Medienpädagogin Kim Beck
STANDORTinfo für Nordrhein-Westfalen

Handysucht bei Kindern und Jugendlichen: Verständnis statt Verbote

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Knapp 97 Prozent aller 12- bis 19-Jährigen in Deutschland besitzen ein Handy. Viele von ihnen verbringen täglich mehrere Stunden am Smartphone. Dieses Verhalten beobachten Eltern mit Sorge. Medienpädagogin Kim Beck (Mecodia) erklärt im Interview, wie sinnvoll digitales Fasten – der bewusste Verzicht aufs Handy – für Kinder und Jugendliche ist.

Woran erkenne ich, ob mein Kind handysüchtig ist?

Beck: Eltern sollten stutzig werden, wenn ihr Kind Freizeitaktivitäten wie das Fußballtraining oder den Geburtstag einer Freundin zugunsten des Smartphones ausfallen lässt. Ein Anzeichen kann auch Nervosität sein, wenn das Smartphone auf unbestimmte Zeit nicht genutzt werden kann, weil unterwegs der Akku leer geht. Oder wenn das Kind verspricht, weniger Zeit am Smartphone zu verbringen, und dies nicht einhält.

Ab wann sollte ich als Elternteil einschreiten? Und vor allem wie?

Beck: Spätestens, wenn eine der oben genannten Situationen eintritt, sollten Eltern handeln. Verständnis zeigen hilft dabei mehr als Verbote auszusprechen. Eltern sollten herausfinden, was ihr Kind am Smartphone fasziniert und warum es schwer davon loskommt. Ist es die ständige Flut der Nachrichten von Freunden oder das spannende neue Spiel? Wer die Ursachen kennt, kann einfacher Lösungen finden.

Welche Langzeitfolgen kann eine Smartphone-Abhängigkeit haben?

Beck: Es können soziale und physische Probleme entstehen. Wer die meiste Zeit vor dem Bildschirm verbringt, hat kaum Zeit, Freunde abseits der Online-Welt zu treffen. Das kann dazu führen, dass soziale Kontakte verkümmern und Freundschaften nur noch online existieren. Außerdem ist ausreichend Bewegung für Kinder wichtig. Bei hoher Smartphone-Nutzung kommt diese schnell zu kurz. Dazu kommt der sogenannte Handynacken. Bei der typischen Haltung mit geneigtem Kopf lasten starke Kräfte auf der Halswirbelsäule, die zu Verspannungen führen können.

Ist digitales Fasten sinnvoll? Also wenn Eltern und Kinder vereinbaren, für einen bestimmten Zeitraum auf das Smartphone zu verzichten?

Beck: Digitales Fasten hilft herauszufinden, wie wichtig das Smartphone im Alltag ist und was ohne das Gerät funktioniert. Dabei würde ich empfehlen, dass nicht das Kind alleine fastet, sondern die Eltern mitmachen. So können sie sich gemeinsam unterschiedlichen Herausforderungen stellen, etwa wie man die Telefonnummer von Freunden im Telefonbuch herausfindet. Gemeinsam solche Aufgaben zu bewältigen macht mehr Spaß und schweißt zusammen. Zudem schadet es auch Erwachsenen nicht, ihre Handynutzung ebenfalls zu reflektieren.

Welche anderen Strategien helfen, die Zeit am Handy zu verringern?

Beck: Es gibt Apps, um den Gebrauch im Auge zu behalten. Quality Time ist für Android empfehlenswert, iPhone Nutzer finden unter den Einstellungen das Feature „Bildschirmzeit“. Diese Anwendungen helfen herauszufinden, welche Apps und Funktionen die größten Zeitfresser sind, und welche anderen Möglichkeiten es gibt, um sich zum Beispiel die Zeit zu vertreiben. Wer eine Stunde im Chat verbringt, kann diese Stunde auch komprimiert für ein Treffen nutzen. Wer sich von Videos berieseln lässt um abzuschalten, kann sich alternativ bei einem Spaziergang entspannen.