Diskutanten des Länderforums stehen vor einer Wand.
Pressemitteilungen aus Rheinland-Pfalz und Saarland

Barmer-Länderforum: „Klischee vom rückständigen Land muss Mahnung zum Umdenken sein“

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Wiesbaden, 15. Mai 2019 – Die medizinische Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen stand im Mittelpunkt des fünften Barmer-Länderforums Gesundheit, das in der Handwerkskammer Wiesbaden stattfand. Ausgangspunkt der Debatte um Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen war der sich demographisch verschärfende Ärztemangel sowie Strategien für eine zukunftsorientierte Sicherstellung der Versorgung.

Norbert Sudhoff, Landesgeschäftsführer der Barmer Hessen, sagte, die Wortwahl in der aktuellen Berichterstattung erzeuge ein unverantwortlich negatives Bild ländlicher Regionen, das wahlweise eher an das 17. Jahrhundert oder das australische Outback erinnere. An den Grenzen der hessischen Speckgürtel erwarte uns jedoch keine Provinz, weder in den Köpfen noch im allgemeinen Leben. Das Klischee vom rückständigen Land müsse eine Mahnung zum Umdenken sein. „Die ländlichen Regionen sind nicht weniger wertvoll als urbanere Gebiete und sie tragen auch nicht selbst zu ihren Versorgungsdefiziten bei. Wir dürfen Defizite in der Versorgungsstruktur nicht mit strukturellen Defiziten der Versorgungsregion verwechseln“, führte Sudhoff aus. Den Willen zum Strukturwandel vorausgesetzt, stünden dem Land Hessen bis zum Jahr 2022 rund 280 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds für die Verbesserung der Versorgungssituation zur Verfügung.

Anne Janz, Staatssekretärin im hessischen Ministerium für Soziales und Integration, versprach die Fortsetzung des Hessischen Gesundheitspakts. Ländliche Regionen dürften nicht schlecht geredet werden. Die Rede von ländlichen „Entleerungsgebieten“ könne kein Teil von Lösungsstrategien sein. „Es ist wichtig, einen fachlichen Blick auf die wirklichen Versorgungsstrukturen zu werfen“, führte Janz mit Blick auf die Bedarfsplanung aus. Wichtige Steuerungselemente lägen im Bereich der Aus- und Weiterbildung medizinischen Personals sowie in der Gewinnung von Fachkräften, auch aus dem Ausland. Janz kam zu einem positiven Fazit, das allerdings baldige Konkretisierung erwartbar macht: „Hessen ist gut aufgestellt und für die Zukunft gewappnet!“

Die Bedarfsplanung ist der Chicorée im Gesundheitswesen

Professor Leonie Sundmacher berichtete als Gutachtenbeauftragte des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung. Diese sei wie Chicorée zunehmend bitter und gedeihe im Dunkeln. Mit Hilfe der statistischen Datengrundlage des Gutachtens zeichnete Sundmacher jedoch ein wesentlich positiveres Bild der Versorgungslage in Hessen, als es dieser sarkastische Befund vermuten ließ. „Über 90 Prozent erreichen den nächsten Hausarzt in unter fünf Minuten.“ Einen direkten Zusammenhang zwischen Versorgungsgrad und Wartezeiten bei Arztbesuchen gäbe es ferner nicht. „Auch in Großstädten mit hoher Versorgungsdichte kommt es zu hohen Wartezeiten“, sagte Sundmacher. Sie plädierte für eine umsichtige Beobachtung der Morbidität bei der Bedarfsplanung, die Berücksichtigung signifikanter Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur und eine einheitliche, sektorenübergreifende Bedarfsplanung für das Bundesgebiet.

Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland sagte: „Ärzte mit eigener Praxis haben das finanzielle Risiko der Selbstständigkeit und arbeiten mehr als in einem Angestelltenverhältnis üblich. Ärzte sollten deshalb in strukturschwachen Regionen mehr Möglichkeiten für eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis haben.“ Künftig solle die Kassenärztlichen Vereinigung bei Bedarf Arztpraxen gründen und dort Ärzte im Angestelltenverhältnis beschäftigen können. Dieses Modell werde schon in Thüringen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen-Anhalt praktiziert. „Die Angebote richten sich hier vor allem an junge Ärzte, die sich oft nicht sofort selbstständig machen wollen“, erklärte die Barmer-Landesgeschäftsführerin. Eine weitere Möglichkeit für Ärzte als Angestellte zu arbeiten, sollten künftig Regionale Versorgungsverbünde sein. Das sind Kooperationsgemeinschaften von Arztpraxen, Kliniken und gegebenenfalls weiteren medizinischen Leistungserbringern.