Sektorenübergreifende Versorgung
STANDORTinfo für Mecklenburg-Vorpommern

Es wächst zusammen, was zusammengehört - sektorenübergreifende Planung und Versorgung umsetzen

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Aus: Gesundheitspolitische Positionen der Barmer Mecklenburg-Vorpommern zur Landtagswahl 2021

Das Zitat von Willy Brandt kann auch auf die Gesundheitsversorgung übertragen werden. Ein wachsender Bereich medizinischer Leistungen kann sowohl in der Vertragsarztpraxis als auch im Krankenhaus erbracht werden. Das Nebeneinander von Bedarfsplanungs-Regelungen für ambulante und stationäre Leistungen schafft jedoch Fehlanreize. Der Bedarf an Leistungen an der Schnittstelle zwischen allgemeiner fachärztlicher ambulanter Versorgung sowie der Grund- und Regelversorgung muss deshalb gemeinsam und sektorenübergreifend geplant werden. Dringend notwendig ist daher die Verzahnung der unterschiedlichen Versorgungsbereiche von ambulant und stationär in einer gemeinsamen Versorgungsplanung und einem einheitlichen Vergütungssystem. Durch den Systemwechsel kann eine Ausrichtung am tatsächlichen Bedarf von medizinischen Leistungen ermöglicht werden, statt einer Orientierung an bestehenden Kapazitäten von Arztsitzen und Krankenhausbetten. Das schont Ressourcen und macht medizinische Versorgung dort möglich, wo sie gebraucht wird.

Für das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erwartet das Gutachten von hcb einen Rückgang der stationären Fallzahlen bis 2030. Insbesondere die Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie die Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde sind von einem starken Fallzahlrückgang betroffen. Um auch in strukturschwachen und ländlichen Regionen ein stationäres Versorgungsangebot zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber Sicherstellungszuschläge eingeführt.

60 Prozent der Krankenhäuser mit Sicherstellungszuschlägen

Aufgrund der im bundesweiten Vergleich geringen Standortdichte - deutschlandweit die geringste Krankenhausdichte bezogen auf die Fläche - sowie vieler kleiner Standorte in Mecklenburg-Vorpommern, spielen Sicherstellungszuschläge für die Krankenhäuser im Land eine große Rolle. Krankenhäuser, die für die regionale Grundversorgung der Bevölkerung notwendig sind, die aber aufgrund geringer Fallzahlen ihre relevanten Fachabteilungen nicht kostendeckend finanzieren können, werden mit Sicherstellungszuschlägen finanziell unterstützt. 60 Prozent aller Krankenhäuser im Land erhalten einen Sicherstellungszuschlag für den „ländlichen Raum“, was im Bundesvergleich überdurchschnittlich hoch ist. Damit wird im Nordosten eine bedarfsnotwendige Grundversorgung ermöglicht. 

Notwendig ist eine Konzentration von Leistungen an bestimmten Krankenhaustandorten sowie eine Arbeitsteilung zwischen den Krankenhäusern. Insbesondere die Behandlung von seltenen und schweren Erkrankungen sowie die Durchführung von komplexen Eingriffen sollte nur an ausgewählten Standorten mit entsprechender Spezialisierung erfolgen. Leistungen der Grundversorgung können beispielsweise in integrierten Gesundheitszentren erbracht werden, wie im hcb-Gutachten vorgeschlagen wird. Kleine Grundversorger können in integrierten Gesundheitszentrum aufgehen und zum Prototyp sektorenübergreifender Versorgung werden. Damit finden kleine Grundversorger eine neue Rolle in der Versorgung: Die Basisversorgung findet in den integrierten Gesundheitszentren und in den größeren Regionalversorgern statt. Die Spezialversorgung kann entweder, je nach Schwerpunktsetzung, in den Regionalversorgern oder in den Hochleistungsstandorten in Greifswald, Rostock, Neubrandenburg und Schwerin stattfinden.

Cluster als Zukunftsmodell der integrierten Versorgung

Der zukünftigen Krankenhausplanung sollte ein Konzept mit gestuften Versorgungsstrukturen aus Regel-, Grund- und Maximalversorgern zugrunde liegen. Dafür werden die Leistungen auf Bundesebene den einzelnen Versorgungsstufen zugeordnet. Die Vorgaben würden dabei durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unter Berücksichtigung leistungsbezogener Mindestanforderungen an Strukturen und Prozesse konkretisiert. Das Land Mecklenburg-Vorpommern legt anschließend einzelne Regionen fest und bestimmt auf Grundlage des Versorgungsbedarfs und der Vorgaben des Bundes die dortigen Krankenhausstandorte.
Die im hcb-Gutachten vorgeschlagene Clusterung und die damit verbundene Aufgabenzuteilung ist sinnvoll umzusetzen. Dasselbe gilt für die Empfehlung aus dem Gutachten, wo immer möglich, gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse anzustreben oder zumindest trägerübergreifende Kooperationen zu suchen. Wie im Abschlussbericht der Enquete-Kommission beschrieben, sollen in einer Cluster-Struktur Akteure aller Bereiche der medizinischen Versorgung zusammenwirken.

Die Versorgungsangebote werden aufeinander abgestimmt und regional koordiniert. Es ist sinnvoll, die im Abschlussbericht der Enquete-Kommission geforderte Bereitstellung und Vergabe von Investitionsfördermitteln an den Clustern zu orientieren. Die Festschreibung in der Krankenhausplanung des Landes ist nur folgerichtig. Damit wird die rechtliche Grundlage für die Krankenhausversorgung im Rahmen zukünftiger Versorgungscluster geschaffen.

Handlungsbedarf bei Investitionskosten

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser. Die notwendigen Investitionen werden dabei in Relation zu den Betriebskosten gesetzt. 1991 flossen zum Beispiel bundesweit 3,6 Milliarden Euro öffentliche Fördermittel. Bei einem damaligen Gesamtumsatz der Krankenhäuser von rund 36 Milliarden Euro entsprachen sie 10 Prozent des Umsatzes. Dieser Wert sank bundesweit weitgehend kontinuierlich bis zuletzt auf 3,4 Prozent im Jahr 2018. Im hcb-Gutachten heißt es dazu (S. 37):

Dem Investitionsbedarf der Krankenhäuser kommen die Länder nicht mehr in ausreichendem Maße nach, was auf Dauer die Unternehmenssubstanz gefährden kann.

In Mecklenburg-Vorpommern lag der Anteil der Fördermittel aus dem Krankenhausgesetz am Umsatz bei niedrigen 2,8 Prozent im Jahr 2018. Laut dem hcb-Gutachten der nötige Investitionsbedarf für ein Krankenhaus mindestens bei 7 Prozent vom Umsatz liegen sollte, um das bestehende Sachanlagevermögen langfristig erhalten zu können. Bei einem Zielwert von 7,5 Prozent, wären für Mecklenburg-Vorpommern jährliche Fördermittel in Höhe von etwa 135 Mio. Euro notwendig. Derzeit beträgt das Volumen im Haushalt etwa 50 Mio. Euro (2018). Hier besteht dringender Handlungsbedarf.