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"Dauerbrenner-Thema" beim Gesundheitssymposium Sachsen-Anhalt: Die Zukunft der ärztlichen Versorgung auf dem Lande absichern

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Wegzug, Überalterung, drohender Ärztemangel – der demografische Wandel erschwert seit Jahren die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. In Sachsen-Anhalt ist dieser bundesweit fortschreitende Prozess schon heute spürbar. Es ist höchste Zeit, dass sich niedergelassene Ärzte, Krankenhausmanager, Kassenvertreter, Wissenschaftler und Politiker ungeschönt mit dieser Situation auseinandersetzen und über praktische Lösungen sprechen.

Barmer GEK Landesgeschäftsführer Axel Wiedemann eröffnet das 6. Gesundheitssymposium Sachsen-Anhalt

"Genau aus diesem Grund widmet sich das 6. Gesundheitssymposium Sachsen-Anhalt dem 'Dauerbrenner-Thema' ärztliche Versorgung auf dem Lande", sagt Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in Sachsen-Anhalt zum Auftakt des Fachsymposiums in Magdeburg. "Das Thema ist sehr komplex und bedarf vieler abgestimmter Maßnahmen. Da gibt es nicht die eine geniale Lösung. Vielmehr brauchen wir ein enges Miteinander der verschiedensten Akteure", so Wiedemann.

Vortrag Prof. Dr. Ferdinand Gerlach

"Die wichtigste Botschaft des heutigen Symposiums lautet: Abwarten ist keine Option!", sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR), Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, in seinem Eröffnungsvortrag vor den mehr als 70 Experten aus Gesundheitswesen und Politik. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft der Versorgung im ländlichen Raum", unterstreicht Gerlach bei der Vorstellung eines entsprechenden SVR-Gutachtens.

Nichts beschönigen – entschlossene Maßnahmen nötig

"Die Analysen des Sachverständigenrates zeigen, dass die Entwicklung besorgniserregend und konsequentes Handeln dringend erforderlich ist. Und dabei geht es längst nicht mehr um Einzelmaßnahmen, sondern um ein Bündel unterschiedlicher sich gegenseitig verstärkender Maßnahmen", so Gerlach. Angesichts des schon bestehenden Hausärztemangels in Sachsen-Anhalt, ist vor allem eine Stärkung der Aus- und Weiterbildung von Allgemeinmedizinern wichtig. Dies umso mehr, als gegenwärtig nur noch etwa jeder zehnte Facharztabschluss im Bereich Allgemeinmedizin (Hausarzt) erfolgt. Deshalb rät das SVR-Gutachten zu besonderen Anreizen schon im Medizinstudium, etwa der Einführung obligatorischer Ausbildungsabschnitte in Lehrpraxen sowie dem Ausbau der Weiterbildungsangebote für Allgemeinmediziner und nicht zuletzt einem "Landarztzuschlag" bei der Vergütung. 

"Doch nur auf finanzielle Anreize zu setzen, bringt dort keinen Gewinn", betont Axel Wiedemann von der Barmer GEK. Vielmehr müssten die Lebens- und Arbeitsbedingungen mehr an Bedürfnissen der Nachwuchsmediziner ausgerichtet werden. "Junge Leute wollen interdisziplinär arbeiten – gern in kollegialer Verbindung mit anderen Medizinern in Kliniken und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Auch geht es heute mehr als früher um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit", so Wiedemann. "Hier sollte Sachsen-Anhalt zum Vorreiter werden, ist doch der demografische Wandel bei uns weiter fortgeschritten als in den meisten anderen Bundesländern."

Erste Erfolge werden sichtbar

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Sachsen-Anhalt kann bereits auf erste Erfolge verweisen, wie der KV-Vorsitzende Dr. Burkhard John unterstreicht. So gelingt es bereits mit speziellen Stipendienangeboten, eine steigende Zahl an Studenten für die Allgemeinmedizin und eine mögliche Zukunft als Hausärzte in Sachsen-Anhalt zu werben. Zudem soll mit "Ausflügen" aufs Land und Hospitationen für eine Tätigkeit im ländlichen Raum geworben werden. Das wird auch durch etliche Angebote von Kommunen gefördert, die beim Praxisausbau oder mit Arbeitsplätzen für Angehörige unterstützen.

Durch die relative Nähe der ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts zu urbanen Zentren wie Berlin (mit dem ICE nach Stendal oder Wittenberg nur 40 bis 50 Minuten Fahrzeit!) kann sich KV-Chef John aber auch vorstellen, dass junge Mediziner die Praxis auf dem Lande mit dem Leben in der Großstadt verbinden. Wenn später Familienleben und Kinder mehr im Fokus sind, erleichtern vergleichsweise günstige Immobilienpreise den Umzug ins ländliche oder kleinstädtische Idyll.

Auch die vom Sachverständigenrat empfohlenen Lokalen Gesundheitszentren (LGZ) stoßen in Sachsen-Anhalt auf Wohlwollen. "Wir halten davon sehr viel", so John. Positiv sei beispielsweise, dass die Mediziner im Team arbeiten können. Hier gebe es auch gute Andockmöglichkeiten für den Einsatz moderner Technik wie der Telemedizin. Das sei für viele Nachwuchsmediziner ein wichtiger Faktor. 

Krankenhäuser stützen die ambulante Versorgung

In vielen Regionen des Landes sind mittlerweile Krankenhäuser eine immer wichtigere Stütze für die medizinische Grundversorgung, unterstreicht der Vorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Prof. Dr. Wolfgang Schütte aus Halle. Er könnte sich gut vorstellen, dass diese Kliniken den Kern der geplanten neuen LGZ bilden und enger als bisher mit niedergelassenen Ärzten und Physiotherapeuten zusammenarbeiten. "Dazu sind vor Ort neue integrierte Konzepte nötig", sagt Schütte. So interpretiert die Krankenhausgesellschaft auch den Koalitionsvertrag der schwarz-rot-grünen Landesregierung. Allerdings müsste im Gegenzug das Land endlich wieder ausreichend Gelder für die Investitionen der Kliniken bereitstellen. Den Bedarf beziffert Schütte mit jährlich gut 100 Millionen Euro für die 48 Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt – nicht eingerechnet der bereits bestehende Finanzierungsstau von rund 600-700 Millionen Euro.

Bild-Ministerin-Grimm-Benne


Auch wenn die neue Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) die Not der Kliniken sieht, ist sie auch Realistin genug, beim Gesundheitssymposium keine unbedachten Versprechungen zu machen. Aus ihrer Sicht ist es bereits ein Erfolg, wenn das Land im nächsten Doppelhaushalt 2017/18 für Krankenhausinvestitionen überhaupt Gelder einplant. "Aber ganz sicher nicht in dem geforderten Umfang", so Grimm-Benne. Denkbar seien etwa 20 Millionen Euro jährlich. Das sollte ergänzt werden um fast 30 Millionen Euro Strukturfondsmittel für Umstrukturierungen von Krankenhäusern, von denen die Hälfte über den Landeshaushalt abgesichert werden muss. Das wäre für die Ministerin schon ein großer Fortschritt gegenüber dem Status Quo.

Und natürlich sei die Landespolitik gefordert, innerhalb von zwei bis drei Jahren ein neues Krankenhausgesetz zu verabschieden und auf sinnvolle Umstrukturierungen bei den Kliniken zu drängen. Dabei geht es weniger um Klinikschließungen als um Veränderungen bei den Abteilungen. "Wir müssen teure Doppelstrukturen vermeiden", so die Ministerin. Oberstes Ziel sei die dauerhafte Absicherung der medizinischen Versorgung – auch auf dem Lande – in hoher Qualität.

Small-Talk auf dem Gesundheitssymposium

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