Eine junge Frau in einer Küche hat schlechte Laune
Ernährung

Hangry – warum macht uns Hunger oft so wütend?

Lesedauer unter 4 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Martin Waitz (Arzt, medproduction GmbH)

Manche Menschen bleiben völlig gelassen, selbst wenn sie über längere Zeit nichts essen – andere werden immer gereizter. Woran liegt das und was kann man tun, wenn man „hangry“ wird?

Wann ist der schlechteste Zeitpunkt, um nach einer Gehaltserhöhung zu fragen oder jemanden zu kritisieren? Kurz vor dem Mittagessen. Besonders, wenn das Gegenüber oder man selbst dazu neigt, „hangry“ zu werden. „Hangry“ ist eine Wortneuschöpfung aus den englischen Wörtern hungry (hungrig) und angry (wütend) und meint schlicht: Je größer der Hunger, desto schlechter die Laune.

Auch die Wissenschaft hat sich dem Thema angenommen und erste Belege dafür gefunden, dass dieses Phänomen tatsächlich existiert. Für eine aktuelle Studie haben 64 Teilnehmende eine Woche lang ihre Gefühlslage und ihr Hungergefühl dokumentiert. Hunger und Wut gingen dabei auffallend oft miteinander einher. Mehr als 50 Prozent aller aufgezeichneten Wutgefühle traten in der Studie zeitgleich mit Hunger auf. Schon vorher hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezeigt, dass Hungrige neutrale Reize eher negativ deuten als Gesättigte.

Hangry: Laut einer Studie gehen Wut und Hunger auffallend häufig Hand in Hand

Hangry: Laut einer Studie gehen Wut und Hunger auffallend häufig Hand in Hand

Wissenswert: Das Wort „Hangry“ hat es sogar ins Oxford English Dictionary geschafft, das umfangreichste Wörterbuch der englischen Sprache. Ob es auch bald in den Duden aufgenommen wird? So oder so kennt auch die deutsche Sprache diese Gefühlslage, nicht umsonst sagt der Volksmund: einen Mordshunger haben.

Warum werden Menschen hangry?

Wer wirklich Hunger hat, kennt nur ein Ziel: Essen. „Da sinkt der Blutzuckerspiegel, da sind wir nicht mehr Herr unserer Lage und dann tun wir alles, um Essen zu bekommen. Wenn wir es nicht kriegen, steigt die Frustration“, sagt Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin der Uniklinik Schleswig-Holstein in Lübeck. Wissenschaftlich ist der Grund für „Hungerlaune“ noch nicht eindeutig identifiziert. Eine These ist, dass dem Gehirn sein Lieblingstreibstoff ausgeht: Traubenzucker (Glukose), mit dem Gehirnzellen vor allem arbeiten. Die Konsequenz laut dieser Theorie: Wir sind nicht mehr so gut in der Lage, die eigenen Gefühle zu regulieren – und werden schnell pampig. 

Viren Swami, Professor für Sozialpsychologie an der Anglia Ruskin University in Großbritannien, bezweifelt dies jedoch in einer aktuellen Hangry-Studie. Er und sein Forschungsteam halten es für unwahrscheinlich, dass die Versorgung des Gehirns so rasch so sehr leidet. Denn bei Hunger stellt die Leber für das Gehirn zuerst aus ihrem eigenen Vorrat neue Glukose her; ist dieser aufgebraucht, werden Ketonkörper produziert, eine weitere Energiequelle unserer Hirnzellen. Swamis These ist eine andere: Gerade leichten Hunger würden einige von uns nicht richtig wahrnehmen. Sie merkten nur, dass es ihnen gerade nicht so richtig gut geht – und missinterpretierten das als schlechte Laune.

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Warum werden manche Menschen hangry und andere nicht?

Zu dieser Frage schuldet uns die Wissenschaft noch klare Erkenntnisse. Eine mögliche Erklärung liegt im Blutzuckerspiegel. Dieser ist bei einigen Menschen deutlich konstanter als bei anderen. „Es gibt ja auch Leute, die fasten ohne je hangry zu werden“, sagt Prof. Dr. Sina. Die Forschung zeigt: Es gibt Menschen, die auf bestimmte Lebensmittel ungewöhnlich stark reagieren.

„Wir sehen Probanden, deren Blutzuckerwerte nach einer Kartoffelmahlzeit sprunghaft ansteigen – wenn sie dann beim Hausarzt untersucht würden, kämen sie als Diabetiker zurück.“ Direkt nach diesem Peak falle der Blutzuckerspiegel wieder steil ab, manchmal unter den Normbereich – so kommt es zu Heißhungerattacken. Und die könnten Menschen durchaus hangry machen.

„Zudem beeinflussen Hormone den Blutzucker stark “, erklärt Prof. Dr. Sina. Also könnten der weibliche Zyklus oder die Wechseljahre ein Hangry-Gefühl verstärken. Ein gutes Beispiel dafür, dass gendersensible Medizin sehr wichtig ist. Letztlich haben wahrscheinlich auch die Gene einen Einfluss darauf, ob nur der Magen knurrt oder der ganze Mensch. Alles auf das eigene Erbgut oder Geschlecht zu schieben, greift aber zu kurz. Ein zentraler Grund für die „Hunger-Wut“ ist vermutlich, dass man die Signale des Körpers überhört oder ignoriert.

Funfact: Nicht nur Menschen werden hangry, auch bei männlichen Fruchtfliegen und Zebrafinken ist das wissenschaftlich untersucht.

Was kann man tun, wenn man hangry ist?

Die Antwort ist banal: essen. Wenn möglich, nicht gerade ein Stück Traubenzucker, denn danach steigt und fällt der Blutzuckerspiegel bei den allermeisten Menschen rasant. Besser ist da eine ausgewogene Mahlzeit. Zum Glück braucht man für Gesundes Essen nicht viel Zeit – und gegen den größten Hunger bieten beispielsweise ein paar Nüsse schnelle Hilfe. Wer schon weiß, dass er zum Hangry-Sein tendiert, kann sich mit gesunden Snacks wappnen – und so sich und sein Umfeld schützen.

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