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Immer mehr ältere Menschen in Schleswig-Holstein: Delegation ärztlicher Tätigkeiten wird zunehmend wichtiger

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RubiN (Regional ununterbrochen betreut im Netz) heißt das von der Barmer als Konsortialführer entwickelte Projekt, bei dem die Versorgung älterer Menschen und der Erhalt ihrer Selbständigkeit und Autonomie im Mittelpunkt steht. Bei den Ansätzen zur Verbesserung der Versorgung geriatrischer Patienten treten jedoch zahlreiche rechtliche Hürden zutage, besonders im Zusammenhang mit der Delegation ärztlicher Tätigkeiten innerhalb von Versorgungsnetzwerken. Das mit Mitteln des Innovationsfonds geförderte Projekt RubiN will daher dazu beitragen, rechtssichere Strukturen und Prozesse für Versorgungsnetzwerke zu ermöglichen.

4.400 Patienten aus acht Praxisnetzen

Viele geriatrische Patienten haben gleichzeitig akute und chronische Erkrankungen. Ihr Alltag wird möglicherweise zusätzlich durch kognitive Einschränkungen und eingeschränkte Mobilität erschwert. „Unser Gesundheitssystem ist jedoch nur bedingt auf die Versorgung multimorbider Patienten ausgerichtet. Gerade bei der Behandlung geriatrischer Patienten ist eine Zusammenarbeit verschiedener Versorgungsebenen und Leistungserbringer aber nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig“, erklärt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein.
Das bis in das Jahr 2021 angesetzte Projekt RubiN schließt 4.400 geriatrische Patienten aus acht akkreditierten Praxisnetzen ein, darunter auch das Praxisnetz Herzogtum Lauenburg (PRHN). Dort und in weiteren Netzen wurden für das Projekt Casemanager eingestellt, die ein multiprofessionelles und sektorenübergreifendes Casemanagement aufbauen. So werden für geriatrische Patienten individuelle Versorgungspläne, passgenaue Betreuungsangebote sowie Unterstützung bei der Organisation der Versorgung entwickelt. Der medizinische Betreuungsbedarf wird unter Berücksichtigung des Lebensumfeldes der Patienten ermittelt und individuell gestaltet. „Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte im Praxisnetz Herzogtum Lauenburg arbeiten mit dem beim Netz angestellten Casemanager eng zusammen. Der Casemanager wiederum schlägt die Brücken zu Pflegediensten, Krankenhäusern sowie kommunalen sozialen Einrichtungen“, erläutert Hillebrandt.

Delegation und Vernetzung tangieren viele Rechtsbereiche

Begleitet wird das Versorgungsprojekt durch eine ausführliche Prüfung des rechtlichen Rahmens der Versorgungsnetzwerke. Sollen Versorgungsnetze eine Rolle in der Steuerung und Koordination der Versorgung spielen, müssen bei teamorientierter und sektorenübergreifender Zusammenarbeit zahlreiche Fragen rund um die Netze geklärt werden: Dies reicht vom Strafrecht, dem Berufsrecht und dem Haftungsrecht über das Vertragsarzt und Wettbewerbsrecht.
Werden im Rahmen des Versorgungsmanagements ärztliche Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal übertragen, so ist dies innerhalb einer Arztpraxis für Tätigkeiten wie Blutentnahme, Blutdruck messen und dergleichen möglich: Der Arzt delegiert an die Medizinische Fachangestellte. Ist jedoch der Arzt Mitglied eines Netzwerkes und delegiert er Aufgaben an einen beim Netzwerk angestellten Casemanager, so existiert derzeit keine Rechtsgrundlage, auf der dieses juristisch sicher erfolgen kann. „Unklar sind vor allem die Qualifikationsanforderungen sowie der Leistungskatalog im Casemanagement, aber auch haftungsrechtliche Fragen. So muss etwa geprüft werden, wer in einem Netz weisungsbefugt ist, welche Tätigkeiten delegiert werden dürfen und wie vertragliche Beziehungen zwischen Ärzten, Praxen und Netzen ausgestaltet sein müssen, um haftungsrechtlich unbedenklich zu sein“, so der BARMER-Landeschef.

RubiN wird Empfehlungen für den rechtlichen Anpassungsbedarf vorlegen

Zu den vielen offenen Fragen will RubiN ein Rechtsgutachten vorlegen, das Umsetzungsempfehlungen für den Gesetzgeber und die Selbstverwaltung enthält. Dabei werden die Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen der acht RubiN-Regionen während der Projektlaufzeit einbezogen. „Das Innovationfondsprojekt RubiN setzt an einem wichtigen versorgungspolitischen Thema an: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Gesundheitsversorgung sowohl aus medizinischen Gründen, aber auch aus Gründen der Effizienz weiterentwickelt werden muss. Das System muss stärker kooperativ und sektorenübergreifend ausgerichtet werden. RubiN kann bei der Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen einen wichtigen Beitrag leisten“, erwartet Hillebrandt richtungweisende Erkenntnisse.
Die Vernetzung der Strukturen kann in der Praxis nur erreicht werden, wenn sich Rollenverständnis und Arbeitsteilung zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Professionen weiterentwickeln. Besonders in der Langzeitversorgung vor allem von geriatrischen Patienten müssen delegationsfähige Leistungen im Sinne eines umfassenden Versorgungsmanagements erweitert und teilweise neu definiert werden. Das zielt in besonderer Weise auf die Tätigkeit von Pflegekräften.

Weitere Informationen: www.rubin-netzwerk.de