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RubiN: Wie kann Delegation ärztlicher Tätigkeiten rechtssicher gestaltet werden?

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Wie vielschichtig die Klärung rechtlicher Fragen ist, wenn medizinische Versorgung vernetzt und sektorenübergreifend gestaltet werden soll, zeigt das Innovationsfondsprojekt RubiN.

Beim Aufbau eines damit verbundenen Casemanagements treten zahlreiche rechtliche Hürden zutage, besonders im Zusammenhang mit der Delegation ärztlicher Tätigkeiten innerhalb von Versorgungsnetzwerken. RubiN will dazu beitragen, rechtssichere Strukturen und Prozesse für Versorgungsnetzwerke zu ermöglichen.

Berlin, 19.12.2018 – Bei geriatrischen Patienten treten akute und chronische (Mehrfach-)Erkrankungen gleichzeitig auf, das alltägliche Leben wird möglicherweise zusätzlich durch kognitive Einschränkungen und eingeschränkte Mobilität erschwert. Das Gesundheitssystem ist jedoch nur bedingt auf die Versorgung multimorbider Patienten vorbereitet. Gerade bei der Behandlung geriatrischer Patienten ist eine Zusammenarbeit verschiedener Versorgungsebenen und Leistungserbringer notwendig.

Ziel: Erhalt der bestmöglichen Selbstständigkeit von geriatrischen Patienten

Das Innovationsfondsprojekt RubiN (Regional ununterbrochen betreut im Netz), das die Barmer als Konsortialführer entwickelt hat, will die Versorgung älterer Menschen so gestalten, dass deren Selbstständigkeit und Autonomie so lange wie möglich erhalten bleibt.

Das Projekt läuft bis in das Jahr 2021. Es schließt 4.400 geriatrische Patienten aus acht akkreditierten Praxisnetzten ein (drei Praxisnetze sind Kontrollgruppe). Fünf Netze haben hierfür Casemanager eingestellt, die ein multiprofessionelles und sektorenübergreifendes Casemanagement aufbauen. So werden für geriatrische Patienten individuelle Versorgungspläne, passgenaue Betreuungsangebote sowie Unterstützung bei der Organisation der Versorgung entwickelt. Der medizinische Betreuungsbedarf wird unter Berücksichtigung des Lebensumfeldes der Patienten ermittelt und individuell gestaltet. Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte der Praxisnetze arbeiten mit den beim Praxisnetz angestellten Casemanagern eng zusammen. Die Casemanager wiederum schlagen die Brücken zu Pflegediensten, Krankenhäusern sowie kommunalen sozialen Einrichtungen.

Delegation und Vernetzung benötigen Rechtssicherheit

Begleitet wird das Versorgungsprojekt durch eine ausführliche Prüfung des rechtlichen Rahmens der Versorgungsnetzwerke. Sollen Versorgungsnetze eine Rolle in der Steuerung und Koordination der Versorgung spielen, müssen bei teamorientierter und sektorenübergreifender Zusammenarbeit zahlreiche Fragen rund um die Netze geklärt werden: Dies reicht vom Strafrecht, dem Berufsrecht und dem Haftungsrecht über das Vertragsarzt- und Wettbewerbsrecht.

Werden im Rahmen des Versorgungsmanagements ärztliche Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal übertragen, so ist dies innerhalb einer Arztpraxis für Tätigkeiten wie Blutentnahme, Blutdruck messen und dergleichen möglich: Der Arzt delegiert an die Medizinische Fachangestellte. Ist jedoch der Arzt Mitglied eines Netzwerkes und delegiert er Aufgaben an einen beim Netzwerk angestellten Casemanager, so existiert derzeit keine Rechtsgrundlage, auf der dieses juristisch sicher erfolgen kann. Unklar sind vor allem die Qualifikationsanforderungen sowie der Leistungskatalog im Casemanagement, aber auch haftungsrechtliche Fragen.  So muss etwa geprüft werden, wer in einem Netz weisungsbefugt ist, welche Tätigkeiten delegiert werden dürfen und wie vertragliche Beziehungen zwischen Ärzten, Praxen und Netzen ausgestaltet sein müssen, um haftungsrechtlich unbedenklich zu sein.

RubiN wird Empfehlungen für den rechtlichen Anpassungsbedarf vorlegen

Es stellen sich weiterhin Fragen nach der geeigneten Rechtsform von Netzen sowie nach den Möglichkeiten und Grenzen der Datenübermittlung bei gemeinsamer Dokumentation. RubiN will ein Rechtsgutachten vorlegen, das Umsetzungsempfehlungen für den Gesetzgeber und die Selbstverwaltung enthält: Es soll beispielsweise ein Mustergesellschaftsvertrag für Praxisnetze erstellt sowie der rechtliche Anpassungsbedarf für den Gesetzgeber und die Selbstverwaltung formuliert werden. Dazu werden die Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen der acht RubiN-Regionen während der Projektlaufzeit einbezogen.

Vernetzung erfordert ein neues Rollenverständnis und eine andere Arbeitsteilung

Das Innovationfondsprojekt RubiN setzt an einem wichtigen versorgungspolitischen Thema an: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Gesundheitsversorgung sowohl aus medizinischen Gründen, aber auch aus Gründen der Effizienz weiterentwickelt werden muss. Das System muss stärker kooperativ und sektorenübergreifend ausgerichtet werden. RubiN kann bei der Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Vernetzung der Strukturen kann in der Praxis nur erreicht werden, wenn sich Rollenverständnis und Arbeitsteilung zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Professionen weiterentwickeln. Besonders in der Langzeitversorgung – etwa von geriatrischen Patienten – müssen delegationsfähige Leistungen im Sinne eines umfassenden Versorgungsmanagements erweitert und teilweise neu definiert werden. Das zielt in besonderer Weise auf die Tätigkeit von Pflegekräften.