Wie wird die Verordnung von Arzneimitteln auf Wirtschaftlichkeit geprüft?

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Zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und korrekten Anwendung wird die Arzneimittelverordnung selektiv geprüft. Hier finden Sie Informationen zu den relevanten Prüfthemen.

Prüfthemen der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen zu kontrollieren (§ 106 SGB V und § 12 SGB V). Ein Bestandteil dieser Überprüfung sind die sogenannten Einzelfallprüfungen für ärztlich verordnete Leistungen (§106 b SGB V), die auf Antrag der Krankenkassen, ihrer Verbände oder der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) durch die Prüfungsstellen erfolgen. Die genauen Inhalte und Abläufe sind in den Prüfvereinbarungen zwischen den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und den Krankenkassen festgelegt. 

Prüfvereinbarung der einzelnen Bundesländer

Weitere Informationen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung finden Sie auf der Website der Prüfungsstellen der jeweiligen Länder. Bitte beachten Sie, dass die Informationen auf dieser Seite unverbindliche Angaben sind und lediglich zur Unterstützung dienen.

Verordnung nach Todesfall

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Laufend"

Das Prüfthema war bereits vor Einführung der Vorabinformation zu Prüfthemen ein regelmäßig geprüftes Thema und wird seitdem fortgeführt. 
Die Barmer prüft regelmäßig Arzneimittel-Verordnungen, welche nach Tod des/der Versicherten ausgestellt werden.
Im Rahmen dieser Prüfungen wird überprüft, ob bei verstorbenen Versicherten nach dem Todeszeitpunkt Arzneimittel verordnet worden sind. Gemäß § 190 Abs. 1, § 191 Nr. 1 und § 189 Abs. 2 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) endet mit dem Tod die Mitgliedschaft der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Aus diesem Grund besteht gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts kein Leistungsanspruch der Versicherten mehr. Vertragsärzte sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB V zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet und haben im Rahmen ihrer Berufsausübung sicherzustellen, dass Leistungen nur erbracht werden, wenn sie notwendig und wirtschaftlich sind. Dies impliziert die Prüfung der Anspruchsberechtigung des Patienten zum Zeitpunkt der Leistungserbringung. Eine Arzneimittel-Verordnung für einen verstorbenen Versicherten stellt somit eine unzulässige Verordnung dar und kann aufgrund des erloschenen Leistungsanspruchs und des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden.

Off-Label-Verordnungen von GLP-1-Agonisten

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Q1 2022"

 
Die Überprüfung erfolgt für Verordnungszeiträume ab dem ersten Quartal 2022.
Die Barmer führt regelmäßig Prüfungen durch, um festzustellen, ob GLP-1-Agonisten im Off-Label (z. B. bei Adipositas, DM1) verordnet werden.

Im Rahmen unserer kontinuierlichen Prüfungen der vertragsärztlichen Versorgung legen wir besonderes Augenmerk auf die Verordnung von GLP-1-Rezeptoragonisten. Diese Wirkstoffgruppe umfasst Substanzen wie beispielsweise Semaglutid, Liraglutid, Dulaglutid und Tirzepatid und findet ihre primäre Anwendung in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 sowie des Gestationsdiabetes.

Um die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verordnung dieser Arzneimittel sicherzustellen, überprüfen wir, ob bei Versicherten, denen GLP-1-Rezeptoragonisten verordnet wurden, eine entsprechende gesicherte Diagnose von Diabetes mellitus Typ 2 (ICD-10-GM: E11) oder Gestationsdiabetes (ICD-10-GM: O24.4) vorliegt.

Verdacht auf Zulassungsüberschreitenden Gebrauch (Off-Label-Use)

Sollte im Rahmen unserer Prüfungen festgestellt werden, dass eine Verordnung von GLP-1-Rezeptoragonisten ohne das Vorliegen einer der genannten Indikationen erfolgt ist und somit ein zulassungsüberschreitender Einsatz (sogenannter Off-Label-Use) zu vermuten ist, behalten wir uns die Einleitung von Einzelfallprüfanträgen gemäß den geltenden Bestimmungen vor.

Hinweis zu Lieferengpässen und der Empfehlung des BfArM

Wir möchten in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Situation von Lieferengpässen bei bestimmten GLP-1-Rezeptoragonisten hinweisen, die primär für die Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 indiziert sind. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in diesem Kontext Leistungserbringer dazu aufgerufen, die Verordnung dieser Arzneimittel prioritär auf Patientinnen und Patienten mit der zugelassenen Indikation zu konzentrieren, um die Versorgung dieser vulnerablen Gruppe sicherzustellen. Eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen kann die ohnehin angespannte Versorgungslage weiter verschärfen.

Grundsätze zur Zulässigkeit des Off-Label-Use

Ein zulassungsüberschreitender Gebrauch (Off-Label-Use) von Arzneimitteln ist in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich an strenge Voraussetzungen geknüpft. Er kann in Ausnahmefällen dann in Betracht gezogen werden, wenn:

  • es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, für die keine andere Standardtherapie zur Verfügung steht oder diese als nicht erfolgreich oder kontraindiziert anzusehen ist,
  • eine hinreichende wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendung außerhalb der Zulassung vorliegt und
  • die Entscheidung im Einzelfall nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt getroffen wird und entsprechend dokumentiert ist.

Die Einleitung eines Einzelfallprüfantrags bei der Verordnung von GLP-1-Rezeptoragonisten ohne Vorliegen einer der genannten Indikationen dient unter anderem der Klärung, ob die Voraussetzungen für einen zulässigen Off-Label-Use im konkreten Fall erfüllt sind. Leistungserbringer werden im Rahmen solcher Prüfungen gebeten, die medizinische Notwendigkeit und die wissenschaftliche Begründung für die Verordnung umfassend darzulegen.
Wir bitten um Beachtung dieser Hinweise im Sinne einer wirtschaftlichen und patientenorientierten Versorgung.

Off-Label-Verordnungen von kurzwirksamen Fentanyl

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Laufend"

Die Überprüfung erfolgt für Verordnungszeiträume ab 2023.
Die Barmer führt regelmäßig Prüfungen durch, um festzustellen, ob kurzwirksame Fentanyle im Off-Label verordnet werden.

Im Rahmen unserer kontinuierlichen Prüfungen der vertragsärztlichen Versorgung legen wir besonderes Augenmerk auf die Verordnung von kurzwirksamen Fentanylen. Diese stark wirksamen Opioide sind primär indiziert zur Behandlung von akuten, starken und stärksten Schmerzen, insbesondere im Rahmen von Tumorerkrankungen und damit verbundenen Tumorschmerzen.

Um die ordnungsgemäße und verantwortungsvolle Verordnung dieser Arzneimittel sicherzustellen, überprüfen wir, ob bei Versicherten, denen kurzwirksame Fentanyle verordnet wurden, eine entsprechende gesicherte Diagnose einer Tumorerkrankung (ICD-10-GM: C-D48) in Verbindung mit Tumorschmerzen (ICD-10-GM: R52.1) vorliegt. Die Verordnung sollte in der Regel im Rahmen eines umfassenden Schmerzmanagements und unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien erfolgen.

Verdacht auf Zulassungsüberschreitenden Gebrauch (Off-Label-Use)

Sollte im Rahmen unserer Prüfungen festgestellt werden, dass eine Verordnung von kurzwirksamen Fentanylen ohne das Vorliegen einer entsprechenden Tumorerkrankung mit Tumorschmerzen erfolgt ist und somit ein zulassungsüberschreitender Einsatz (sogenannter Off-Label-Use) zu vermuten ist, behalten wir uns die Einleitung von Einzelfallprüfanträgen gemäß den geltenden Bestimmungen vor.

Grundsätze zur Zulässigkeit des Off-Label-Use

Ein zulassungsüberschreitender Gebrauch (Off-Label-Use) von Arzneimitteln ist in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich an strenge Voraussetzungen geknüpft. Er kann in Ausnahmefällen dann in Betracht gezogen werden, wenn:

  • es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, für die keine andere Standardtherapie zur Verfügung steht oder diese als nicht erfolgreich oder kontraindiziert anzusehen ist
  • eine hinreichende wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendung außerhalb der Zulassung vorliegt. Dies kann sich beispielsweise aus publizierten Studien (insbesondere randomisierten kontrollierten Studien), systematischen Übersichtsarbeiten oder Metaanalysen ergeben.
  • die Entscheidung im Einzelfall nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt getroffen wird und entsprechend qualifiziert und nachvollziehbar in der Patientenakte dokumentiert ist. Die Dokumentation sollte insbesondere die Gründe für die Wahl des Off-Label-Use, die erwarteten Vorteile und potenziellen Risiken sowie den Therapieverlauf umfassen.
  • der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter über den Off-Label-Use, die fehlende Zulassung für die betreffende Indikation, die vorhandene Evidenzlage und mögliche alternative Therapieoptionen umfassend aufgeklärt wurde und seine informierte Einwilligung hierzu erteilt hat.

Die Einleitung eines Einzelfallprüfantrags bei der Verordnung von kurzwirksamen Fentanylen ohne Vorliegen einer entsprechenden Tumorerkrankung mit Tumorschmerzen dient unter anderem der Klärung, ob die Voraussetzungen für einen zulässigen Off-Label-Use im konkreten Fall erfüllt sind. Leistungserbringer werden im Rahmen solcher Prüfungen gebeten, die medizinische Notwendigkeit, die wissenschaftliche Begründung und die erfolgte Aufklärung des Patienten für die Verordnung umfassend darzulegen und durch entsprechende Dokumentation zu belegen.

Wir bitten um Beachtung dieser Hinweise im Sinne einer verantwortungsvollen und patientenorientierten Versorgung mit stark wirksamen Opioiden. Die Einhaltung der Indikationsstellung und die sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen für einen möglichen Off-Label-Use tragen maßgeblich zur Sicherheit der Patienten und zur Wirtschaftlichkeit der Versorgung bei.

Verordnung von Alt-Originatoren bei Verfügbarkeit von Generika-Alternativen

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Laufend"

Das Prüfthema war bereits vor Einführung der Vorabinformation zu Prüfthemen ein regelmäßig geprüftes Thema und wird seitdem fortgeführt. 

Die BARMER führt regelmäßig Überprüfungen zur Wirtschaftlichkeit von Verordnungen für Originator Präparaten durch. Ziel dieser Prüfungen ist es, festzustellen, ob die Verwendung kostengünstiger und qualitativ gleichwertiger Generika möglich gewesen wäre.

Diese Überprüfungen erfolgen unabhängig von der allgemeinen Überprüfung der wirtschaftlichen Anwendung des Substitutionsausschlusses (Aut idem).

Aktuell geprüft werden insbesondere Verordnungen von:

  • Revlimid® (Wirkstoff Lenalidomid)
  • Afinitor® (Wirkstoff Everolimus)
  • Zytiga® (Wirkstoff Abirateron)

Für Verordnungszeiträume ab Q3/2024 werden weiterhin auch Verordnungen von Imnovid® (Pomalidomid) geprüft.

Die Aut-idem-Regelung zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln ist ein zentraler Baustein zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung.

Nach Ablauf des Patentschutzes eines Wirkstoffs (z. B. für Lenalidomid (Markenname: Revlimid®) seit März 2022) werden i. d. R. verschiedene generische Produkt in den Markt eingeführt, die medizinisch/therapeutisch gleichwertig (teilweise auch baugleich, d. h. mit denselben Wirkstoff und Hilfsstoffen) und zudem deutlich kostengünstiger sind als das Originalpräparat. Rabattverträge können die Wirtschaftlichkeit der Generika zusätzlich fördern.

Nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gelten Originalpräparate und die entsprechenden Generika als äquivalente Therapieoptionen. Ihre Austauschbarkeit sowie die Bioäquivalenz werden durch das Zulassungsverfahren sichergestellt.

Wenn der Austausch gegen ein kostengünstiges Generikum bei der Verordnung nicht durch das Auskreuzen des Aut-idem-Feldes ausgeschlossen ist, erfolgt in Apotheken – auch ohne bestehende Rabattverträge – der Austausch gegen eines der vier günstigsten Präparate, um eine wirtschaftliche Auswahl zu gewährleisten.

Ein Substitutionsausschluss („Aut idem-Kreuz“) sollte sehr gewissenhaft und nur im begründeten medizinischen Einzelfall angewendet werden. Eine „inflationärer“ Verwendung des Substitutionsausschlusses resultiert in einer erheblichen Mehrbelastung der Solidargemeinschaft. In Fällen, in denen ein solcher Austausch bei der Verordnung ausgeschlossen wurde und günstigere Alternativen vorhanden sind, kann eine Einzelfallprüfung in Erwägung gezogen werden.

Die Überprüfung der wirtschaftlichen Verordnungsweise für einzelne Originator- Präparate erfolgt separat und unterscheidet sich von der bereits regelmäßig durchgeführten allgemeinen Prüfung zur wirtschaftlichen Anwendung des Aut-idem-Ausschlusses.

Unwirtschaftliche Verordnung von Kombipräparaten

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Q1 2023"

Die Überprüfung erfolgt für Verordnungszeiträume ab dem ersten Quartal 2023.

Die Barmer führt regelmäßig Prüfungen durch, um festzustellen, ob kostenintensive Kombipräparate anstelle von kostengünstigeren, ggf. auch rabattierten Monopräparaten verordnet worden sind.
Die Verschreibung von Monopräparaten kann in der Regel als die kostengünstigere Option betrachtet werden, vorausgesetzt, es bestehen Rabattverträge für diese Monopräparate, während solche Verträge für die Kombinationspräparate nicht vorhanden sind.

Überprüfte Kombinationen von Wirkstoffen

WirkstoffkombinationBeispielpräparat

Abirateron und Prednisolon

Macitentan und Tadalafil 

Abirasolon®

Yuvanci®

Im Rahmen unserer kontinuierlichen Prüfungen der vertragsärztlichen Versorgung legen wir besonderes Augenmerk auf die Verordnung von Kombinationsarzneimitteln. Diese umfassen Produkte, die mehrere aktive pharmazeutische Wirkstoffe entweder in separaten Darreichungsformen innerhalb einer gemeinsamen Verpackung oder als fixe Kombination in einer einzigen Darreichungsform (sogenannte Single Pill) anbieten.

Die Barmer erachtet die einzelnen Monopräparate, die die in den genannten Kombinationen enthaltenen Wirkstoffe jeweils einzeln anbieten, grundsätzlich als therapeutisch gleichwertige, jedoch in vielen Fällen als wirtschaftlich signifikant günstigere Alternativen zu den verfügbaren Kombinationspräparaten.

Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Verordnung von Kombinationsarzneimitteln

Werden Kombinationsarzneimittel verschrieben, bei denen die separate Verordnung der einzelnen Wirkstoffe als Monopräparate wirtschaftlicher gewesen wäre, behalten wir uns die Einleitung von Einzelfallprüfungen gemäß den geltenden Bestimmungen vor. Eine solche Situation kann insbesondere dann gegeben sein, wenn für die einzelnen Wirkstoffe als Monopräparate Rabattverträge gemäß § 130a SGB V bestehen, während das verordnete Kombinationsarzneimittel nicht unter einen solchen Vertrag fällt.

Einsparpotenziale bei der Substitution von Kombinations- durch Monopräparate ergeben sich häufig, wenn die einzelnen enthaltenen Wirkstoffe bereits als wirkstoffgleiche Generika im Markt verfügbar sind und somit deutlich preisgünstiger bezogen werden können, während das Kombinationsarzneimittel möglicherweise noch Patentschutz genießt und daher einem höheren Preis unterliegt.

Vorrangigkeit von Monopräparaten gemäß Arzneimittelrichtlinie (AM-RL)

Die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) enthält ebenfalls Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnung. Gemäß § 9 der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) sind bei der Auswahl von Arzneimitteln unter anderem die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen. Dies impliziert, dass bei gleicher therapeutischer Eignung in der Regel das wirtschaftlichere Arzneimittel zu wählen ist.

§ 16 Abs. 2 Punkt 5 der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) konkretisiert dies für die Verordnung von Kombinationen und besagt, dass die Verordnung von Kombinationspräparaten nur dann zulässig ist, wenn ein therapeutischer Vorteil gegenüber der Einzelverordnung der Wirkstoffe besteht oder wenn die Einzelverordnung unwirtschaftlicher wäre. Ein therapeutischer Vorteil kann beispielsweise in einer verbesserten Compliance des Patienten durch die vereinfachte Einnahme liegen, muss aber medizinisch begründet sein.

Informationen zur Verordnung von Kombinationsarzneimitteln und möglichen Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Im Rahmen unserer kontinuierlichen Prüfungen der vertragsärztlichen Versorgung legen wir besonderes Augenmerk auf die Verordnung von Kombinationsarzneimitteln. Diese umfassen Produkte, die mehrere aktive pharmazeutische Wirkstoffe entweder in separaten Darreichungsformen innerhalb einer gemeinsamen Verpackung oder als fixe Kombination in einer einzigen Darreichungsform (sogenannte Single Pill) anbieten.

Die Barmer erachtet die einzelnen Monopräparate, die die in den genannten Kombinationen enthaltenen Wirkstoffe jeweils einzeln anbieten, grundsätzlich als therapeutisch gleichwertige, jedoch in vielen Fällen als wirtschaftlich signifikant günstigere Alternativen zu den verfügbaren Kombinationspräparaten.

Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Verordnung von Kombinationsarzneimitteln

Werden Kombinationsarzneimittel verschrieben, bei denen die separate Verordnung der einzelnen Wirkstoffe als Monopräparate wirtschaftlicher gewesen wäre, behalten wir uns die Einleitung von Einzelfallprüfungen gemäß den geltenden Bestimmungen vor. Eine solche Situation kann insbesondere dann gegeben sein, wenn für die einzelnen Wirkstoffe als Monopräparate Rabattverträge gemäß § 130a SGB V bestehen, während das verordnete Kombinationsarzneimittel nicht unter einen solchen Vertrag fällt.

Beispielhafte Kostenbetrachtung: ABIRASOLON - mCRPC vs. Einzelpräparate

Ein deutliches Beispiel für die potenziellen Einsparungen durch die Verordnung von Monopräparaten anstelle von Kombinationen zeigt sich am Präparat ABIRASOLON - mCRPC 500 mg Filmtabletten + 5 mg Tabletten (56 + 56 Stück). Der Apothekenverkaufspreis (AVP) für dieses Kombinationspräparat beträgt 998,99 Euro (Stand 01/2023).
Demgegenüber steht die Verordnung der generisch verfügbaren Monopräparate ABIRATERON beta 500 mg Filmtabletten (56 Stück) und PREDNISOLON 5 mg GALEN Tabletten (100 Stück). Die addierten Kosten (auf Ebene AVP) dieser Monopräparate belaufen sich auf lediglich 594,09 Euro.

Im Rahmen unserer Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Kombinationsarzneimitteln wird daher insbesondere geprüft, ob ein solcher therapeutischer Vorteil gegenüber der Verordnung der einzelnen Wirkstoffe als Monopräparate im konkreten Fall nachvollziehbar dokumentiert ist oder ob die Einzelverordnung aus anderen Gründen unwirtschaftlicher gewesen wäre. Fehlt eine entsprechende Begründung für die Verordnung des Kombinationspräparates und wären die Monopräparate wirtschaftlicher gewesen, kann dies Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein.

Wir bitten um Beachtung dieser Hinweise im Sinne einer wirtschaftlichen und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung. Die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit bei der Arzneimittelwahl trägt dazu bei, die Solidargemeinschaft der Beitragszahlenden zu entlasten, ohne die notwendige Patientenversorgung zu beeinträchtigen.

Unwirtschaftliche Packungsgröße

Geprüft ab Verordnungszeitraum "Q1 2023"

Die Überprüfung erfolgt für Verordnungszeiträume ab dem ersten Quartal 2023.

Angesichts der preislichen Unterschiede, die von der Packungsgröße abhängen, führen wir Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch, um die Verordnung von Arzneimitteln auf potenziell unwirtschaftliche Packungsgrößen zu überprüfen. Ziel dieser Prüfungen ist es, sicherzustellen, dass die gewählten Packungsgrößen sowohl kosteneffizient als auch im besten Interesse der Patienten sind.

Überprüfte Wirkstoffe

Abirateron

Im Rahmen unserer umfassenden Wirtschaftlichkeitsprüfungen analysieren wir kontinuierlich die Verordnung von Arzneimitteln hinsichtlich potenziell unwirtschaftlicher Packungsgrößen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Versorgung unserer Versicherten nicht nur dem individuellen Therapiebedarf entspricht, sondern auch unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte erfolgt.

Ein prägnantes Beispiel für die Relevanz dieser Prüfungen ist der Wirkstoff Abirateron (Anwendungsgebiete gemäß Fachinformation, Stand September 2022: neu diagnostiziertes Hochrisiko-metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC), metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC) mit asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf nach Versagen der ADT ohne klinische Indikation zur Chemotherapie, mCRPC nach Progression während oder nach Docetaxel-haltiger Chemotherapie).

Entwicklung der Packungsgrößen und deren Auswirkungen auf die Austauschbarkeit

Ursprünglich war für Abirateron lediglich die Normgröße N2 mit 120 Stück pro abgeteilter Darreichungsform (Filmtabletten à 500 mg) in der Packungsgrößenverordnung festgelegt. Mit dem Markteintritt von Generika ab September 2022 hat sich die Vielfalt der verfügbaren Packungsgrößen jedoch erheblich erweitert. Aktuell (Stand Februar 2024) sind für die Hauptwirkstärke 500 mg Filmtabletten Packungsgrößen von 28, 56, 60, 70, 90, 98, 112 und 120 Stück im Handel.

Diese Zunahme an Packungsgrößen hat wesentliche Auswirkungen auf die Austauschbarkeit von Arzneimitteln in der Apotheke gemäß § 129 SGB V und dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Die Austauschbarkeit basiert unter anderem auf der Übereinstimmung der Packungsgröße, wobei für Packungsgrößen außerhalb der Normbereiche (N1, N2, N3) eine stückzahlgenaue Übereinstimmung erforderlich ist. Da für Abirateron lediglich die N2-Größe (120 Stück) definiert ist, bilden die meisten der genannten Packungsgrößen (mit Ausnahme von 112 und 120 Stück) jeweils eigene, stückzahlgenaue Austauschbarkeitsgruppen.

Signifikante Preisunterschiede zwischen Packungsgrößen

Vor dem Eintritt des generischen Wettbewerbs etablierte sich die Packungsgröße von 56 Stück als gängige Wahl. Durch intensiven Wettbewerb konnten hier vergleichsweise niedrige Jahrestherapiekosten erzielt werden. Unsere Analysen (Stand Februar 2024) zeigen jedoch, dass andere, nach dem Markteintritt der Generika verfügbare Packungsgrößen von Abirateron zum Teil deutlich höhere Tages- und somit auch Jahrestherapiekosten aufweisen.

So betrugen beispielsweise die durchschnittlichen Jahrestherapiekosten (basierend auf den drei günstigsten Angeboten der jeweiligen Packungsgröße) für die Packungsgröße mit 56 Stück im Februar 2024  1.648 Euro, während die Jahrestherapiekosten für die Packungsgröße mit 60 Stück im gleichen Zeitraum 13.402 Euro und für die Packungsgröße mit 112 Stück 10.414 Euro erreichten. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Tages- und Jahrestherapiekosten je nach gewählter Packungsgröße um ein Vielfaches differieren können. Die Jahrestherapiekosten der 60er-Packung waren somit um 713% höher und die 112er- Packung um 532% als die der 56er-Packung.

Wirtschaftliche Verordnungsweise im Fokus

Angesichts dieser erheblichen packungsgrößenbezogenen Preisunterschiede ist es von entscheidender Bedeutung, bei der Verordnung von Abirateron auf eine wirtschaftliche Packungsgrößenauswahl zu achten. Unsere Wirtschaftlichkeitsprüfungen zielen darauf ab, Verordnungsmuster zu identifizieren, die unnötig hohe Kosten verursachen. Für die Verordnung unwirtschaftlicher Packungsgrößen besteht in der Regel keine medizinische oder ökonomische Rationale.

Wir bitten Sie daher, die Informationen zu den Jahrestherapiekosten der verschiedenen Abirateron-Packungsgrößen sowie die bestehenden Barmer-Rabattverträge, die wir Ihnen auch in der Anlage unseres Arko-Schreibens vom Februar 2024 detailliert zur Verfügung gestellt haben, bei Ihren zukünftigen Verordnungen zu berücksichtigen. Eine wirtschaftliche Verordnungsweise trägt maßgeblich zur Sicherstellung einer nachhaltigen und bezahlbaren Gesundheitsversorgung für unsere Versicherten bei.

Für weitere Informationen oder bei Fragen zu den genannten Prüfthemen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis für die Notwendigkeit dieser Prüfungen zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen Arzneimittelverordnung.

Rechtlicher Hinweis

Als gesetzliche Krankenkasse ist die Barmer dazu verpflichtet, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen, um sicherzustellen, dass Leistungen nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot erbracht werden. Dies dient dem verantwortungsvollen und zweckmäßigen Einsatz der Versichertenbeiträge. Unsere Prüfpflicht gemäß §§ 12, 106 SGB V i.V.m. der jeweils gültigen regionalen Prüfvereinbarung bleibt unberührt. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung behält sich die Krankenkasse vor, Abrechnungen und Leistungsansprüche jederzeit einer Prüfung zu unterziehen. Eine Ankündigung einer solchen Prüfung ist nicht zwingend erforderlich. Im Rahmen eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens ist es uns wichtig zu betonen, dass diese Prüfungen nicht Ausdruck eines allgemeinen Vertrauensdefizits sind, sondern vielmehr der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht der Krankenkassen zur wirtschaftlichen und gesetzeskonformen Verwendung der Versichertenbeiträge dienen.

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