Eine junge Frau, als Prinzessin verkleidet, und ein Mann als Flaschengeist Dschinni halten die Wunderlampe in ihren Händen.
STANDORTinfo - Der Newsletter der Barmer Landesvertretung Baden-Württemberg

Der Verein 46PLUS hat einen Weihnachtswunsch

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In dem Märchen 'Aladdin und die Wunderlampe' erfüllt der Flaschengeist Dschinni drei Wünsche. Der Stuttgarter Verein 46PLUS hat nur einen Wunsch. Nämlich den, dass Vorurteile gegenüber Menschen mit Downsyndrom abgebaut werden. Darauf macht der Verein zurzeit mit einer Plakataktion in Stuttgart aufmerksam. Die Barmer hat die Kampagne im Rahmen der Selbsthilfeförderung unterstützt. Petra Hauser (51) ist Gründungsmitglied von 46PLUS, Vereinsvorständin und Mutter eines 23-jährigen Sohnes mit Trisomie 21. 

Eine Frau mit Brille umarmt ihren Sohn.

Petra und Yannik Hauser.

Auf den Plakaten, die derzeit in Stuttgart zu sehen sind, steht: „Uns reicht ein Wunsch: Schluss mit Vorurteilen.“ Welche Vorurteile gibt es gegenüber Menschen mit Downsyndrom?

Petra Hauser: Ich mag das Wort Vorurteil nicht. Es klingt so hart. Aber viele Menschen haben zum Beispiel in ihren Köpfen, dass Menschen mit Downsyndrom weder gut sprechen noch schreiben können. Und dass die berufliche Zukunft von Kindern mit Trisomie 21 ausschließlich in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung liegt. Und so ist es aber nicht.

Wie ist es denn?

Petra Hauser: Es ist nicht alles einfach, wenn man ein Kind mit Downsyndrom hat. Aber vieles ist möglich. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir Menschen mit Trisomie 21 etwas zutrauen und sie in dem, was sie tun möchten, unterstützen. Dann können drei Jungs auch eine WG gründen, wie andere in ihrem Alter auch. Und 21-jährige Mädels mit Downsyndrom können modeln, wie man derzeit auf unseren Plakaten sieht.

Das ist nicht die erste Aktion, mit der 46PLUS in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam macht. Welche Strategie verfolgt der Verein?

Petra Hauser: Wir verfolgen zwei Ziele. Zum einen versuchen wir, die Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken darüber zu informieren, wie sie Eltern mitteilen sollten, dass deren Baby das Downsyndrom hat. Denn da läuft leider einiges schief. Für manche Eltern war die Art und Weise, wie ihnen die Diagnose mitgeteilt wurde, traumatisierend. Das darf nicht sein. Unser zweites Ziel ist, das Bild von Menschen mit Downsyndrom in der Öffentlichkeit zu verändern. Trisomie 21 ist häufig negativ konnotiert. Viele denken dabei an Pränataldiagnostik, Gendefekt und Behinderung. Wir zeigen, dass wir ganz normale Familien sind, dass unsere Kinder Spaß am Leben haben und was sie alles können. Wir möchten, dass alle im Wortsinn ein schönes Bild von Menschen mit Downsyndrom im Kopf haben. Deshalb sind unsere Kampagnenmotive auch immer bunt und fröhlich.

Und? Hat der Verein seine Ziele erreicht?

Petra Hauser: Ich denke schon, dass wir etwas bewirkt haben.

Woran merken Sie das?

Petra Hauser: Zum Beispiel daran, dass Menschen mit Downsyndrom inzwischen viel präsenter in den Medien sind. In der SWR-Dokureihe "Down the Road" hat Giuliana mitgewirkt. Sie ist die Tochter aus einer Familie, die Mitglied im Verein ist. Darauf wird das Mädchen sehr oft angesprochen. Die Menschen haben sich die Sendung angeschaut. Und sie haben auch keine Scheu, mit Giuliana darüber zu reden. Das finde ich großartig.

46PLUS ist eine Selbsthilfegruppe, die Sie vor 19 Jahren mitgegründet haben. Wie hat Ihnen der Verein damals geholfen?

Petra Hauser: Für mich war es unheimlich wichtig, mich mit Familien auszutauschen, die ebenfalls ein Kind mit Downsyndrom haben. Das heißt aber nicht, dass wir uns gegenseitig die Ohren vollgejammert haben. Wir haben uns unterstützt. Wo bekomme ich einen Behindertenausweis? In welchen Bereichen kann mich die Pflegekasse unterstützen? Welche Therapie ist sinnvoll? Das sind Fragen, die stellen sich irgendwann, wenn Sie ein Kind mit Trisomie 21 haben. Die Antworten darauf gab es von anderen Müttern und Vätern.

Das klingt total normal. Andere Eltern stehen doch auch auf dem Spielplatz und tauschen sich über ihre Kinder und ihre Probleme mit denen aus.

Petra Hauser: Es ist auch normal. Wir sind schließlich ganz normale Familien.

46PLUS
Der Verein 46PLUS wurde im Jahr 2003 gegründet. Rund 200 Familien sind derzeit Mitglied. Das Ziel des Vereins ist, über das Downsyndrom zu informieren und dadurch bestehende Vorurteile und Berührungsängste abzubauen. Außerdem möchte 46PLUS neu betroffenen Familien Mut machen. Weitere Informationen unter www.46plus.de.
Downsyndrom
Das Downsyndrom ist eine Chromosomenanomalie, bei der das 21. Gen drei- statt zweimal vorliegt. Deshalb spricht man auch von Trisomie 21. Kinder, die mit diesem Defekt geboren werden, haben 47 statt 46 Gene. Rein statistisch gesehen kommt eines von 600 bis 700 Kindern mit Trisomie 21 auf die Welt. 

Das Plakat des Vereins 46Plus an der U-Bahn-Haltestelle Schwabstraße

An Haltestellen und auf Bussen sind die Plakate des Vereins derzeit zu sehen.