Portraitfoto von Doktor Ursula Marschall, Leitende Medizinerin der Barmer
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Corona: "Wir müssen wachsam sein, aber wir dürfen nicht in Panik verfallen"

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Das neuartige Coronavirus sorgt bei den Menschen in Deutschland für Verunsicherung. Gleichzeitig zeigt eine Umfrage unserer Kasse, die zwischen dem 9. und 13. März durchführt worden ist: Die Mehrheit der Befragten fühlt sich gut über die Gefahren und Schutzmaßnahmen informiert.  Wir haben ein Gespräch mit der leitenden Barmer-Medizinerin Dr. Ursula Marschall über die aktuelle Situation und die Herausforderungen geführt.

Frau Dr. Marschall, ist es nicht kritisch zu sehen, wenn Ärzte, Kliniken und sogar Gesundheitsämter die Hotline einer Krankenkasse anrufen, anstatt das Robert Koch-Institut zu kontaktieren?

Marschall: Nein, das sehe ich nicht so. Wir arbeiten mit dem Robert Koch-Institut nicht nur bei unseren Versorgungsforschungsprojekten sehr eng zusammen. Deshalb hatten wir schon früh Informationen zum Coronavirus vorliegen, die wir weitergeben konnten. Wer diese Informationen liefert, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie richtig sind und Antworten auf die Fragen aller Menschen liefern, die vom Coronavirus regelrecht überrascht wurden. Nur so können wir gemeinsam informieren und Unsicherheiten abmildern, bevor daraus eine Panik entsteht.

Die Barmer hat bereits Ende Januar eine kostenlose Hotline geschaltet. Inzwischen haben viele Institutionen nachgezogen. Haben die Bürger überhaupt noch Informationsbedarf?

Marschall: Angesichts steigender Infektionsraten, der Schließung von Schulen, Kitas und vielen anderen Einrichtungen sowie weiteren Maßnahmen wie dem Kontaktverbot, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen, wird es sicherlich weiteren Informationsbedarf geben.

Wie bewerten Sie die momentane Situation?

Marschall: Das Coronavirus ist eine gewaltige Herausforderung. Deshalb müssen wir wachsam sein, aber wir dürfen nicht in Panik verfallen. Die Weltgesundheitsorganisation bewertet die Ausbreitung des Coronavirus als Pandemie, also als weltweite Epidemie. Auch wenn die meisten Fälle mit milden Symptomen einhergehen, so ist dennoch intensive Beobachtung angezeigt. Aber es gibt weiterhin keinen Grund zur Panik.

Wird denn Panik gemacht?

Marschall: Ich glaube nicht, dass bewusst Panik verbreitet wird, aber es gibt zahlreiche Menschen, die verunsichert sind. Die Hamsterkäufe, der Run auf Desinfektionsmittel und Schutzmasken sprechen für sich. Auf der Straße begegnen mir immer wieder Menschen mit OP-Schutzmasken. Ich glaube, dass regelmäßig aktualisierte, wissenschaftliche Informationen in einer laienverständlichen Sprache das beste Mittel sind, um Gerüchten und einer Panik vorzubeugen.

Wie stark hängt die Verbreitung des Coronavirus vom Verhalten eines jeden einzelnen ab?

Marschall: Damit unser Gesundheitssystem, das zu den besten der Welt gehört, dem Ansturm von Kranken auch weiterhin gewachsen bleibt, müssen wir dafür sorgen, dass nicht alle Menschen gleichzeitig erkranken und auf medizinische Hilfe angewiesen sind. Dafür müssen jetzt ungewöhnliche Wege eingeschlagen werden, die jeden Einzelnen betreffen. Wir müssen lieb gewonnene Freizeitaktivitäten einschränken und unsere sozialen Kontakte deutlich herunterfahren. Elementar wichtig ist und bleibt das strikte Einhalten der Hygieneregeln. Nur, wenn wir uns jetzt achtsam und diszipliniert verhalten, werden wir diese Pandemie bewältigen. Es kommt auf jeden Einzelnen an.

Wann rechnen Sie mit einem wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus?

Marschall: Die Entwicklung eines Impfstoffes braucht seine Zeit. Selbst wenn im Labor ein Gegenmittel gefunden wird, so müssen anschließend Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei einer Anwendung beim Menschen nachgewiesen werden. Solche Studien müssen auch eine gewisse Zeit laufen, ehe die Ergebnisse belastbar sind. Ich rechne nicht vor dem nächsten Jahr mit einem Impfstoff – wenn es schnell geht, vielleicht Ende dieses Jahres.

Werden wir uns an ein Leben mit dem Coronavirus gewöhnen müssen?

Marschall: Das ist ein Blick in die Glaskugel. Bei einer weltweiten Verbreitung und Übertragung von Mensch zu Mensch ist das nicht ganz von der Hand zu weisen. Es erinnert ein wenig an die Grippe, die uns ja auch regelmäßig heimsucht. Ich hoffe, dass wir uns bald genauso effektiv durch eine Schutzimpfung gegen Coronaviren wappnen können, wie wir es schon jetzt gegen die Influenzaviren tun. Nur wird diese Möglichkeit der Grippeschutzimpfung auch heute noch viel zu wenig genutzt. Aber vielleicht ändert sich das durch das Coronavirus.

Unter www.barmer.de/p014732 informieren wir umfassend und aktuell über das Coronavirus.