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Wachstum: Was ist schon normal?

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Die Hosen zu kurz, die Schuhe zu klein, das Kind ist gewachsen. Eltern kennen das, wenn die Kleidung letzte Woche noch passte und plötzlich alles neu angeschafft werden muss, weil ein Wachstumsschub eingesetzt hat. Während es für viele Eltern nicht der Rede wert ist, sind andere regelrecht froh, wenn das Kind wächst, weil der Nachwuchs im Vergleich zu anderen Kindern zu klein erscheint. Doch welche Körpergröße ist „normal“, und wann muss man sich Sorgen machen?

Die Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt belegt, was beim Zusammensein mit anderen Kindern schon auffällt: Der eigene Nachwuchs ist viel kleiner oder ein ganzes Stück größer als Gleichaltrige. „Die meisten Schwankungen in der Größe von Kindern sind normal und relativieren sich bis zum Erwachsenenalter. In seltenen Fällen kann aber auch ein Hormonmangel oder eine Erkrankung dahinterstecken. Ob es sich um ernstzunehmende Abweichungen von der Norm handelt, ob sie dauerhaft oder nur vorübergehend ist, und ob Handlungsbedarf besteht, kann im Zweifel nur ein Kinderarzt entscheiden“, erklärt Dr. Utta Petzold, Medizinerin bei der Barmer.

Bestimmung des Knochenalters

Das Wachstum eines Menschen verläuft in mehreren Phasen. Am schnellsten wächst er noch vor seiner Geburt: Während der Schwangerschaft erreicht ein Baby bereits rund 30 Prozent seiner endgültigen Körpergröße. Der letzte Wachstumsschub liegt in der Pubertät. Bei Mädchen ist die endgültige Größe dann mit etwa 15, bei Jungs mit etwa 17 Jahren erreicht. Aber nicht jedes Kind entwickelt sich nach dieser Norm, manche sind früher, andere später entwickelt. Um das festzustellen, kann der behandelnde Arzt bei Auffälligkeiten das sogenannte Knochenalter mit Hilfe eines Röntgenbildes der linken Hand bestimmen. Das daraus ermittelte Alter kann beispielsweise niedriger sein als das tatsächliche Alter des Kindes. Das bedeutet, dass das Wachstum verzögert ist. „In der Regel muss man sich bei einem verzögerten Knochenwachstum keine Sorgen machen. Sind die Eltern normal groß, holen die meisten Kinder die noch fehlenden Zentimeter bis zum Ende der Pubertät wieder auf“, so Petzold. Ist das Kind besonders groß, aber die Bestimmung des Knochenalters ergibt keinen Unterschied zum tatsächlichen Alter, ist das übermäßige Wachstum meistens genetisch bedingt. In diesem Fall sind oft auch Eltern und Großeltern größer als der Durchschnitt. „Eltern sorgen sich häufig vor allem um sehr große Mädchen, seltener um große Jungen. Medizinisch hinterfragt wird die Größenentwicklung in der Regel aber erst, wenn Mädchen absehbar größer werden als 185 Zentimeter oder Jungen größer als 205 Zentimeter“, so Petzold.

Viele Gründe für Größenunterschiede

Aufmerksam wird der Kinderarzt, wenn Hinweise für eine sogenannte krankhafte Wachstumsstörung vorliegen. Sie können sich beispielsweise zeigen, indem die in jeder Vorsorgeuntersuchung dokumentierte Wachstumskurve nach dem dritten Lebensjahr immer stärker von der ursprünglich eingeschlagenen Wachstumskurve abweicht. In diesem Fall wird die Wachstumsgeschwindigkeit des Kindes ermittelt, die entweder ungenügend oder übermäßig sein kann. „Bei Verdacht auf eine Wachstumsstörung wird meist ein Spezialist für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, ein sogenannter pädiatrischer Endokrinologe, hinzugezogen, der unter anderem den Hormonstatus überprüft. Ist das Kind beispielsweise auffällig zu klein, kann das, wenn auch selten, an einem Mangel des Wachstumshormons Somatropin liegen“, so Petzold. Es gibt aber auch andere Ursachen für Wachstumsstörungen. Hierzu zählen beispielsweise Probleme mit den Nieren, dem Herzen oder dem Darm, eine Mangelernährung, Tumore oder auch psychosoziale Vernachlässigung. „Die Gründe für die unterschiedlichen Körpergrößen innerhalb des gleichen Alters sind sehr vielfältig und reichen von banal bis ernstzunehmend. Es ist daher sehr wichtig, die Ursachen bei großen Auffälligkeiten in Erfahrung zu bringen. Denn so vielfältig wie die Gründe gestaltet sich dann auch die Therapie, die möglicherweise eingeleitet werden muss“, so Petzold.

Wachstumskurven

Das Wachstum von Kindern wird in Deutschland im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen in Wachstumskurven festgehalten. Anhand von Kreuzchen dokumentiert der Arzt die Größenentwicklung des Kindes und kann dieses entsprechend einschätzen. Hilfreich sind dabei die bereits voreingetragenen Normkurven. Sie geben an, wie viel Prozent der gleichaltrigen Kinder die angegebene Körpergröße erreicht haben. Die 50er-Perzentile bedeutet beispielsweise, dass im Vergleich 50 Prozent der Kinder größer, und 50 Prozent der Kinder kleiner sind. Die 97er-Perzentile zeigt an, dass 97 Prozent der Kinder kleiner sind, und das untersuchte Kind an der Grenze zum Hochwuchs steht.