Aktuelle Gesetzgebung

Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz – DVPMG)

Lesedauer unter 6 Minuten

Abgeschlossen und in Kraft getreten

Termine Gesetzgebung

  
09.06.2021Inkrafttreten
28.05.20212. Durchgang Bundesrat
06.05.20212./3. Lesung Bundestag
14.04.2021Anhörung im Bundestag
25.03.20211. Lesung Bundestag
05.03.20211. Durchgang Bundesrat
20.01.2021Kabinettsbeschluss
16.11.2020Referentenentwurf

 

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Elektronische Gesundheitskarte (eGK) ab 2023 kein Speichermedium mehr, sondern nur Identifikationsnachweis; Ablösung aller kartenbasierten Anwendungen auf der elektronischen Gesundheitskarte, Integration weiterer Anwendungen in die elektronische Patientenakte (DiGA-Daten werden in ePA integriert;
  • Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen
  • Ausbau der Rolle der gematik: Herstellerzulassung (statt Produktzulassung) für TI-Komponenten, Finanzierung durch die Kassen in Höhe von 1,50 statt 1 Euro pro GKV-Mitglied ab 01.01.2022
  • Gesetzliche Anerkennung von Solidargemeinschaften als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall

So positioniert sich die Barmer

Das Gesetz setzt den gesetzlichen Krankenkassen weitere Fristen für die Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte. So soll der Zugriff der Versicherten auf das neu eingerichtete Nationale Gesundheitsportal über die ePA-App ab 01.01.2022 möglich werden. Eine App für die Erklärung zur Organ- und Gewebespende müssen die Kassen ab 01.07.2022 anbieten. Neben der elektronischen Gesundheitskarte können Versicherte ab dem 01.01.2023 eine sogenannte digitale Identität nutzen, um sich für digitale Anwendungen zu authentisieren. Die digitale Identität wird nicht mehr an eine Chipkarte gebunden sein.

Position der Barmer:
 

Der straffe Zeitplan für die Umsetzung ist nachvollziehbar, da das Gesundheitssystem für die digitalen Anforderungen der Zukunft vorbereitet sein muss. Die gesetzlichen Krankenkassen tragen weiterhin das Risiko für die kurzfristige Umsetzung der Spezifikationsänderungen der gematik. Eine Alternative zu festen Fristen für die Krankenkassen wären Zeitkorridore, die in Abhängigkeit von der tatsächlichen Fertigstellung der Spezifikation gesetzt werden.

Die gematik erhält den Auftrag, den Zugang zur Telematikinfrastruktur über einen sogenannten „Zukunftskonnektor“ sicherzustellen. Dies soll bis zum 01.01.2023 über Drittanbieter geregelt werden. Die gematik erhält deshalb die Möglichkeit, Hersteller – statt bisher definierte Produkte – nach festgelegten Kriterien zuzulassen.

Das Gesetz sieht die Festsetzung der Finanzierungsumlage der gesetzlichen Krankenkassen für die gematik auf 1,50 Euro pro Mitglied vor. Dies entspricht im Vergleich zum Status Quo einer Kostensteigerung von insgesamt circa 27 Millionen Euro auf dann 85 Millionen Euro pro Jahr. Begründet wird dies mit dem Inflationsausgleich sowie der Sicherstellung von ausreichenden Ressourcen für die Umsetzung der stark gewachsenen Aufgaben der gematik. Abweichend vom Gesetz hat das Bundesministerium für Gesundheit bereits Ende 2020 mit einer auf das Jahr 2021 zeitlich begrenzten eigenen Verordnung den gematik-Zuschlag auf 1,78 Euro pro Mitglied erhöht. 

Position der Barmer:
 

Über die zukünftige Rolle der gematik muss grundsätzlich entschieden werden. Der gematik werden nach und nach weitere Aufgaben übertragen: Sie wird gleichzeitig Koordinierungsstelle, Anbieter von Kundenanwendungen und Entwicklerin von Spezifikationen. Das Aufgabenprofil der gematik bleibt dabei unklar, eine Kontrollinstanz für die wachsende Einrichtung existiert nicht. Die Arbeit der gematik muss wieder auf eine die gesetzliche Krankenversicherung und die Selbstverwaltung unterstützende Funktion beschränkt werden. Zudem muss die Finanzierung der gematik auf den Prüfstand: Es kann nicht sein, dass eine mehrheitlich vom Bundesministerium für Gesundheit getragene Einrichtung ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Deshalb sollte eine Finanzierung gemäß der Verteilung der Gesellschafteranteile geprüft werden.

Im Gesetz wird das künftige Verfahren zur Preisgestaltung der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) konkretisiert. Laut Bundesministerium für Gesundheit ist die Festlegung gruppenbezogener Höchstbeträge durch die Vertragspartner ein wichtiges Instrument sowohl zur Kostenabschätzung für die gesetzliche Krankenversicherung als auch für die Investitionssicherheit der Hersteller von Digitalen Gesundheitsanwendungen. Die Festlegung von Höchstbeträgen ist für die Vertragspartner aber nicht verpflichtend. Das Gesetz erlaubt dem Bundesministerium für Gesundheit jedoch die Festlegung von Fristen, innerhalb derer sich die Partner auf Höchstbeträge für Digitale Gesundheitsanwendungen einigen. Andernfalls kann das Bundesministerium für Gesundheit eine Schiedsstellenentscheidung herbeiführen. DiGA-Hersteller können ihre Preise weiterhin ohne Evidenznachweis frei festlegen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung soll versorgungsrelevante Daten aus Digitalen Gesundheitsanwendungen (zum Beispiel Diabetes-Tagebücher, EKG als Medizinische Informationsobjekte (MIO)) definieren können. Darüber hinaus sind Regelungen zum Schutz der DiGA-Daten und zur Prüfung der Informationssicherheit geplant. Um die kombinierte Nutzung von Digitalen Gesundheitsanwendungen und elektronischer Patientenakte zu vereinfachen, wird die Übergabe von Daten aus Digitalen Gesundheitsanwendungen in die elektronische Patientenakte für die Versicherten ermöglicht.

Position der Barmer:

Die Preise der ersten zugelassenen Digitalen Gesundheitsanwendungen fallen hoch aus. Notwendig sind DiGA-Preise, die in einem fairen Verhältnis zum Versorgungsnutzen stehen und an den tatsächlichen Gebrauch der Anwendungen gekoppelt sind. Nicht nachvollziehbar sind die von Herstellern eigenständig festlegten Preise ohne Evidenznachweis. Da die Digitalen Gesundheitsanwendungen durch Beiträge der GKV-Mitglieder getragen werden, muss eine verpflichtende Höchstbetragsregelung ab dem ersten Tag der Zulassung eingeführt werden.
Die Initiative des Gesetzgebers, zusätzliche Instrumente zum Schutz der verarbeiteten Daten und zur Prüfung der Informationssicherheit zu schaffen, ist richtig. Sehr sinnvoll ist auch das Vorhaben einer kombinierten Nutzung von Digitalen Gesundheitsanwendungen und elektronischer Patientenakte.

Bereits mit dem Digitale-Versorgungs-Gesetz (2020) wurden Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Mit dem DVPMG werden die Anforderungen an die Hersteller bezüglich des Datenschutzes und der Datensicherheit ausgeweitet: So wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ab dem Jahr 2022 jährlich Prüfkriterien für DiGA zum Datenschutz festlegen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesdatenschutzbeauftragte aktualisieren diese Kriterien zukünftig regelmäßig. Die Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen gelten analog auch für die Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA), die mit dem DVPMG neu in der sozialen Pflegeversicherung verankert wurden. 
 

Position der Barmer:

Die zusätzlichen Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz für DiGA und DiPA sind wichtig. Richtig ist auch eine frühzeitige Abstimmung des BfArM mit dem BSI und dem Bundesdatenschutzbeauftragten

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) wird grundlegend verändert. Künftig wäre sie dann kein Datenträger mehr, sondern Identitätsnachweis des Versicherten. Auf der karte verbleiben lediglich die Versichertennummer, das Institutionskennzeichen der Kasse sowie Name und Geburtsdatum des Versicherten. Damit ist auch die Vorgabe verbunden, dass Krankenkassen ihren Versicherten ab 2023 eine sogenannte digitale Identität zur Verfügung stellen, die nicht an die elektronische Gesundheitskarte gebunden ist. Vorgesehen ist auch, dass die Notfalldaten in der elektronischen Patientenkurzakte abgelegt werden.

Position der Barmer:

Die Barmer hat sich seit langem für die nun gefundene Regelung eingesetzt. Damit wird die eGK tatsächlich zu dem, wozu sie eigentlich schon immer gedacht war, einem Schlüssel der Telematikinfrastruktur. So werden doppelte Datenhaltungen verhindert.

Beschlossen wurde auch die Neueinführung von Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA), die von der Sozialen Pflegeversicherung finanziert werden sollen. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird die Verantwortung für ein Verfahren zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit von Digitalen Pflegeanwendungen übertragen; es soll darüber hinaus ein DiPA-Verzeichnis als Webportal einrichten. Das Verfahren wird in Anlehnung an das DiGA-Verfahren zweigleisig aufgesetzt, um sowohl eine dauerhafte als auch eine vorläufige Aufnahme zur Erprobung von Digitalen Pflegeanwendungen zu ermöglichen.

Position der Barmer:

Die Abgrenzung zwischen Lifestyle-Produkten und pflegerischer Versorgung ist bei den Digitalen Pflegeanwendungen zwingend zu beachten. Es ist nicht Aufgabe der Pflegekassen, Anwendungen wie Smart-Home-Produkte zu finanzieren.