Ein Notarztwagen
Weniger Kleinstaaterei, mehr Vernetzung

Der Rettungsdienst muss effizienter werden

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Stuttgart, 20. August 2025 – "Der Rettungsdienst leidet unter der hohen Zahl von Fehleinsätzen, Kleinstaaterei, einer schlechten Digitalisierung und zu wenig Vernetzung. Wir brauchen schlankere Strukturen sowie verbindliche bundeseinheitliche Standards und Prozesse, um den Rettungsdienst auf Kurs zu bringen." Das sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg, Winfried Plötze. 

Deshalb müsse der komplette Rettungsdienst im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verortet werden. Zudem sei die Zahl der Leitstellen viel zu hoch. "Wir brauchen in Baden-Württemberg keine 34 Leitstellen. Es ist völlig egal, ob ein Notruf von Stuttgart oder Stockach aus disponiert wird. Viel wichtiger ist, dass die Vorgehensweise in allen Leitstellen gleich und systematisch ist, damit die Anrufer triagiert werden und sie die Hilfe bekommen, die sie benötigen."

Ein Mann mit Glatze, Brille und Anzug lächelt in die Kamera

Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der BARMER in Baden-Württemberg

Etwa ein Drittel der Einsätze sind keine Notfälle

Ein großes Problem im Rettungsdienst sei, dass dieser oft unnötig ausrücken würde. Das belege auch eine Auswertung von bundesweit zwei Millionen Krankenhausfällen von Barmer-Versicherten im Jahr 2022. Fast jeder dritte Rettungsdiensteinsatz sei bei Fällen mit niedrigem oder moderatem Schweregrad erfolgt. Die Menschen seien häufig dehydriert gewesen oder hätten unter Bluthochdruck gelitten. "Ein entgleister Blutdruck und ein Flüssigkeitsmangel, weil zu wenig getrunken wurde, lassen sich in der Regel vermeiden, das sind nicht per se Notfälle", mahnt Plötze an. Rettungsdienst und Krankenhäuser könnten massiv entlastet werden, wenn diese Einsätze vermieden oder die Patientinnen und Patienten ambulant behandelt werden würden. Dafür müsse die Versorgung vor Ort und die Gesundheitskompetenz der Menschen verbessert werden. Auch die Tatsache, dass in Baden-Württemberg laut Barmer-Daten bei 36 Prozent der Notarzteinsätze kein stationärer Klinikaufenthalt folge, zeige, dass das System ineffizient sei.

Die Krankenkassen brauchen mehr Mitspracherecht

Anders als zum Beispiel die Krankenhausversorgung wird das Rettungswesen mit Ausnahme der Fahrtkosten nicht als eigener Leistungsbereich im SGB V geregelt. "Eine Verortung des kompletten Rettungsdienstes im Sozialgesetzbuch fünf ist aber notwendig, damit dieser mit der stationären und der ambulanten Versorgung vernetzt werden kann. Und diese Vernetzung brauchen wir, um eine Fehlversorgung und Leerfahrten zu vermeiden", sagt Barmer-Landeschef Plötze. Durch eine Regelung im SGB V wären auch bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben möglich und es entstünde Klarheit über die Planung und Finanzierung des Rettungsdienstes. "Wir fordern bei der Gestaltung des Rettungsdienstes mehr Mitspracherecht für die Krankenkassen. Wir werden an den Tisch gebeten, wenn es ums Bezahlen geht. Aber auf die Beschaffung von Rettungsmitteln oder auf Standortentscheidungen haben wir quasi keinen Einfluss."

Die Ausgaben für den Rettungsdienst steigen

Laut des Bundesgesundheitsministeriums sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für den Rettungsdienst in der Zeit von 2010 bis 2022 um durchschnittlich 9,7 Prozent pro Jahr gestiegen. Das liegt deutlich über dem Anstieg der Gesamtausgaben der GKV, der im selben Zeitraum bei durchschnittlich 4,3 Prozent pro Jahr liegt. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat bereits angekündigt, den Rettungsdienst im Zuge der Notfallreform neu aufstellen zu wollen. "Es ist richtig und wichtig, dass Bundesgesundheitsministerin Warken den Rettungsdienst in die Reform der Notfallversorgung einbeziehen möchte. Es kann nicht sein, dass im Rettungsdienst noch immer 16 unterschiedliche Länderstrukturen und Qualitätsvorgaben existieren. Die Bundesländer und Landkreise müssen anerkennen, dass es auch im Rettungsdienst bundesweit einheitliche Vorgaben geben muss."

Das Rettungswesen leidet unter der Kleinstaaterei

In Baden-Württemberg gibt es 34 Leitstellen, in denen die Notrufe eingehen und von wo aus die Einsätze disponiert werden. Zu viele, findet Winfried Plötze. Doch die Kommunen hielten an diesen ebenso fest wie das Land an seiner Planungshoheit. Mit dem Argument, sie seien näher an den Menschen und wüssten deshalb am besten, wie die Gesundheitsversorgung vor Ort auszusehen habe. "In der Theorie mag das stimmen. In der Realität ist das der Deckmantel, unter dem Reformen verhindert werden. Und das kann die Notfallversorgung verschlechtern. Zum Beispiel dann, wenn nicht der nächstgelegene Rettungswagen zum Einsatzort fährt, weil der zu einer anderen Leitstelle gehört." Der Föderalismus sei ein hohes Gut. Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass der Rettungsdienst unter der Kleinstaaterei leide.

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