Gesetzgebung

Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG)

Lesedauer unter 5 Minuten

Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei - 
vsl. 02.02.20242. Durchgang Bundesrat
vsl. 14. oder 15.12.20232./3. Lesung Bundestag
vsl. 15.11.2023Anhörung im Gesundheitsausschuss
vsl. 09. oder 10.11.20231. Lesung Bundestag
vsl. 20.10.20231. Durchgang Bundesrat
30.08.2023Kabinettsbeschluss
14.08.2023Verbändeanhörung BMG
04.08.2023Referentenentwurf

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Kranken- und Pflegekassen können versichertenindividuelle Versichertendaten nutzen (z. B. Arzneimittelt­herapiesicherheit, Krebsfrüherkennung)
  • Einrichtung zentraler Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten beim BfArM
  • Verfügbarkeit von Daten im Forschungsdatenzentrum wird erhöht – Verknüpfung mit klinischen Krebsregistern
  • Einführung einer federführenden Datenschutzaufsicht in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung

So positioniert sich die Barmer

Im Rahmen seiner Sommerklausur hat das Bundeskabinett am 30.08.2023 den Gesetzentwurf für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) verabschiedet. Mit diesem soll die Nutzung der Gesundheitsdaten in Deutschland neu geregelt und deren Potential für eine qualitativ hochwertige Versorgung ausgeschöpft werden.

Für die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sieht der Entwurf grundlegende Veränderungen bei der Nutzung versichertenindividueller Daten für eine verbesserte Versorgung vor. So können die Kassen künftig die vorhandenen Daten dazu nutzen, um ihre Versicherten individuell anzusprechen. Sie erhalten zudem die Möglichkeit einer automatisierten Datenprüfung für eine bessere Arzneimitteltherapiesicherheit. Damit soll erreicht werden, dass Gesundheitsgefahren durch Polymedikation früher identifiziert werden. Auf Grundlage der Kassendaten sollen künftig auch individuelle Risiken für ein erhöhtes Krebsrisiko automatisiert erkannt werden, um Versicherte frühzeitig und gezielt über die Möglichkeiten der Früherkennung und den Anspruch auf Vorsorgeleistungen informieren zu können. Dies wird auf die Erkennung von schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken beschränkt.

Position der Barmer
Die Kranken- und Pflegekassen verfügen über eine hohe Expertise in der gesundheitlichen Versorgung sowie eine Vielzahl bislang nicht ausreichend genutzter Routinedaten. Es ist daher konsequent, ihnen die Nutzung der Daten zur Beratung ihrer Versicherten zu ermöglichen. Besonders die mit der Einnahme von Arzneimitteln verbundenen Risiken können dadurch reduziert werden. Auch mit den geplanten Regelungen zur Krebsfrüherkennung können die Krankenkassen individualisierte Vorsorgeangebote für ihre Versicherten bereitstellen.

Das mit dem Digital-Gesetz eingeführte Opt-Out-Verfahren für die elektronische Patientenakte wird auch im Gesundheitsdatennutzungsgesetz Anwendung finden. Versicherte sollen künftig entscheiden können, ob sie der Verwendung ihrer ePA-Daten für die Forschung widersprechen. Es soll dafür ein einfacher Weg zur Erklärung eines Widerspruchs eingeführt und in der ePA ein sogenanntes Datencockpit eingerichtet werden. Darin können Versicherte auch überprüfen, welche Daten bislang an das FDZ weitergeleitet wurden. Die Nutzung der Daten des FDZ muss künftig ausdrücklich dem Gemeinwohl dienen – eine Liste erlaubter Nutzungszwecke (z. B. Forschung, Versorgungsplanung, Qualitätssicherung) sowie eine Liste explizit verbotener Nutzungszwecke soll dafür entwickelt werden (z. B. Werbung, Marktforschung etc.).

Position der Barmer
Mit dem Gesetz soll die Bereitstellung von Daten für Forschungszwecke aus der ePA grundlegend verändert werden. Künftig sollen solche Daten automatisiert an das FDZ übertragen werden, wenn Versicherte dem nicht ausdrücklich widersprechen. Damit stünde eine wesentlich breitere und stark wachsende Datenbasis für die Versorgungsforschung zur Verfügung.

Für die Nutzung von Gesundheitsdaten soll am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine vom FDZ unabhängige Datenzugangs- und Koordinierungsstelle eingerichtet werden. Wissenschaftler sollen dort über Zugangsmöglichkeiten und Antragstellung mit Blick auf das jeweilige Forschungsziel beraten werden. Zu ihren Aufgaben soll auch zählen, die Bundesregierung beim Aufbau einer vernetzten Gesundheitsdateninfrastruktur auf Bundes- und EU-Ebene zu unterstützen und damit die Anbindung des deutschen Gesundheitswesens an den geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum vorzubereiten. Das Bundesgesundheitsministerium wird ermächtigt, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Nähere zur Organisation der Datenzugangs- und Koordinierungsstelle zu regeln. Vorgesehen ist auch die Verknüpfung und Verarbeitung von pseudonymisierten Daten des Forschungsdatenzentrums und der klinischen Krebsregister der Länder.

Position der Barmer
Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle kann zu mehr Transparenz über die bereits vorhandenen Datenquellen und zur Vereinfachung geplanter Forschungsvorhaben beitragen. Sehr sinnvoll ist die geplante Verknüpfung der Daten des FDZ mit den von der gesetzlichen Krankenversicherung seit 2014 finanziell geförderten klinischen Krebsregistern – damit besteht Hoffnung auf die Verbesserung der Qualität der onkologischen Versorgung. Dies ist zudem ein gut gewählter Einstieg in die vom Sachverständigenrat für Gesundheit im Digitalisierungsgutachten von 2021 geforderte Verbesserung der pseudonymisierten Zusammenführbarkeit von Gesundheitsdaten.

Grundlegende Veränderungen sieht das geplante Gesetz bei der Datenschutzaufsicht vor. Gestrichen wurde eine noch im Referentenentwurf vorgesehene Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, wonach der Bundesdatenschutzbeauftragte die ausschließliche Zuständigkeit für die Datenschutzaufsicht über alle Kranken- und Pflegekassen erhalten sollte. Stattdessen wird es in Zukunft eine federführende Datenschutzaufsicht bei länderübergreifenden Gesundheitsforschungsvorhaben mehrerer Beteiligter geben. Ausschlaggebend für die Auswahl der jeweiligen Länderaufsicht soll dabei der Sitz des umsatzstärksten Forschungspartners sein.

Position der Barmer
Die Regelungen für eine federführende Datenschutzaufsicht können ein einheitliches Handeln der zuständigen Datenschutzbehörden unterstützen. Deutlich effektiver wäre jedoch die ursprünglich geplante gemeinsame Datenschutzaufsicht für alle Krankenkassen. Die unterschiedliche Auslegung der Datenschutzregelungen durch Bundes- und Landesaufsichten sorgt bei Digitalangeboten für ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist geplant, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Abrechnungsdaten zügiger zur Verfügung stellen. Auf diese Weise sollen die Daten schneller dem bundesweiten Forschungsdatenzentrum zugehen und für die Versorgungsforschung genutzt werden können. Während die Kassen diese Daten bisher einmal jährlich an das Forschungsdatenzentrum senden, ist nun vorgesehen, dass die Kassen sie jeweils zehn Wochen nach Quartalsende weiterleiten.

Position der Barmer
Dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Abrechnungsdaten schneller als bisher zur Verfügung stellen sollen, ist sinnvoll. Die Erfahrungen aus der Pandemie und die damals oft unklare Versorgungssituation zeigen, dass schnellere Datenlieferungen die medizinische Versorgungsforschung entscheidend verbessern können. Auch die Kassen sollten diese Daten für die Versorgung ihrer Versicherten nutzen können.
Bei der Datenlieferung an das Forschungsdatenzentrum müssen eine angemessene Datenqualität erreicht und zusätzliche Bürokratie vermieden werden.