Soziale Pflegeversicherung als Teilleistungssystem stärken
Die angespannte finanzielle Situation der sozialen Pflegeversicherung erfordert ein schnelles Handeln der neuen Bundesregierung. Es sind sowohl kurzfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der Pflegeversicherung notwendig, wie die vollständige Rückzahlung der Aufwendungen für die Corona-Pandemie. Zudem sind strukturelle Maßnahmen und eine grundlegende Finanzierungsreform erforderlich, damit das System der Pflegeversicherung auf Dauer leistungsfähig bleibt. Damit kommt der von der neuen Bundesregierung geplanten Bund-Länder-Kommission eine herausfordernde Aufgabe zu. Die Pflegekassen sollten daran beteiligt werden.
Wichtig ist, dass die Kosten Versicherte und Pflegebedürftige nicht finanziell überfordern. Stetig anwachsende Mitgliedsbeiträge und vor allem immer höhere Eigenanteile in Pflegeeinrichtungen dürfen die Akzeptanz für das Teilleistungssystem Pflegeversicherung nicht gefährden.
Ohne eine grundlegende Finanzierungsreform wird die soziale Pflegeversicherung auf Dauer nicht leistungsfähig bleiben. Darüber hinaus muss die Pflegeversicherung auch vollständig von den Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben entlastet werden. So würde die Rückzahlung aller coronabedingten Kosten durch den Bund der Pflegeversicherung eine deutliche finanzielle Entlastung verschaffen. Auch die Finanzierung der Ausbildung von Pflegekräften und sonstigem Gesundheitspersonal in Pflegeeinrichtungen stellt eine öffentliche Aufgabe dar und muss deshalb über Steuern finanziert werden.
Bislang wird jedoch der Großteil der Ausbildungsfonds für die generalistische Pflegeausbildung durch die gesetzliche Krankenversicherung und die Pflegebedürftigen finanziert. Im stationären Bereich werden die Ausbildungskosten für die Langzeitpflege auf die Pflegebedürftigen umgelegt. Hier stehen die Bundesländer finanziell in der Pflicht, auch um die ständig steigenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu begrenzen.
Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für pflegende An- und Zugehörige müssen dauerhaft vom Bund getragen werden, denn auch hier handelt es sich nicht um eine Aufgabe der sozialen Pflegeversicherung. Die geplante Bund-Länder-Kommission soll die Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende An- und Zugehörige prüfen. Eine schnelle gesetzliche Regelung und Umsetzung ist notwendig, um die Pflegeversicherung finanziell zu entlasten.
Die Länder sind für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich. Die Finanzierung der dafür notwendigen Investitionskosten muss bei den Bundesländern liegen. Zu den Investitionskosten zählen unter anderem die Digitalisierungskosten, auch diese müssen daher durch die Länder getragen werden.
Zur Förderung von Tages- und Kurzzeitpflegeplätzen werden mehr Investitionen der Länder benötigt, um den steigenden Bedarf der Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen nach qualitativ hochwertigen Betreuungskonzepten erfüllen zu können. Dies ist notwendig, damit die entsprechenden Leistungen bedarfsgerecht abgerufen werden können. Auch bei Kurzzeitpflegeplätzen für Kinder und Jugendliche gibt es zu wenig Angebote. Der genaue Bedarf muss von den Ländern künftig regelmäßig festgestellt und mit Fördermitteln abgesichert werden.
Zur Finanzierung der Pflegeversicherung wurde im Jahr 2022 ein Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr eingeführt. Schon 2023 wurde der Steuerzuschuss für die Jahre 2024 bis 2027 ausgesetzt. Für eine stabile Finanzierung der Pflegeversicherung ist dieser jedoch notwendig. Die neue Bundesregierung muss eine Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der Pflegeversicherung gewährleisten, der Bundeszuschuss sollte zudem jährlich dynamisiert werden.
In der sozialen und der privaten Pflegeversicherung sind die Leistungsansprüche identisch. Doch die private Pflegeversicherung weist durch die günstigere Altersverteilung und Pflegeprävalenz ein deutlich geringeres Ausgabenniveau auf. Bei gleichem Leistungsrecht und identischen Beurteilungskriterien sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben der privaten Pflegeversicherung weitaus niedriger als die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung. Die private Pflegeversicherung verfügt zudem über erhebliche Rücklagen. Es ist daher wichtig, einen solidarischen Finanzausgleich zwischen beiden Systemen einzuführen, dieser könnte die soziale Pflegeversicherung erheblich entlasten.