Gesetzgebung

Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)

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Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei - 
12.04.2024Referentenentwurf
21.03.2024Überarbeiteter Referentenentwurf (nicht ressortabgestimmt)
09.01.2024Vorstellung Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung
19.12.2023Überarbeiteter Referentenentwurf
15.06.2023Referentenentwurf

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung
  • Vorhaltepauschalen sowie Versorgungspauschalen für Arztpraxen, die Patienten mit chronischen Erkrankungen behandeln
  • Verpflichtender Bonus für Versicherte, die an der HzV teilnehmen 
  • GKV-Spitzenverband soll verpflichtende Vorgaben zur Transparenz über die Servicequalität machen, bspw. hinsichtlich der Bearbeitungsdauer von Anträgen der Kassen 
  • Einführung einer Bagatellgrenze bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung in Höhe von 300 Euro

So positioniert sich die Barmer

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat am 13.04.2024 einen neuen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) veröffentlicht. Bereits im Juni 2023, im Januar 2024 sowie im März 2024 waren Entwürfe des Gesetzes bekannt geworden. 
Im Vergleich zu den vorherigen Entwürfen wurden einige Regelungen gestrichen. So fallen die ursprünglich geplanten zusätzlichen Versorgungsangebote weg, die in den letzten Monaten kontrovers diskutiert wurden: Gesundheitskioske, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren. Gestrichen hat das BMG auch die Einrichtung eines Medizinstudienplätze-Förderfonds und das Verbot für Kassen, homöopathische Arzneimittel und Leistungen als Satzungsleistungen zu erstatten. 

Position der Barmer
Die Streichung der neuen Versorgungsangebote aus dem Gesetzentwurf ist folgerichtig. Denn diese hätten zu teuren und ineffizienten Doppelstrukturen geführt, deren Wirkung auf die Versorgung völlig unklar ist. Eine Finanzierung von Medizin-Studienplätzen durch Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung wäre systemwidrig, sie ist ganz klar Aufgabe der Länder. 

Das Bundesministerium für Gesundheit plant, die Budgetierung der hausärztlichen Leistungen aufzuheben. Als Vorbild dient der Mechanismus der bereits 2023 beschlossenen Entbudgetierung der ambulanten Kinder- und Jugendmedizin: Demnach würden die mengenbegrenzenden und honorarmindernden Maßnahmen für Hausärzte abgeschafft. Die Kassen müssten die im Budget fehlende Summe zusätzlich vergüten, ohne dass andere Arztgruppen dabei finanziell belastet würden.
Für die Sicherstellung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung bedarf es strukturverbessernder Maßnahmen. Eine höhere Vergütung allein ist nicht das geeignete Mittel, die Versorgung zu sichern.

Position der Barmer
Die Budgetierung ist aktuell das einzige Instrument zur wirksamen Mengenbegrenzung im vertragsärztlichen Versorgungsbereich. Durch die geplante Entbudgetierung muss mit einer deutlichen Mengenausweitung der Leistungen gerechnet werden. Dadurch entstünden nach Schätzung der Kassen erhebliche Mehrkosten im höheren dreistelligen Millionenbereich für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und damit für die Beitragszahlenden. Dies wird inzwischen bei den kinder- und jugendärztlichen Leistungen deutlich, die bereits entbudgetiert wurden.

Im Gesetzentwurf sind jährliche Versorgungspauschalen enthalten, die das BMG bereits im Rahmen eines „Maßnahmenkatalogs“ Anfang Januar angekündigt hatte. Diese können von Hausarztpraxen abgerechnet werden, die Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen behandeln. Die Jahrespauschale soll die bisherigen quartalsabhängigen Versichertenpauschalen ersetzen. Ziel ist es, dass in Zukunft Patientinnen und Patienten nur noch für medizinisch notwendige Behandlungen in die Praxen kommen und finanzielle Anreize zur Überbehandlung abgebaut werden.

Position der Barmer
Jährliche Versorgungspauschalen können unnötige Arztbesuche vermeiden. Arztpraxen haben jedoch bereits heute die Möglichkeit, etwa Folgerezepte bei einer Dauermedikation auszustellen, ohne dass sich Patientinnen und Patienten quartalsweise vorstellen müssen. Eine parallele Abrechnung von Versorgungspauschalen durch verschiedene Ärzte – etwa aufgrund von häufigen Arztwechseln – ist nur schwer nachprüfbar und muss unbedingt vermieden werden.

Zusätzlich sollen Hausarztpraxen sogenannte Vorhaltepauschalen abrechnen dürfen. Bedingung dafür sind Kriterien wie etwa Hausbesuche bei älteren Patientinnen und Patienten, die Betreuung eines Mindestpatientenstamms oder das Angebot besonderer Öffnungszeiten am Abend und an Samstagen.

Position der Barmer
Eine Vorhaltefinanzierung von Hausarztpraxen ist weder notwendig noch sachgerecht. In der Regel sind die Praxen bereits heute voll ausgelastet und deren Finanzierung ausreichend gesichert. Zudem birgt ein Nebeneinander von Entbudgetierung und Vorhaltepauschalen das Risiko von Fehlanreizen. Im Vordergrund der Diskussion müssen vielmehr Leistungsangebote stehen, die medizinisch sinnvoll sind und sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten ausrichten.

Künftig sollen Versicherte verpflichtend einen Bonus in Höhe von bis zu 30 Euro pro Jahr von den Kassen erhalten, wenn sie an einem Programm zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) teilnehmen. Damit wird ein Anreiz für die Versicherten zur Teilnahme an der HzV gesetzt. Im Gegenzug sollen die bisherigen HzV-Wahltarife der einzelnen Krankenkassen entfallen. Sofern sich innerhalb von drei Jahren durch die Versorgungsform der HzV kein Effizienzgewinn im Vergleich zur Regelversorgung erzielen lässt, müssen die Kassen die Boni für ihre Versicherten streichen. 

Position der Barmer
Die bisherige Regelung sieht vor, dass ein Bonus erst dann gezahlt werden muss, wenn Effizienzgewinne durch den HzV-Vertrag nachgewiesen sind, dies war bisher mehrheitlich nicht der Fall. Sie soll mit dem Gesetzentwurf umgekehrt werden, was dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit widerspricht. Dabei wird unterstellt, dass die HzV zu einer effizienteren Versorgung führt.

Mit dem GVSG wird der GKV-Spitzenverband verpflichtet, verbindliche Vorgaben für die einheitliche Erhebung und Veröffentlichung von Kennzahlen zur Leistungstransparenz und zur Servicequalität der einzelnen Krankenkassen festzulegen. Dabei geht es unter anderem um die Bearbeitungsdauer für Anträge der Versicherten auf Leistungen oder die Bewilligung oder Ablehnung von Anträgen. Ziel der Regelung ist die bundesweite Vergleichbarkeit der Kranken- und Pflegekassen. Der GKV-Spitzenverband soll die Informationen jährlich veröffentlichen.

Position der Barmer
Die Forderung nach Transparenz über die Leistungen und den Service der Krankenkassen ist richtig. Krankenkassen wie die Barmer haben bereits umfassende Transparenzberichte erarbeitet und veröffentlichen diese auf ihren Internetseiten. Auf Ebene des GKV-Spitzenverbands wurden zudem weitere Kriterien für die Weiterentwicklung der Transparenzberichte aller Kassen erarbeitet. Wichtig für die Berichte ist, dass die bereitgestellten Informationen nach einheitlichen Kriterien aufgebaut und somit aufschlussreich und verständlich für die Versicherten sind.

Die Wirtschaftlichkeit ärztlich verordneter Leistungen soll künftig erst ab einer Summe von 300 Euro pro Betriebsstätte, Kasse und Quartal geprüft werden. Das sieht eine Geringfügigkeits- beziehungsweise Bagatellgrenze vor. Unnötige Bürokratie soll in den Arztpraxen abgebaut werden, indem rund 70 Prozent der Prüfverfahren entfallen. 
Derzeit werden die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart. Etwaige Bagatellgrenzen verabreden die Selbstverwaltungspartner auf Landesebene in den jeweiligen Prüfvereinbarungen.

Position der Barmer
Eine generelle Bagatellgrenze für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nicht notwendig. Bereits jetzt können die Kassen entscheiden, ob und welche Fälle sie in die Prüfung geben. Der bürokratische Aufwand in den Arztpraxen beschränkt sich zudem in den meisten Fällen auf die Zurverfügungstellung einiger weniger Unterlagen. Durch die geplante Regelung würde der gesetzliche Auftrag der Krankenkassen eingeschränkt, Verstößen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot wirksam zu begegnen.