Gesetzgebung

Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz - ALBVVG)

Lesedauer unter 3 Minuten

Abgeschlossen und in Kraft getreten

Abgeschlossen und in Kraft getreten

- zustimmungsfrei - besonders eilbedürftig 
27.07.2023Inkrafttreten
07.07.20232. Durchgang Bundesrat
23.06.20232./3. Lesung Bundestag
12.06.2023Öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss
24.05.20231. Lesung Bundestag
12.05.20231. Durchgang Bundesrat
05.04.2023  Kabinettsbeschluss
18.03.2023Aktualisierter Referentenentwurf
14.02.2023Referentenentwurf
16.12.2022Eckpunkte

Wesentliche Inhalte der Verordnung

  • Einführung eines Frühwarnsystems, um drohende Lieferengpässe frühzeitig zu erkennen und zu verhindern
  • Vorgaben für Lagerverpflichtungen für rabattierte Arzneimittel
  • Erhöhung der Verfügbarkeit von versorgungskritischen Arzneimitteln durch gezielte finanzielle Impulse und Änderungen im Festbetragssystem
  • Anpassung der Preisgestaltung und Rabattvertragsverbot bei Kinderarzneimitteln und Schaffung von Anreizen, um die Wirkstoffproduktion (von Antibiotika) wieder nach Europa zu verlagern
  • Neuregelungen bei der Retaxierung
  • Klarstellung zur Zusatznutzenbewertung bei „therapeutischen Solisten“

So positioniert sich die Barmer

Am 23.06.2023 hat der Deutsche Bundestag das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beschlossen. In das Gesetz sind einige Änderungsanträge eingegangen, die zum Teil erhebliche Auswirkungen haben.

Um die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu erhöhen, sieht das Gesetz eine Reihe von Maßnahmen etwa im Bereich der Festbeträge, Rabattverträge und bei Kinderarzneimitteln vor. So sollen neben dem Verbot von Rabattverträgen bei Kinderarzneimitteln für diese künftig auch keine Festbeträge mehr angewendet werden. Gleichzeitig können Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel im Fall von Engpässen gelockert werden.
Mit dem Gesetz soll zudem die Arzneimittelproduktion in der Europäischen Union ausgebaut werden, außerdem ist eine Stärkung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgesehen. So soll das BfArM zusätzliche Informationsrechte beispielsweise gegenüber pharmazeutischen Herstellern erhalten.

Position der Barmer
Es ist gut, dass mit dem ALBVVG das drängende Thema der Liefersicherheit von Arzneimitteln angegangen wird, etwa durch neue Befugnisse für die Aufsichtsbehörden. Denn um Lieferengpässen und daraus resultierenden Versorgungsmängeln frühzeitig vorzubeugen, ist vor allem mehr Transparenz in der Arzneimittelversorgung notwendig. Eine national isolierte Erhöhung von Festbetragsgrenzen und Preisen erscheint jedoch nicht geeignet, um instabilen Lieferketten und deren vielfältige Ursachen im globalen Umfeld nachhaltig zu begegnen. Stattdessen ist mit erheblichen Kostensteigerungen für die Versichertengemeinschaft zu rechnen, ohne verbindliche Lieferzusagen oder Liefermengen der Pharmaindustrie für mehr Versorgungssicherheit.
Vor dem Hintergrund globaler Lieferunsicherheiten sollte vielmehr die Ansiedelung von Produktionsstätten innerhalb der EU mit wirtschafts- und industriepolitischen Instrumenten gefördert werden.

Zur Verbesserung der Versorgungssicherheit wird für rabattierte, patentfreie Arzneimittel eine sechsmonatige, versorgungsnahe Bevorratungspflicht eingeführt. Im Gesetzentwurf waren bislang lediglich drei Monate vorgesehen. Diese erweiterte Pflicht gilt nun für alle Arzneimittel und nicht mehr nur, wie ursprünglich geplant, für Antibiotika. Darüber hinaus werden die pharmazeutischen Großhändler verpflichtet, Kinderarzneimittel so ausreichend zu bevorraten, dass der durchschnittliche Bedarf für vier Wochen gedeckt werden kann. Ebenfalls verschärft werden die Bevorratungsverpflichtungen von herstellenden Apotheken für bestimmte patientenindividuell hergestellte Onkologika.

Position der Barmer 
Die vorgesehenen Bevorratungspflichten können prinzipiell dazu beitragen, die Versorgungssicherheit insbesondere bei temporären Mehrbedarfen zu erhöhen. Inwieweit die sechsmonatige Lagerhaltung für alle Rabattvertragsarzneimittel im Versorgungsalltag angemessen und praktikabel ist, muss kritisch im weiteren Verlauf der Umsetzung entschieden werden.

Ein weiterer Änderungsantrag regelt die Vorgaben zu Retaxierungen der Krankenkassen gegenüber Apotheken. Gemeint sind Fälle, in denen die Krankenkasse die Erstattung eines Arzneimittels verweigert. Künftig werden Fallgruppen vorgegeben, in denen eine Retaxierung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Demnach kann nicht mehr retaxiert werden, wenn etwa die Dosierangabe oder das Ausstellungsdatum auf einer Verordnung fehlt oder nicht lesbar ist. Im Falle der Nichterfüllung von Rabattverträgen sollen „Nullretaxierungen‘‘ nicht mehr möglich sein. Gibt die Apotheke ohne Grund kein Rabattarzneimittel ab, wird zwar die Apothekenvergütung gestrichen, der Einkaufspreis für das abgegebene Arzneimittel den Apotheken jedoch erstattet. Begleitend hierzu wird der GKV-Spitzenverband verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31.12.2024 einen Bericht zu den Auswirkungen  der neuen Retax-Regelungen sowie zu den erweiterten Austauschregeln vorzulegen.

Position der Barmer
Die neuen Regelungen zur Retaxierung können das erfolgreiche und  versorgungssichernde Instrument der Rabattverträge erheblich schwächen und sich negativ auf eine konsequente Umsetzung der Rabattverträge auswirken. Daher kommt der Evaluation des GKV-Spitzenverbands zu den Auswirkungen des Gesetzes eine große Bedeutung zu.