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Die Mauer muss weg - Sektorenübergreifende Versorgung in Thüringen

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Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist gut. Aber sie könnte noch deutlich besser sein. Ein wesentliches Defizit besteht in der diskontinuierlichen Versorgung von Patienten entlang der Sektorengrenzen - insbesondere dem stationären und dem ambulanten Bereich. „Wir blicken auf ein historisch gewachsenes Gesundheitssystem mit vielfältigen Strukturen und eigenen sektoralen Logiken“, sagte Birgit Dziuk, seit Jahresbeginn neue Landesgeschäftsführerin der Barmer, zur Eröffnung  der Veranstaltung „Die Mauer muss weg“ am 10. April im  Erfurter Augustinerkloster. Dziuk schlug damit erste Pflöcke für ein Thema ein, das für die Barmer die derzeit größte Reformbaustelle darstellt. Die stärkere Zusammenarbeit und Koordination in der Versorgung müssen sowohl mit Blick auf die Bundestagswahl, aber auch auf Landesebene in den Fokus genommen werden.

Teilnehmer sitzen auf dem Podium

Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.): Moderator Jolf Schneider (Freies Wort), Dr. Susanne Ozegowski (Geschäftsführerin BMC e.V.), Birgit Vater (Verwaltungsrätin Barmer), Staatssekretärin Ines Feierabend (TMASGFF), Birgit Dziuk.

„Thüringen ist ein kleines, in weiten Teilen ländlich strukturiertes Bundesland, das von einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung und Realisierung von gemeinsamen Versorgungsstrukturen besonders profitieren würde“, so Dziuk. Einer der Knackpunkte sei dabei jedoch die Sorge vor Honorareinbußen. Deshalb müsse es eine Angleichung der Vergütung im ambulanten und stationären Bereich geben („Gleiches Geld für gleiche Leistung“) sowie mehr Kooperation in regionalen Versorgungsverbünden.
„Die Versorgung darf nicht dort stattfinden, wo es das meiste Geld dafür gibt, sondern dort, wo sie benötigt wird. Vor allem chronisch kranke Patienten, die häufig zwischen Ärzten und Kliniken pendeln, brauchen klar definierte Behandlungsketten“, forderte Dziuk.

„Das dickste Brett im deutschen Gesundheitssystem“

Die gemeinsame Versorgungsplanung sei das dickste Brett im deutschen Gesundheitssystem, betonte Dziuk. „Dieses Brett kann nicht von einem Bundesland oder von einzelnen Krankenkassen oder Krankenhäusern gebohrt werden. Es müssen zahlreiche Bundes- und Landesgesetze geändert werden, weil die Planungsgremien ohne eine einheitliche Richtlinie schnell an die Grenzen ihrer Kompetenzen geraten.“ Ein Beispiel: Die Bedarfsplanung der niedergelassenen Ärzte erfolgt aufgrund bundesweiter Vorgaben und weitgehend losgelöst vom Krankenhausangebot vor Ort. Das Leistungsspektrum der Kliniken wiederum wird vom Land geregelt, unabhängig vom fachärztlichen Angebot in der Umgebung. „Diese sektorbezogene Planung führt zu unnötigen Doppelstrukturen, die wir mittelfristig abbauen müssen“, so Dziuk. „Wir brauchen aber auch schon kurzfristig Lösungen. Sinnvoll wäre zum Beispiel, dass sich alle Planungs-gremien gegenseitig früh informieren und verbindlich zusammenarbeiten.“ Sinnvollerweise sollte dazu das gemeinsame Landesgremium (nach §90a, SGB V) als Dachkonstruktion umfunktioniert werden.

Thüringens Staatssekretärin Ines Feierabend kündigte an, dass die kommende Gesundheitsministerkonferenz das Thema weit oben auf die politische Agenda setzen und voraussichtlich die Einrichtung einer Reformkommission „sektorenübergreifende Versorgung“ fordern werde. Im Mittelpunkt steht dabei auch für Feierabend der Patient: „Dabei ist insbesondere Ziel, dass die Transparenz über Qualität sowie die Entscheidungshoheit für die Patientinnen und Patienten gestärkt werden und sich Behandlungsverläufe primär an den medizinisch-pflegerischen Notwendigkeiten und nicht an den gegebenen Strukturen der Leistungserbringer und Kostenträger ausrichten.“

Die Zunahme an chronischen Erkrankungen und multimorbiden Patienten, bei gleichzeitig wachsender ärztlicher Spezialisierung stellt die Versorgung vor große Herausforderungen. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen für eine bessere, integrierte Versorgung mitgedacht werden. Doch trotz zahlreicher Mini-Reformen der letzten Jahre hat sich laut Dr. Susanne Ozegowski, Geschäftsführerin des Bundesverbands Managed Care (BMC) im Alltag der Patienten zu wenig geändert: „Es bleibt eine Herausforderung Behandlungswege und Medikation zu überblicken.“ Die Zusammenarbeit von ambulanter und stationärer Versorgung scheitere vor allem an „unterschiedlichen Sprachen“ bei zentralen Fragen wie Qualitätssicherung, Planung und Vergütung. Statt weiterer Modellprojekte forderte sie einen Neuanfang, um aus der gewachsenen Struktur auszubrechen. Kein Arzt werde dem EBM hinterhertrauern. Als möglichen „Pfadbrecher“ sieht Dr. Ozegowski die Digitalisierung.

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