Pflege für die Zukunft stark machen

Pflegeberufe attraktiver machen

Lesedauer unter 4 Minuten

Qualifiziertes und motiviertes Pflegepersonal zu gewinnen, bleibt eine der dringendsten Aufgaben für die pflegerische Versorgung in Deutschland. Obwohl die Bundesregierung in den letzten Jahren zahlreiche gesetzgeberische Initiativen unternommen hat und daneben auch Vereinbarungen der Konzertierten Aktion Pflege bereits umgesetzt hat, wird weiterhin Personal für die wachsende Zahl Pflegebedürftiger und für die Pflege im Krankenhaus benötigt. Das Pflegepersonal fordert zu Recht Wertschätzung für die pflegerische Arbeit ein, zudem muss die Tätigkeit in der Pflege vor allem attraktiver gemacht werden. Dazu gehört eine grundlegende Aufwertung des Berufsbildes Pflege.

Die Aufgabenverteilung innerhalb der Gesundheitsfachberufe muss neu justiert werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: So erfordert die Zunahme chronischer Erkrankungen in der alternden Gesellschaft eine kontinuierliche, abgestimmte Versorgung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Medizin und Pflege. Hohe Anforderungen an Qualität und Patientensicherheit können nur durch gut ausgebildetes Fachpersonal erfüllt werden. Die vorhandenen Fachkräfteressourcen können zielgerichteter und effizienter zum Einsatz kommen, wenn qualifizierte Pflegekräfte zusätzliche Kompetenzen übertragen bekommen, die bisher ärztlichem Personal vorbehalten sind. Dies gilt gleichermaßen für pflegerische und medizinische Gesundheitsberufe.

Mehr Eigenständigkeit bei der pflegerischen und medizinischen Arbeit macht das Berufsbild der qualifizierten Fachkraft zudem für neue Zielgruppen attraktiv. Im Rahmen von Modellprojekten können heilkundliche Tätigkeiten bereits auf besonders qualifizierte Pflegekräfte zur eigenständigen Ausübung übertragen werden. Der Gesetzgeber sollte jedoch dringend eine zeitgemäße Arbeitsteilung zwischen ärztlichen und pflegerischen Berufen in einem allgemeinen Heilberufegesetz regeln, wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Dabei geht es besonders um die Klärung der Haftungsfrage: Die Haftung muss auf die verantwortlichen Berufsgruppen übertragen werden.

Die Generalisierung der Pflegeausbildung und der Wegfall des Schulgeldes durch das Pflegeberufegesetz waren wichtige Schritte zur Aufwertung der Pflegeberufe, dadurch wird auch ein Wechsel der Pflegefachkräfte zwischen allen Bereichen der Pflege leichter möglich. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den Pflegeberufen müssen gut aufeinander abgestimmt werden, um den Pflegekräften fachliche Aufstiegschancen und bessere Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen sowie eine qualitativ hohe Versorgung besonders bei komplexen Leistungen zu gewährleisten. Ein Pflegestudium eröffnet Karrieremöglichkeiten in der Pflege und schafft Anreize für neue Zielgruppen.

Eine bundesweit einheitliche Regelung der Berufsbilder in der Pflege ist wichtig, um gleiche Qualitätsstandards über die Ländergrenzen hinweg zu garantieren und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Flexibilität in der Ausübung des Pflegeberufs zu schaffen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Harmonisierung der Pflegeassistenz durch ein bundeseinheitliches Berufsgesetz ist ein richtiger Schritt: Damit kann dem existierenden Personalbedarf begegnet und die hohe Anzahl an- oder ungelernter Pflegekräfte verringert werden.

Je nach individuellem Bedarf benötigen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser Pflegekräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen. Wichtig ist eine eindeutige Beschreibung der Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Berufsgruppen, um eine klare Arbeitsteilung von Pflegehilfskräften, Pflegefachkräften und akademisch ausgebildeten Fachkräften zu erreichen. Akademisch ausgebildetes Personal in der Pflege wird für Führungspositionen benötigt und um sicherzustellen, dass das fortschreitende pflegewissenschaftliche Wissen Eingang in die Praxis findet.

Abzuwarten bleiben die Ergebnisse des Modellprojekts (§ 8 Absatz 3b SGB XI) zur Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Hier wird erstmals der konkrete Personaleinsatz je nach Qualifikation des Personals am individuellen Pflegebedarf der jeweiligen Heimbewohnerinnen und -bewohner ausgerichtet. Gleiches gilt für die Erprobung, Einführung und Weiterentwicklung der Pflegepersonal-Regelung (PPR 2.0) als Bemessungsinstrument im Krankenhaus.

In den letzten Jahren ist nicht nur ein Zuwachs an Beschäftigten, sondern auch ein deutlicher Anstieg der Löhne und Gehälter im Pflegebereich festzustellen. Dennoch steigen viele Beschäftigte wegen der hohen Belastungen im Pflegeberuf frühzeitig aus, die Pflegeausbildung wird oft vorzeitig beendet, die Teilzeitquote in der Pflege ist hoch.
Notwendig ist eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Durch flexible Teilzeitmodelle, verbindliche Dienstpläne, die Vermeidung geteilter Dienste und durch angepasste Kinderbetreuungsangebote kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt werden. Zudem müssen Ausfallkonzepte etabliert und ein kurzfristiges Einspringen finanziell honoriert werden. Für die (Wieder-)Gewinnung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine altersgerechte Organisation von Tätigkeiten wichtig. Gefragt ist hier ein modernes Personalmanagement der Arbeitgeber, beziehungsweise der Tarifpartner.

Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte kann zu einer zusätzlichen Entlastung der Pflegesituation in Deutschland beitragen. Wichtig ist dabei, dass Pflegefachkräfte mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland qualifikationsadäquat beschäftigt und bezahlt werden.  

Um den bestehenden Fachkräftemangel zu bewältigen, sollten die knappen personellen Ressourcen gebündelt werden. Pro Kopf arbeiten in Deutschland im internationalen Vergleich mehr Pflegekräfte als in vielen anderen Ländern, zudem wurde in den letzten Jahren ein kontinuierliches Wachstum der Zahl von Pflegekräften im Krankenhaus verzeichnet. Durch die hohe Krankenhaus- und Bettendichte entsteht oft eine Fehlallokation des Pflegepersonals. Daher könnte sich eine Krankenhausstrukturreform, neben positiven Effekten auf die Qualität der Leistungserbringung sowie auf die Krankenhausfinanzierung auch positiv auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege auswirken und personelle Ressourcen freisetzen.

Pflegepapier 2023_Pflegekräfte benötigt