Gesetzgebung

Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG)

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Referentenentwurf liegt vor

Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei -

vsl. 29.03.2023  

Kabinettsbeschluss

17.03.2023

Aktualisierter Referentenentwurf

20.02.2023

Referentenentwurf

Wesentliche Inhalte des Vorhabens

  • Beitragssatz für die Pflegeversicherung wird zum 01.07.2023 von 3,05 auf 3,4 Prozent erhöht - ergänzend steigt der Zuschlag für kinderlose Versicherte von 0,35 auf 0,6 Prozent.
  • Einführung gestaffelter Beitragssätze für Eltern (Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils)
  • Weitere Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige
  • Verpflichtende Anbindung aller Pflegeeinrichtungen an TI und ePA ab 01.07.2024

So positioniert sich die Barmer

Mit dem Referentenentwurf für ein „Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz“ hat die Bundesregierung Vorschläge für die Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung unterbreitet. Neben Leistungsverbesserungen ist eine deutliche Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes vorgesehen. Mit dem Gesetz soll auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom April 2022 umgesetzt werden, der dem Gesetzgeber vorschreibt, den Erziehungsaufwand von Eltern bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung stärker zu berücksichtigen. Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen, enthält der Referentenentwurf keine steuerfinanzierte Entlastung für die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die der Pflegeversicherung besonders während der Corona-Pandemie vom Gesetzgeber übertragen wurden.

Der allgemeine Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung steigt bereits zum 01.07.2023 von 3,05 auf 3,4 Prozent. Darüber hinaus wird der Zuschlag für kinderlose Versicherte von 0,35 auf 0,6 Prozent erhöht. Laut Entwurf ist durch die Erhöhungen im laufenden Jahr 2023 mit Mehreinnahmen für die Pflegeversicherung von 3,15 Milliarden Euro zu rechnen. Im Jahr 2024 sollen dadurch 6,6 Milliarden Euro mehr in die Pflegeversicherung fließen. Dies sei zur Stabilisierung der Finanzsituation und der Absicherung bestehender und angepasster Leistungsansprüche nötig, da die Pflegeversicherung pandemiebedingt schwer belastet sei.
Weiterhin ist geplant, dass die Bundesregierung die Beiträge zur Pflegeversicherung künftig per Rechtsverordnung ohne Beteiligung des Bundestages kurzfristig anpassen kann. Die Regelung soll greifen, wenn absehbar eine Unterschreitung des gesetzlichen Betriebsmittel- und Rücklagensolls der Pflegeversicherung droht.
Zur weiteren kurzfristigen Entspannung der Finanzsituation der Pflegeversicherung sollen die Zahlungen an den Pflegevorsorgefonds weiter gestreckt werden: Geplant ist, dass die Zahlungen des Jahres 2023, die eigentlich als Jahresrate im Dezember 2023 vorgesehen waren, in monatlichen Raten im Jahr 2024 erfolgen. Für die Rückzahlung des Darlehens an den Ausgleichsfonds, das die Pflegeversicherung 2022 erhalten hat, werden ihr zwei Jahre mehr als bisher eingeräumt – die Fälligkeit wird auf das Jahr 2028 verschoben.

Position der Barmer
Vor dem Hintergrund der angespannten Finanzsituation der Pflegeversicherung sind schnelle Finanzhilfen nötig. So müssen die pandemiebedingten Ausgaben der Pflegeversicherung schnell und vollständig zurückgezahlt werden. Die Regierungsparteien hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auch auf umfassende Steuermittel für die gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen der Pflegeversicherung geeinigt. Die geplante Beitragssatzerhöhung führt zu erheblichen Mehrbelastungen für die gesetzlich Versicherten. Dies wäre nicht notwendig, wenn die Bundesregierung die Ausgaben der Pflegeversicherung für versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel finanzieren würde. Mit der geplanten Rechtsverordnung kann der Gesetzgeber schneller als bisher auf angespannte Finanzlagen reagieren – dem Parlament würde damit jedoch das Mitspracherecht genommen. Für die Planbarkeit in der Pflegeversicherung wäre eine regelhafte und verbindliche Dynamisierung des jährlichen Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung wichtig.

Zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts werden gestaffelte Beitragssätze zur Pflegeversicherung eingeführt, abhängig von der Anzahl der Kinder. Zusammen mit der Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,35 Punkte führt die neue Staffelung der Beitragssätze dazu, dass ab dem vierten Kind eine Beitragsreduzierung gegenüber dem heutigen Recht entsteht. Ohne Beitragssatzerhöhung wäre dies ab dem zweiten Kind der Fall gewesen. Wie der Kinderlosenzuschlag wirken sich auch die Abschläge nur auf den Beitragsanteil der Versicherten aus, der Beitragsanteil des Arbeitgebers bleibt unberührt. Die Regelung tritt zum 01.07.2023 in Kraft.

Position der Barmer 
Die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts ist sachgerecht. Jedoch wurde die Regelung viel zu spät in den Gesetzgebungsprozess eingebracht, sie ist im vorgegebenen Zeitrahmen nur schwer praktisch umsetzbar.

Der Gesetzentwurf sieht weitere Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung vor. So sollen sowohl das Pflegegeld als auch die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 01.01.2024 um fünf Prozent angehoben werden. Die Erhöhung der Sachleistungsbeträge wird mit den lohnbedingt steigenden Pflegevergütungen ambulanter Pflegeeinrichtungen begründet. In den Jahren 2025 und 2028 sollen alle Leistungsbeträge angepasst werden.
Der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld wird ausgeweitet: Dieses soll künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können, bisher war dies nur einmalig möglich. Die bisherigen Beträge für Leistungen der Verhinderungspflege und für Leistungen der Kurzzeitpflege werden zum 01.01.2024 in einem neuen „Gemeinsamen Jahresbetrag“ für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammengeführt. Damit steht für beide Leistungen ein Gesamtleistungsbetrag zur Verfügung, den die Anspruchsberechtigten flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können.
Nachdem zum 01.01.2022 gestaffelte Leistungszuschläge zur Reduzierung der von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteile in der vollstationären pflegerischen Versorgung eingeführt wurden, werden diese ab dem 01.01.2024 nochmals um fünf bis zehn Prozentpunkte erhöht.

Position der Barmer
Die Anhebung der Sachleistungsbeträge ist richtig, jedoch wäre eine schnellere Unterstützung notwendig, um die lohnbedingten Preissteigerungen in der ambulanten Pflege noch im laufenden Jahr ausgleichen zu können. Zur Entlastung von Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sollten die Leistungsbeträge künftig jährlich in Anlehnung an die Grundlohnrate dynamisiert werden.
Die Zusammenführung der Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem Gesamtbudget ist richtig und entspricht einer langjährigen Forderung der BARMER. Die weitere Reduzierung der pflegebedingten Eigenanteile schafft für die Betroffenen eine finanzielle Entlastung, damit wird dem Trend zu steigenden Eigenanteilen entgegengewirkt. Die dafür notwendigen Mittel werden jedoch weiterhin vollständig von der sozialen Pflegeversicherung aufgebracht. Um eine dauerhafte finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen zu bewirken, muss der Gesetzgeber die Zuständigkeiten für die Finanzierung verbindlich klären. Die Bundesländer müssen ihrer Pflicht zur Finanzierung der Investitionskosten und der Ausbildungskosten in der Pflege nachkommen.

Ein weiteres Ziel des vorliegenden Referentenentwurfes ist es, das große Potential der Digitalisierung für Pflegebedürftige und Pflegende besser als bisher nutzbar zu machen. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen werden daher bis zum 01.07.2024  verpflichtet, den Zugriff auf die elektronische Patientenakte und den Anschluss an die Telematikinfrastruktur zu ermöglichen.
Mit der Einsetzung eines „Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege“ beim GKV-Spitzenverband will die Bundesregierung die Digitalisierung in der Langzeitpflege ausbauen. Dazu gehören die regelmäßige Analyse und Evaluation der Umsetzung digitaler Prozesse sowie die Entwicklung konkreter Empfehlungen insbesondere für Leistungserbringer und Pflegekassen.

Position der Barmer
Die Digitalisierung kann in der Pflege zur Entlastung der Pflegekräfte und zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Besonders der Einsatz der elektronischen Patientenakte wird dazu beitragen, medizinische und pflegerische Behandlungen besser abzustimmen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen.