Gesetzgebung

Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)

Lesedauer unter 9 Minuten

Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei - 
28.03.2024Inkrafttreten
22.03.2024Zustimmung Bundesrat
21.02.2024Sitzung des Vermittlungsausschusses
24.11.2023Bundesrat - Anrufung Vermittlungsausschuss
19.10.20232./3. Lesung Bundestag
27.09.2023Anhörung im Gesundheitsausschuss
21.09.20231. Lesung Bundestag
13.09.2023Kabinettsbeschluss (Formulierungshilfe)
30.08.2023Verbändeanhörung BMG
11.08.2023Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von 
Bündnis 90/Die Grünen und der FDP

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätssicherung der Krankenhäuser
  • Einführung eines Krankenhaus-Transparenzverzeichnisses
  • IQTIG als Betreiber des Verzeichnisses 
  • Datenerhebung und Zuordnung der Krankenhäuser zu Leveln durch das InEK

So positioniert sich die Barmer

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat am 21.02.2024 grünes Licht für das Krankenhaustransparenzgesetz gegeben. Nachdem der Bundesrat im vergangenen November dem Gesetz die Zustimmung verweigert und ein Vermittlungsverfahren angestoßen hatte, empfahl der Vermittlungsausschuss, den vorliegenden Gesetzentwurf ohne Änderungen zu bestätigen. 

Weg frei für Klinik-Atlas und Krankenhaus-Liquiditätshilfen
Zentrales Ziel des Krankenhaustransparenzgesetzes ist die Einführung eines Transparenzverzeichnisses,  in dem sich die Bevölkerung über Leistungen und Qualität aller Krankenhäuser informieren und diese miteinander vergleichen kann. Wie Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Anschluss an die Einigung im Vermittlungsausschuss mitteilte, wird das Transparenzverzeichnis, wie im Gesetz vorgesehen, zum 01.05.2024 vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht.  Auch die im Gesetz vorgesehenen liquiditätssichernden Maßnahmen für die Krankenhäuser können damit in Kraft treten: So sind eine frühzeitige Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen beim Pflegepersonal, die Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes auf 250 Euro sowie der vorzeitige Ausgleich noch nicht finanzierter Pflegekosten vorgesehen.

BMG macht Ländern weitere Zusagen für Krankenhausreform
Möglich wurde die Einigung zum Krankenhaustransparenzgesetz durch eine Reihe von Zusagen für die geplante Krankenhausreform, zu der es auch weiterhin keine Verständigung zwischen Bund und Ländern gibt. So unterbreitete Minister Lauterbach den Ländern Vorschläge in einer Protokollerklärung für den Vermittlungsausschuss. Neben einem milliardenschweren Transformationsfonds wird darin auch eine höhere Betriebsmittelfinanzierung für die Krankenhäuser beschrieben.

Zur Umstrukturierung von Kliniken und zur Konzentration von Versorgungskapazitäten soll in den Jahren 2026 bis 2035 ein so genannter Transformationsfonds aufgesetzt werden. Die Umsetzungsvorschläge zur Protokollerklärung sehen vor, dass dazu der beim Bundesamt für Soziale Sicherung angesiedelte Strukturfonds genutzt wird. Dieser soll in zehn Jahren mit insgesamt 25 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds befüllt werden. 
Voraussetzung für die Zuteilung von Fördermitteln ist die hälftige Beteiligung des Landes auch unter möglicher Beteiligung des Krankenhausträgers, womit insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro an Fördermitteln fließen könnten. Die Mittel sollen über den Königsteiner Schlüssel an die Länder verteilt werden. Voraussetzung für die Förderung eines Projektes ist, dass das antragstellende Land seine Investitionsfinanzierung in den Jahren 2026 bis 2035 in der Höhe des Durchschnitts der Jahre 2021 bis 2025 beibehält. Laut Gesetzesvorschlag sollen auch Krankenhausverbünde, Zentren zur Behandlung seltener Erkrankungen an Universitätskliniken oder telemedizinische Netzwerkstrukturen und nicht zuletzt tatsächliche Krankenhausschließungen förderfähig sein. Alle Einzelheiten sollen in einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geregelt werden.  

Position der Barmer
Die Notwendigkeit eines Umbaus und einer stärkeren Konzentration der Krankenhauslandschaft ist unbestritten. Deshalb muss die Reform der Krankenhausstrukturen rasch und konsequent erfolgen. Ursächlich für die bestehenden Defizite ist eine seit Jahren verfehlte Krankenhausplanung bei gleichzeitig mangelnder Investitionsfinanzierung der Länder. Für diese Versäumnisse darf keinesfalls der Beitragszahler aufkommen. Eine jährliche Belastung der GKV in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wäre daher nicht angemessen.
Während die Bundesländer den Kliniken seit Jahren keine auskömmlichen Investitionsmittel bereitstellen – die Investitionsquote sinkt kontinuierlich und entfernt sich damit immer weiter von den erforderlichen acht bis zehn Prozent – muss die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) Jahr für Jahr Rekordausgaben für die Krankenhausbehandlung aufwenden. Diese werden von den Krankenhäusern teilweise zur Investitionsfinanzierung zweckentfremdet. Nötig ist daher eine deutliche und dauerhafte Steigerung der Investitionsmittel der Länder. Um insbesondere den Einstieg in die energetische Sanierung der Krankenhäuser zu sichern, sollten dabei die Sonderfördermittel der Länder deutlich erhöht werden. 

Das Bundesministerium für Gesundheit will die wirtschaftliche Lage und Liquidität der Krankenhäuser verbessern. Dazu sollen die Tariferhöhungen aller Krankenhausbeschäftigten künftig bei einer unterjährigen Anpassung der Landesbasisfallwerte berücksichtigt werden, sofern eine Vertragspartei diese Neuvereinbarung verlangt. Bislang wird der Landesbasisfallwert, der eine wichtige Grundlage für die Ermittlung der abzurechnenden Entgelte im Krankenhaus ist, jährlich festgelegt.
Der Orientierungswert, der die jährliche Kostenentwicklung in den Krankenhäusern wiedergibt, soll bei der Ermittlung des Veränderungswertes künftig nicht mehr anteilig, sondern in voller Höhe angesetzt werden. Der Veränderungswert definiert die maximal zulässige Steigerung für die Vereinbarung der Landesbasisfallwerte. Die volle Berücksichtigung des Orientierungswertes beim Veränderungswert führt somit zu einem deutlich stärkeren Anstieg der Landesbasisfallwerte.
Die vollständige und unterjährige Tarifrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen sowie die Anwendung des vollen Orientierungswertes beim Veränderungswert soll in Zukunft auch für die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser gelten.

Position der Barmer
Durch die geplanten Neuregelungen werden die Verhandlungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen deutlich komplexer, die heute schon überbordende Bürokratie wird weiter zunehmen. Mit der vollen Refinanzierung aller Tariflohnsteigerungen und der Berücksichtigung des vollen Orientierungswertes wird der Weg in Richtung Selbstkostendeckung beschritten. Anreize für die Krankenhäuser zum wirtschaftlichen Einsatz von Beitragsmitteln gehen verloren. Statt einer breiten Streuung begrenzter Finanzmittel an alle Krankenhäuser ist eine gezielte Finanzierung bedarfsnotwendiger Standorte notwendig. 
Der Verzicht auf kostendämpfende Instrumente wird die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung weiter in die Höhe treiben. Zusätzlich werden der Versichertengemeinschaft damit erhebliche Mehrausgaben entstehen, was vor dem Hintergrund steigender Gesamtsozialversicherungsabgaben vermieden werden muss.

Dem Beschluss des Bundestags zufolge soll ab dem 01.05.2024 ein Transparenzverzeichnis des Bundesgesundheitsministeriums im Internet veröffentlicht werden. Das Verzeichnis wird für jeden Krankenhausstandort allgemeinverständliche Informationen insbesondere zum Leistungsangebot, zur personellen Ausstattung und zu Qualitätsdaten enthalten und zudem fortlaufend aktualisiert.
Das Leistungsangebot an den einzelnen Krankenhausstandorten soll dabei nach den 65 Leistungsgruppen differenziert dargestellt werden, auf die sich Bund und Länder in ihren Eckpunkten geeinigt haben. Ausgehend von der Anzahl der vorgehaltenen Leistungsgruppen wird jeder Krankenhausstandort einer bundeseinheitlichen Versorgungsstufe (Level) zugeordnet.
Wie der Gesetzbeschluss ausführt, sollen die Leistungsgruppen- und Leveleinteilungen jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Planungshoheit der Länder haben. Sie dienten lediglich „einer aussagekräftigen Abstufung der Beiträge der Krankenhäuser zur stationären Versorgung“, wie es in der Begründung heißt.

Position der Barmer
Das Ziel, für Patientinnen und Patienten mit Hilfe leicht verständlicher Informationen Transparenz über die Krankenhausbehandlung und die Qualität der stationären Versorgung zu schaffen, ist sinnvoll. Es ist jedoch fraglich, ob das Krankenhaustransparenzgesetz in der geplanten Form zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgung beitragen kann. Dafür wären verbindliche Versorgungsstufen mit klaren und detaillierteren Qualitätsanforderungen – wie ursprünglich von der Regierungskommission empfohlen – notwendig, die auch als Basis für die Krankenhausplanung dienen. Damit könnten Krankenhäuser nur die Leistungen erbringen, für die sie personell und technisch ausgestattet sind. Dies wäre ein wichtiger Beitrag, um die Patientensicherheit zu verbessern und die begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen in der Versorgung zu bündeln.

Mit dem Beschluss werden alle Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet, künftig auch Angaben zum beschäftigten ärztlichen Personal und zu den Leistungsgruppen standortbezogen an das Institut für Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu übermitteln. Um die Veröffentlichung des Transparenzverzeichnisses zum 01.05.2024 gewährleisten zu können, sind zunächst quartalsweise Datenlieferungen notwendig. 
Auf Basis dieser gemeldeten Daten nimmt das InEK(bis zum Vorliegen eines Klassifikationsinstruments) eine vorläufige Leistungsgruppenzuordnung vor und weist den Krankenhausstandorten Level zu. Die Level werden im Gesetzentwurf wie folgt abgegrenzt:

  • Level 3-Krankenhäuser (mindestens fünf internistische Leistungsgruppen, mindestens fünf chirurgische Leistungsgruppen, die Leistungsgruppe Intensivmedizin, die Leistungsgruppe Notfallmedizin sowie zusätzlich acht weitere Leistungsgruppen)
  • Level 2-Krankenhäuser (mindestens zwei internistische Leistungsgruppen, mindestens zwei chirurgische Leistungsgruppen, die Leistungsgruppe Intensivmedizin, die Leistungsgruppe Notfallmedizin sowie zusätzlich drei weitere Leistungsgruppen)
  • Level 1n-Krankenhäuser (mindestens die Leistungsgruppe Allgemeine Innere Medizin, die Leistungsgruppe Allgemeine Chirurgie, die Leistungsgruppe Intensivmedizin sowie die Leistungsgruppe Notfallmedizin)
  • Level F-Krankenhäuser (Fachkliniken)
  • Level 1-i-Krankenhäuser (sektorenübergreifende Versorger, die regelhaft keine Notfallmedizin erbringen)

Das InEK übermittelt diese Daten an das IQTIG, das diese mit den Qualitätssicherungsdaten zusammenführt. 

Position der Barmer
Da dem InEK bereits heute die Rolle eines Datenübermittlers zukommt, sind die hier vorgegebenen Aufgaben nachvollziehbar.
Es ist nicht erkennbar, auf Basis welcher wissenschaftlichen oder empirischen Erkenntnisse die Definition der Versorgungsstufen abgeleitet wird. Auch sind die Vorgaben für die Level nur wenig konkret und im Hinblick auf notwendige Mindeststrukturvoraussetzungen, beziehungsweise Qualitätsanforderungen, nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass die Leistungsgruppe Notfallmedizin noch nicht definiert ist, diese ist aber Grundlage für die Zuordnung der Krankenhausstandorte zu Leveln. Die Definition dieser Leistungsgruppe muss möglichst zeitnah erfolgen, um die Levelzuordnung bundeseinheitlich vornehmen zu können. Eine rechtssichere Ausgestaltung der Level ist auch vor dem Hintergrund der kritischen Haltung der Länder zu diesen notwendig.
Wichtig ist, dass das Gesamtprojekt der Krankenhausstrukturreform nicht gefährdet wird.

Gegenüber früheren Entwürfen sieht der Gesetzesbeschluss eine Reihe von technischen Änderungen am Transparenzregister vor. So soll das Register einen Monat später als bislang geplant am 01.05.2024 an den Start gehen. Gleichzeitig erhält das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) konkrete Vorgaben für den Umgang mit den Daten und deren Aufbereitung.

Position der Barmer
Obwohl das Transparenzregister nun einen Monat später veröffentlicht wird, bleiben die Datenmeldefristen für die Krankenhausträger sowie die Umsetzung durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) und das IQTiG weiterhin ambitioniert und dadurch fehleranfällig. Auch mit Blick auf den Widerstand der Bundesländer ist offen, ob der Zeitplan eingehalten werden kann.

Frühzeitige Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen beim Pflegepersonal
GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft werden verpflichtet, bei der jährlichen Vereinbarung der Tariferhöhungsrate die prozentuale Tariferhöhung für das Pflegepersonal separat auszuweisen, welches nicht in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig ist. Damit soll eine frühzeitige Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen beim Pflegepersonal ermöglicht werden.

Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes
Für die Pflegebudgets der Krankenhäuser, aus welchen das Pflegepersonal finanziert wird, soll der vorläufige Entgeltwert für das Jahr 2024 auf 250 Euro festgelegt werden. Dieser kommt bei Kliniken zur Abrechnung, die noch keine Vereinbarung für das Budgetjahr 2020 getroffen haben (ca. 15 Prozent aller Krankenhäuser). Mit der Erhöhung von 230 Euro (2023) auf 250 Euro (2024) sollen Liquiditätsprobleme vermieden werden, die durch eine finanzielle Unterdeckung der Pflegepersonalkosten entstehen könnten.

Vorzeitiger Ausgleich noch nicht finanzierter Pflegekosten 
Künftig sollen Krankenhäuser voraussichtliche Mindererlöse (zum Beispiel aufgrund coronabedingter Leistungsrückgänge) bei den jährlich zu vereinbarenden Pflegebudgets unabhängig vom aktuell zu verhandelnden Budgetjahr berechnen und vorläufig geltend machen können. Dadurch werden diese deutlich früher als bisher ausgeglichen.
Durch die vorgezogenen Mindererlösausgleiche bei noch nicht vereinbarten Pflegebudgets der Jahre 2020 bis 2023 erhalten die Krankenhäuser liquide Mittel in Milliardenhöhe.

Position der Barmer
Mit den geplanten kostenträchtigen Maßnahmen zur Liquiditätssicherung der Krankenhäuser werden kurzfristig erhebliche finanzielle Mittel bereitgestellt. Diese können bei steigender Fallzahlentwicklung zu einer Überzahlung der Krankenhäuser führen. Die Beitragszahler hingegen würden durch die geplanten Regelungen mit einem Milliardenbetrag belastet. Dieser ist nicht in den Schätzungen zur GKV-Finanzsituation und bei der Kalkulation des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes berücksichtigt.
Durch die Regelungen etwa zum Pflegeentgeltwert oder zu den vorläufigen Mindererlösausgleichen werden die Budgetverhandlungen eher gebremst als beschleunigt. Zudem dürfte sich der bürokratische Aufwand für Kostenträger und Kliniken weiter erhöhen.