Pflege für die Zukunft stark machen

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten

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Mehr als Dreiviertel aller pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause von ihren Angehörigen, Nachbarn oder mit Hilfe ambulanter Pflegedienste versorgt. Die familiäre und selbstorganisierte Pflege ist das Fundament der pflegerischen Versorgung in Deutschland, sie verdient hohe gesellschaftliche Anerkennung. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen benötigen darüber hinaus weitere Entlastungen organisatorischer und finanzieller Art - auch wenn sie auf die Unterstützung durch ambulante und stationäre Pflegeangebote angewiesen sind.

Pflegebedürftigen soll für die häusliche Pflege zukünftig ein Entlastungsbudget zur Verfügung gestellt werden, umgesetzt werden soll dies im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz. Für Pflegebedürftige ist die Möglichkeit einer Kombination der Leistungen aus Kurzzeit- und Verhinderungspflege von großem Vorteil: Sie werden damit in die Lage versetzt, die finanziellen Mittel individuell und nach Bedarf einzusetzen. Wichtig ist dabei, dass die Leistungen der Tagespflege nicht in das Budget der Kurzzeit- und Verhinderungspflege mit einfließen. Denn für die Tagespflege muss weiterhin ein eigener Leistungsanspruch bestehen, um dieses Angebot der Pflegeversicherung zu stärken.

Jedes Bundesland hat eigene Vorgaben für Betreuungs- und Unterstützungsangebote für Menschen, die zuhause gepflegt werden. Diese Vorgaben sollten bundesweit harmonisiert, die Anerkennung von Leistungsangeboten vereinfacht und der Zugang zu den Leistungen niedrigschwellig ausgestaltet werden. Dies gilt besonders für die Nachbarschaftshilfe. Weniger Bürokratie bei der Antragstellung und weniger organisatorischer Aufwand auf dem Weg zur Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen sollten das Ziel sein.

Die bisherigen Angebote der Familienpflegezeit auf der Grundlage von Darlehen werden von pflegenden Angehörigen bislang wenig in Anspruch genommen. Menschen, die ihre Berufstätigkeit für die Pflege von Angehörigen (zeitweilig) aufgeben, sollten daher staatliche Unterstützung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ohne die Verpflichtung zur Rückzahlung erhalten können. Dazu muss die Einführung einer steuerfinanzierten Pflegezeit geprüft werden. Diese könnte pflegenden Angehörigen in Anlehnung an die Elternzeit, also für einen begrenzten Zeitraum und abhängig von der Höhe des Einkommens, finanzielle Unterstützung bringen.

Um der schleichenden Entwertung von Pflegeleistungen dauerhaft zu begegnen, soll regelmäßig eine Anpassung der Leistungsbeträge geprüft werden, so sieht es das Sozialgesetzbuch XI zur Zeit vor. Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz sollen zum 01.01.2024 und 01.01.2025 die Leistungsbeträge um fünf Prozent erhöht werden. Die nächste Anpassung ist für 2028 geplant. Zur Entlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sollten jedoch die Leistungsbeträge jährlich in Anlehnung an die Grundlohnrate dynamisiert werden.

Mit der Einführung des Tariftreue-Gesetzes sind auch im ambulanten Leistungsbereich die Preise für die Pflege stark gestiegen. Da die Erhöhung der Leistungsbeträge erst im Jahr 2024 erfolgt, können derzeit weniger Leistungen als bisher von Pflegebedürftigen oder pflegenden Angehörigen bezogen werden. Um eine gleichbleibende Versorgung sicherstellen zu können, sollten die Pflegesachleistungen kurzfristig einmalig um einen festen Prozentsatz angehoben werden.

Sowohl im Krankenhausbereich als auch in der Pflege fehlen belastbare Informationen über aktuell freie Kapazitäten. Um Transparenz über die verfügbaren Plätze zu schaffen, müssen Berichts- und Monitoringformate ausgebaut werden. Ein Beispiel hierfür ist der Pflegeheimfinder in Nordrhein-Westfalen, der eine Suche nach freien Kurzzeit- und Dauerpflegeplätzen ermöglicht. Diese Hilfestellung würde auch den Sozialdiensten der Krankenhäuser das Entlassmanagement erheblich erleichtern.

Wichtig ist daher das mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz geplante Informationsportal zu Pflege- und Betreuungsangeboten, in dem die Pflegeeinrichtungen ihre Kapazitäten erfassen und öffentlich zur Verfügung stellen. Ziel sollte allerdings sein, die Informationen bundesweit zusammenzuführen. Als Ansatz dafür hat sich die DCS-Plattform (Daten-Clearing-Stelle) bewährt, die bereits eine bundeslandübergreifend einheitliche Durchführung des Verfahrens zur Veröffentlichung der Qualitätsprüfungsergebnisse sicherstellt und die Meldungen zur Umsetzung des Tariftreue-Gesetzes ermöglicht.

Die Pflegekassen erfüllen ihre Aufgabe der Beratung von Pflegebedürftigen auf hohem Niveau. Die besondere Stärke der Pflegekassen liegt darin, dass sie vulnerable Personen erkennen und auf sie zugehen können. Im Unterschied zur reinen Pflegeleistungsberatung führen Pflegekassen ihre Beratung in Form eines Case Managements durch, das weit über das Sozialgesetzbuch XI hinausgeht. Die Pflegekassen sollten die Möglichkeit der Beratung auch für Versicherte erhalten, die noch keinen Antrag auf Pflegeleistung gestellt haben.

Die gesetzlichen Qualitätsvorgaben für die Pflegeberatung müssen von allen Akteuren verpflichtend berücksichtigt werden. Die Pflegekassen setzen ihren gesetzlichen Auftrag hier umfassend um und gehen darüber hinaus. So bietet die Barmer ihren Versicherten beispielsweise eine aufsuchende Pflegeberatung, Unterstützung bei der Entlastung von pflegenden Angehörigen sowie die Erstellung eines individuellen Versorgungsplans.