Termine Gesetzgebung
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15.06.2023 | Referentenentwurf |
Wesentliche Inhalte des Gesetzes
- Einführung von Gesundheitskiosken auf alleinige Initiative der Kommune, Finanzierung zu 74,5 Prozent durch die GKV
- Gründung von Primärversorgungszentren als besonderes hausärztliches Angebot, die mit Kommunen und lokalen Leistungserbringern kooperieren sollen
- Etablierung von Gesundheitsregionen als Alternative zur Regelversorgung zur sektorenübergreifenden Vernetzung der Versorgungsakteure, Finanzierung jeweils hälftig von der GKV und der jeweiligen Kommune
- GKV-Spitzenverband soll verpflichtende Vorgaben zur Transparenz über die Servicequalität, beispielsweise hinsichtlich der Bearbeitungsdauer von Anträgen der Kassen machen
So positioniert sich die Barmer
Um Beratung, Prävention und Versorgung in sozial oder strukturell benachteiligten Regionen zu verbessern, will das Bundesgesundheitsministerium die Gesundheitsversorgung in den Kommunen stärken und die individuelle Gesundheitskompetenz der Menschen erhöhen. Dazu wurde am 16.06.2023 der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune“ (GVSG) bekannt. Wie im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vereinbart, sieht der Entwurf die Einrichtung von Gesundheitskiosken, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren als zusätzliche Versorgungsstrukturen vor. Darüber hinaus ist eine Regelung zur Transparenz über die Servicequalität der Krankenkassen Teil des GVSG.
Die Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen werden verpflichtet, in sozial benachteiligten Regionen gemeinsam mit den Kreisen oder kreisfreien Städten Gesundheitskioske zu errichten. Das Initiativrecht für die Etablierung von Kiosken liegt bei den Kommunen. Bedingung ist dabei, dass sich die Kreise und Städte finanziell beteiligen und eine enge Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst gewährleistet ist.
Schwerpunkt der Arbeit von Gesundheitskiosken soll ein niedrigschwelliges Beratungsangebot sein, unter Leitung einer Pflegefachkraft. So sollen Leistungen der Prävention empfohlen und vermittelt werden. Gleiches gilt für die medizinische Behandlung sowie ambulante telemedizinische Leistungen. Hinzu kommt die Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten. Einfache medizinische Routineaufgaben sollen im Rahmen ärztlicher Delegation durchgeführt werden können. Eine weitere Aufgabe der Kioske ist die Bildung sektorenübergreifender Netzwerke – was eine mögliche Beteiligung anderer Sozialversicherungsträgern umfasst.
Die Finanzierung für Betrieb und Leistungen der Kioske soll zum größten Teil von den Krankenkassen getragen werden, ihr Anteil liegt bei 74,5 Prozent. Die Kommunen sind mit 20 Prozent und die PKV mit 5,5 Prozent beteiligt. Die Arbeit der Kioske muss laut Gesetzentwurf alle drei Jahre von einem unabhängigen Institut evaluiert werden.
Position der Barmer
Bei der Umsetzung von Gesundheitskiosken dürfen keine ineffizienten Doppelstrukturen geschaffen werden. Vielmehr müssen bestehende Strukturen der Krankenkassen, die durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sichergestellte ambulant-ärztliche Versorgung sowie kommunale Angebote bei der Planung eines Kioskes einbezogen werden.
in Initiativrecht der Kommunen setzt voraus, dass klare Kriterien dazu vorliegen, ob die Gründung eines Kioskes bedarfsgerecht ist. Zudem dürfte eine – vom Grundsatz her richtige – Evaluation dadurch erschwert werden, dass Gesundheitskioske je nach Kommune unterschiedlich ausgestaltet sein werden.
Die geplanten Gesundheitskioske dürfen nicht mehrheitlich durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden, da sie wesentliche Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen übernehmen. Eine Querfinanzierung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Beitragsmittel der GKV muss deshalb ausgeschlossen werden. Überdies stellt sich die Frage, wie teure Leistungsausweitungen angesichts der angespannten Finanzlage der GKV realisiert werden sollen.
Kreise oder kreisfreie Städte sollen auch das Initiativrecht zur Bildung von Gesundheitsregionen erhalten. Deren Aufgabe ist laut Entwurf, die regionalen Versorger mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst zu vernetzen, eine sektorenübergreifende und koordinierte Versorgung und Gesundheitsförderung sicherzustellen sowie mobile Angebote auszubauen, um den Zugang der Patientinnen und Patienten zur Versorgung zu erleichtern. Gesundheitsregionen sollen als Alternative zur Regelversorgung dienen, in die sich die Versicherten einschreiben können.
Auch hier besteht für die Krankenkassen auf Landesebene eine Verpflichtung der Zusammenarbeit. Die Kommunen müssen dabei folgende Voraussetzungen gegenüber den Kassen erfüllen: Sie müssen die an einer Gesundheitsregion teilnehmenden Leistungserbringer benennen, qualifizierte Angaben zu den Zielen und Aufgaben des Verbunds machen, eine enge Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst garantieren und schließlich die Hälfte der entstehenden Kosten tragen. Die andere Hälfte soll durch die GKV finanziert werden. Die Organisation der Gesundheitsregion kann von den Vertragspartnern einzeln oder gemeinsam durchgeführt werden, möglich ist auch die Übertragung an beteiligte Leistungserbringer oder an Dritte.
Position der Barmer
Der vorliegende Gesetzentwurf lässt wesentliche Fragen der Ausgestaltung dieser Versorgungsstruktur unbeantwortet. So wird nicht erkennbar, wie das Konzept einer Gesundheitsregion zur Verbesserung der Versorgung beitragen kann. Es steht zu befürchten, dass die Organisation der medizinischen Versorgung durch neue zusätzliche Strukturen komplizierter wird und zudem kommunale Insellösungen mit individuellem Vertragswerk entstehen. Auch bleibt offen, welcher Bedarf an Leistungen für Gesundheitsregionen besteht, wie er gemessen werden soll und wie hierbei ambulante und stationäre Versorgung im Sinne einer sektorenübergreifenden Planung und Vergütung miteinander verzahnt werden sollen. Bisherige regionale Ansätze, wie zum Beispiel das „Gesunde Kinzigtal“, hatten wesentlich höhere Overhead-Kosten als die im Gesetzentwurf veranschlagten. Zudem haben sie bis jetzt keinen positiven Effekt auf die Versorgung zeigen können.
Mit den Primärversorgungszentren soll das hausärztliche Versorgungsangebot besonders in strukturschwachen Gebieten ergänzt werden. Geplant ist, in den Zentren berufsgruppenübergreifend, koordiniert und kooperativ zu arbeiten, um die Versorgung von Versicherten mit besonderen medizinischen und gegebenenfalls sozialen Anliegen besser zu begleiten. Dazu sollen verstärkt nichtärztliche Fachkräfte aus Medizin und Pflege eingesetzt und die Zusammenarbeit von hausärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern sowie Gesundheitskiosken oder Kommunen angestrebt werden. Der Bewertungsausschuss erhält den Auftrag, die Vergütung nichtärztlicher Leistungen anzupassen. Alle drei Jahre muss dieser zudem dem Bundesgesundheitsministerium über die Entwicklung der abgerechneten nichtärztlichen Leistungen berichten.
Primärversorgungszentren sollen in Regionen eingerichtet werden können, in denen für den Bereich der hausärztlichen Versorgung eine Unterversorgung festgestellt wurde oder diese droht. Voraussetzung ist dabei, dass die Zentren eine Kooperationsvereinbarung mit einem Gesundheitskiosk oder einer Kommune eingehen und die Zusammenarbeit mit fachärztlichen sowie nichtärztlichen Leistungserbringern sicherstellen.
Die Gründung eines Zentrums kann durch zugelassene Ärztinnen und Ärzte, ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften oder medizinische Versorgungszentren erfolgen. Mindestens drei Ärztinnen oder Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag sind dafür Voraussetzung. Die Anerkennung eines Zentrums erfolgt durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung. Die Ausgestaltung etwa der medizinischen Versorgung in Primärversorgungszentren, der personellen Ausstattung sowie der Versorgungsqualität vereinbaren Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband im Bundesmantelvertrag.
Position der Barmer
Initiativen zur Sicherstellung einer flächendeckenden hausärztlichen Versorgung sind grundsätzlich wichtig. Bislang wird aus dem Referentenentwurf jedoch nicht deutlich, wie Primärversorgungszentren dies leisten sollen. Ein guter Ansatz ist es jedoch, verstärkt auf den Einsatz nichtärztlicher Berufsgruppen in der medizinischen Versorgung zu setzen. Wichtig ist dafür, deren Kompetenzen im Sinne von Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auszubauen.
Ähnlich wie bei den geplanten Gesundheitskiosken ist darauf zu achten, dass mit Primärversorgungszentren keine Doppelstrukturen im Gesundheitswesen aufgebaut und keine öffentlichen Aufgaben aus Beitragsmitteln der GKV finanziert werden. Auch bei den Plänen für die Primärversorgungszentren fehlt die Ausrichtung auf ein sektorenübergreifendes, integriertes Gesamtkonzept für die Versorgung, besonders mit Blick auf die im Rahmen der Krankenhausreform geplanten Level I-i-Kliniken.
Mit dem GVSG wird der GKV-Spitzenverband verpflichtet, verbindliche Vorgaben für die einheitliche Erhebung und Veröffentlichung von Kennzahlen zur Leistungstransparenz und zur Servicequalität der einzelnen Krankenkassen festzulegen. Dabei geht es unter anderem um die Bearbeitungsdauer für Anträge der Versicherten auf Leistungen oder die Bewilligung oder Ablehnung von Anträgen. Ziel der Regelung ist die bundesweite Vergleichbarkeit der Kranken- und Pflegekassen. Der GKV-Spitzenverband soll die Informationen jährlich veröffentlichen.
Position der Barmer
Die Forderung nach Transparenz über die Leistungen und den Service der Krankenkassen ist richtig. Krankenkassen wie die Barmer haben bereits umfassende Transparenzberichte erarbeitet und veröffentlichen diese auf ihren Internetseiten. Auf Ebene des GKV-Spitzenverbands wurden zudem weitere Kriterien für die Weiterentwicklung der Transparenzberichte aller Kassen erarbeitet. Wichtig für die Berichte ist, dass die bereitgestellten Informationen nach einheitlichen Kriterien aufgebaut und somit aufschlussreich und verständlich für die Versicherten sind.