Mrd. Euro (2023). Plötze: "Die Ursachenforschung ist angesichts dieser Kosten und der schlechten Wirtschaftslage verständlich. Aber die telefonische Krankschreibung als Treiber für die gestiegenen Fehlzeiten zu sehen und sie deshalb abschaffen zu wollen, ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen."
Die telefonische Krankschreibung ist nicht neu
Die telefonische Krankschreibung wurde erstmals während der Corona-Pandemie eingeführt und im Dezember 2023 dauerhaft etabliert. Sie ist nur bei bekannten Patientinnen und Patienten mit leichten Symptomen möglich. Im Rahmen der Videosprechstunde können auch unbekannte Patientinnen und Patienten bis zu fünf Tage krankgeschrieben werden, sofern eine Diagnostik per Video möglich ist.