Die Barmer setzt ein starkes Zeichen für die psychische Gesundheit junger Menschen: Seit Dezember 2024 steht der digitale On-Demand-Kurs „Mentale Erste Hilfe“ zur Verfügung. Entwickelt wurde der Kurs durch den Fachbereich der Barmer in Kooperation mit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Ziel ist es, jungen Menschen zu zeigen, wie sie psychische Belastungen im Freundeskreis einfach erkennen und wie der erste Schritt aussehen könnte, diese anzusprechen. Psychologin Dr. Ines Keita von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe erklärt, worum es geht – und warum schon ein Gespräch viel bewirken kann.
Mentale Erste Hilfe – mit der Rückendeckung des Verwaltungsrats der Barmer
Redaktion:
Constanze Löffler (Autorin und Ärztin, Nerdpol – Redaktionsbüro für Medizin- und Wissenschaftsjournalismus)Frau Dr. Keita, der Name „Mentale Erste Hilfe“ klingt sehr konkret. Was erwartet Teilnehmende, wenn sie sich für den Kurs entscheiden?
Psychologin Dr. Ines Keita von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Der Kurs wurde gezielt für junge Menschen konzipiert – also für Studierende, Azubis oder junge Berufstätige. Viele erleben in dieser Lebensphase zum ersten Mal psychische Krisen und Erkrankungen im eigenen Umfeld. Plötzlich ist da die Mitbewohnerin, die sich zurückzieht. Oder der Freund, der niedergeschlagen wirkt.
Der Kurs will ermuntern, genau hinzuschauen – und die eigene Sorge ernst zu nehmen. Dabei geht es um drei Schritte: Veränderungen wahrnehmen, ansprechen und gemeinsam Hilfe suchen.
Wie ist der Kurs konkret aufgebaut?
Das digitale Angebot besteht aus sieben Modulen, die sich flexibel online abrufen lassen. Wir starten mit dem Thema „Erkennen“ – also: Woran merke ich eigentlich, dass es jemandem psychisch nicht gut geht? Das geht weiter mit dem Thema „Helfen“: Wie spreche ich jemanden an? Wie kann ich zuhören, ohne gleich Lösungen und Ratschläge zu geben? Und am Ende geht es um „Vorsorgen“ – also: Wie kann ich auch auf meine eigene seelische Gesundheit achten?
Was lernen die Teilnehmenden beim Thema „Erkennen“?
Im Kurs sprechen wir über ganz konkrete Warnzeichen für psychische Probleme und Erkrankungen, etwa Depressionen oder Ängste: Rückzug, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder auch plötzliche Veränderungen im Verhalten. Wenn jemand immer öfter dem Sporttraining fernbleibt, plötzlich stark abgenommen hat oder apathisch wirkt, dann lohnt es sich, nachzufragen. Aber: Nicht jede Veränderung ist gleich krankhaft. Eine wichtige Unterscheidung ist, ob es für die Reaktion einen nachvollziehbaren Anlass gibt – zum Beispiel eine Trennung – oder ob das Verhalten dauerhaft und ohne erkennbaren Grund verändert ist.
Das klingt nach einer großen Verantwortung, vor der sicher manche zurückscheuen...
Deshalb sagen wir ganz klar: Es ist nicht die Aufgabe, eine Diagnose zu stellen – dafür gibt es Fachleute. Es reicht, wenn Sie sagen: „Ich sehe, dir geht es nicht gut. Ich mache mir Sorgen.“ Das kann schon der entscheidende Anstoß sein, sich Hilfe zu suchen. Und auch da unterstützt der Kurs: Wir stellen konkrete Hilfsangebote vor: von Schulsozialarbeit bis hin zum Krisenchat oder zur psychosozialen Beratungsstelle an der Uni. Und psychische Erkrankungen bedürfen auf jeden Fall professioneller medizinischer Hilfe!
Wie kann man das Gespräch beginnen, ohne die andere Person zu überfordern?
Ein Türöffner ist oft, die eigene Beobachtung zu schildern: „Du warst in letzter Zeit gar nicht mehr beim Yoga dabei – ich mache mir Gedanken.“ Oder: „Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut – ist alles okay?“ So signalisiert man Interesse, ohne zu drängen. Der Raum für ein Gespräch öffnet sich. Wichtig ist, nicht gleich Lösungen vorzuschlagen, sondern erst einmal zuzuhören.
Und wenn jemand abblockt?
Dann ist das auch in Ordnung. Viele brauchen Zeit. Entscheidend ist, dranzubleiben – ohne Druck: „Ich bin da, wenn du reden willst.“ Manchmal braucht es mehrere Anläufe. Und manchmal ist man selbst nicht die richtige Person. Auch das ist in Ordnung. Hauptsache, die Tür bleibt offen.
Was raten Sie, wenn man selbst an seine Grenzen kommt?
Gerade bei schweren Themen wie Sucht, Selbstverletzung oder Suizidgedanken kann es wichtig sein, sich auch als helfende Person Unterstützung zu holen. Der Kurs macht deutlich: Es ist keine Schwäche zu sagen: „Ich will für dich da sein, aber ich fühle mich überfordert oder das geht mir zu nahe.“ Dann kann man gemeinsam überlegen, wer zusätzlich helfen kann.
Wie können junge Menschen selbst auf sich achten?
Auch das ist Teil des Kurses: Was kann ich für meine psychische Gesundheit tun? Was hilft gegen Grübelschleifen? Welche Routinen tun mir gut? Schlaf, Bewegung, Achtsamkeit – das sind hilfreiche Dinge, die im Alltag leicht umgesetzt werden können. Wir geben ganz konkrete Tipps, etwa eine Übung zum Gedankenstopp. Oder die Idee, sich regelmäßig mit Freundinnen und Freunden zu verabreden. Solche kleinen Rituale tun der Seele gut. Gleichzeitig sagen wir klar: Mit diesen Maßnahmen lassen sich psychische Probleme nicht vollständig verhindern. Umso wichtiger ist es, Warnzeichen ernst zu nehmen – und sich bei Problemen frühzeitig professionelle Hilfe zu holen. Denn bei Erkrankungen wie einer Depression braucht es professionelle ärztliche oder psychotherapeutische Unterstützung.
Wie fügt sich das neue Angebot in die bestehenden digitalen Leistungen der Barmer ein?
Aus unserer Sicht ergänzt sich das sehr gut – zum Beispiel mit dem Achtsamkeitstraining von 7Mind. Während „Mentale Erste Hilfe“ vor allem darauf abzielt, psychische Krisen im Umfeld frühzeitig zu erkennen und unterstützend zu handeln, stärkt 7Mind eher die eigene Resilienz und Selbstfürsorge. Beides zusammen ergibt ein rundes, sehr niedrigschwelliges Angebot für junge Menschen.
Kostenfreier Online-Kurs: Was tun, wenn die Psyche Erste Hilfe braucht?
- Erlernen Sie in drei aufeinander aufbauenden Videoeinheiten, Menschen mit psychischen Belastungen zu unterstützen.
- Prüfen Sie Ihren Lernerfolg mit einem Quiz und laden sich ein Teilnahmezertifikat herunter.
- Greifen Sie jederzeit On Demand auf den Online-Kurs zu.