Gesetzgebung

Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz - ALBVVG)

Lesedauer unter 4 Minuten

Referentenentwurf liegt vor

Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei -

Am Tag nach der Verkündung

Inkrafttreten

vsl. 07.07.2023

2. Durchgang Bundesrat

vsl. 22. oder 23.06.2023

2./3. Lesung Bundestag

vsl. 14.06.2023

Öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss

vsl. 24.oder 25.05.2023

1. Durchgang Bundestag

vsl. 12.05.2023

1. Lesung Bundesrat

29.03.2023  

Kabinettsbeschluss

14.02.2023

Referentenentwurf

16.12.2022

Eckpunkte

Wesentliche Inhalte des Vorhabens

  • Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln für Kinder
  • Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten und verbindliche Vorratshaltung bei Rabattverträgen
  • Unterstützung von Marktsegmenten mit wenigen Anbietern bei Festbetrags-Arzneimitteln
  • Verfahren zur frühen Erkennung von Versorgungsengpässen

So positioniert sich die Barmer

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kann zukünftig nach Anhörung des Beirates zu Liefer- und Versorgungsengpässen die Empfehlung aussprechen, für ein versorgungskritisches Arzneimittel den Festbetrag anzuheben. Auf Grundlage der Empfehlung kann das Bundesministerium für Gesundheit  nach Anhörung des GKV-Spitzenverbandes für dieses Arzneimittel den Festbetrag um bis zu 50 Prozent anheben. Kinderarzneimittel sollen künftig nicht mehr in Festbetragsgruppen eingeordnet werden. Mit diesem finanziellen Anreiz will das Bundesministerium für Gesundheit eine bessere Versorgung mit Kinderarzneimitteln sicherstellen. Hersteller können ihren Abgabepreis für diese Arzneimittel einmalig um bis zu 50 Prozent über den zuletzt geltenden Festbetrag anheben. Das BfArM erstellt dazu nach Anhörung des Beirats eine aktuelle Liste von Arzneimitteln, die aufgrund der zugelassenen Darreichungsformen und Wirkstärken zur Behandlung von Kindern notwendig sind. Durch die Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und bei Kinderarzneimitteln entstehen der gesetzlichen Krankenversicherung laut Gesetzentwurf jährliche Mehrausgaben in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrages.

Position der Barmer
Es ist gut, dass mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf das drängende Thema der Liefersicherheit von Arzneimitteln angegangen wird. Eine national isolierte Erhöhung von Festbetragsgrenzen und Preisen erscheint jedoch nicht geeignet, um globale Probleme mit Lieferengpässen und deren vielfältige Ursachen nachhaltig zu lösen. Dies zeigt beispielsweise auch ein Blick auf Länder mit einem noch höheren Arzneimittelpreisniveau wie die USA, welche in gleicher Weise von Lieferengpässen betroffen sind.

In Rabattverträgen mit Arzneimitteln zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und mit Antibiotika muss künftig ein möglichst hoher Anteil der Wirkstoffproduktion in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft berücksichtigt werden. Hierdurch sollen Lieferengpässe vermieden und die Arzneimittelversorgung in diesem Bereich diversifiziert werden. Damit wird die Produktion von Wirkstoffen oder Medikamenten in Europa zu einem zusätzlichen Kriterium für Rabattvertragsausschreibungen der Krankenkassen. Zur Verbesserung der Versorgungssicherheit wird zudem für rabattierte Arzneimittel eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung vorgesehen. Ergänzend wird im Gesetzentwurf geregelt, dass Kinderarzneimittel künftig nicht mehr Gegenstand von Rabattverträgen der Krankenkassen sein dürfen.

Position der Barmer 
Das Ziel, die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln durch eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten zu erhöhen, ist richtig. Nötig ist dazu auch ein Auf- und Ausbau von Produktionsanlagen in der EU. Es erscheint jedoch fraglich, ob diese Ziele mit den im Gesetzentwurf vorgesehenen Vergabevorschriften für Rabattverträge und dem vorgesehenen Rabattvertragsverboten erreicht werden können. Denn ein Zusammenhang zwischen globalen Lieferengpässen und nationalen Instrumenten zur Preissteuerung in der GKV, wie Festbeträgen und Rabattverträgen, besteht nicht. Vielmehr muss die Ansiedelung von Produktionsstätten innerhalb der EU mit wirtschafts- und industriepolitischen Instrumenten stärker gefördert werden.

Um drohende Lieferengpässe versorgungsrelevanter Arzneimittel frühzeitig erkennen zu können, soll das BfArM ein Frühwarnsystem etablieren, wie es im Gesetzentwurf heißt. Aufgabe des Beirats wird es sein, dafür Kriterien festzulegen – wie etwa die Vielfalt der Produktionsstätten der benötigten Wirkstoffe. Zudem sollen dem BfArM neue Aufgaben übertragen werden, wie die erweiterte Datenhaltung zur Beobachtung und Bewertung von Lieferengpässen. Zur Sicherung der Arzneimittelversorgung in Krankenhäusern bei vorübergehenden Lieferengpässen oder Mehrbedarfen werden erhöhte Bevorratungsverpflichtungen für krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken eingeführt. Dies gilt für Arzneimittel zur parenteralen Anwendung in der intensivmedizinischen Versorgung sowie für Antibiotika. Bei diesen Arzneimitteln sei die uneingeschränkte Verfügbarkeit für die Patientinnen und Patienten existenziell, weil es sich dabei um die Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen ohne Therapiealternativen handeln kann, so der Gesetzentwurf. Gleichzeitig werden die Krankenkassen und die Arzneimittelhersteller verpflichtet, eine kontinuierliche, versorgungsnahe Bevorratung von Rabattvertrags-Arzneimitteln zu vereinbaren. Dadurch sollen kurzfristige Liefer- und Versorgungsengpässe oder Mehrbedarfe mit einem rabattierten Arzneimittel vermieden und die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten mit rabattierten Arzneimitteln sichergestellt werden. Weiterhin soll die Entwicklung von Reserveantibiotika gefördert werden. Da diese aufgrund der notwendigen strengen Indikationsstellung nur geringe Absatzzahlen und damit keine ausreichenden Umsätze erzielen könnten, sollen die Hersteller die Preise auch über den sechsten Monat nach Markteinführung hinaus frei gestalten dürfen. Reserveantibiotika werden zur Therapie bei Erregern eingesetzt, die gegen übliche Antibiotika resistent sind.

Position der Barmer
Um Lieferengpässe zu vermeiden, ist vor allem mehr Transparenz über die Arzneimittelversorgung notwendig. Wenn Lieferengpässe frühzeitig erkannt werden, können schneller Maßnahmen gegen Versorgungsengpässe ergriffen werden. Es ist daher sinnvoll, dass dem BfArM zusätzliche Befugnisse zur Marktbeobachtung bei drohenden Lieferengpässen gegeben werden. Die vorgesehenen erweiterten Bevorratungspflichten im Rahmen von Rabattverträgen und für Krankenhäuser tragen dazu bei, die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu erhöhen. Die Entwicklung neuer Antibiotika ist ein multinationaler und globalisierter Prozess. Eine Regelung zur nationalen Preisfestsetzung von Reserveantibiotika wird daher nicht zur Entwicklung neuer Antibiotika beitragen. Alternativ erscheint die direkte Finanzierung etwa von universitären Forschungsvorhaben zur Förderung der Entwicklung von neuen Antibiotika geeignet.