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Magensäureblockerwelle rollt zurück – Die Zahl der Verordnungen in Hessen bleibt dennoch zu hoch

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Frankfurt, 25. Juni 2021 – Bei der Verordnung von Magensäureblockern ist in Hessen nach massiven Anstiegen über viele Jahre hinweg eine Trendwende erreicht. Die Menge der verordneten Präparate, die vor allem gegen Sodbrennen, Magenentzündungen und Magengeschwüre helfen sollen, bleibt aber immer noch heikel. Auswertungen der Barmer haben ergeben, dass Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2019 rund 943.000 Hessinnen und Hessen mindestens einmal sogenannte Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) verschrieben haben. Das sind rund 109.000 Betroffene (10 Prozent) weniger als noch im Jahr 2016, aber immer noch fast 79 Prozent mehr als im Jahr 2006, als in Hessen nur 527.000 Menschen Magensäureblocker verschrieben wurde. Mit dieser Zunahme von 79 Prozent zwischen 2006 und 2019 belegt Hessen im bundesweiten Vergleich den zweiten Platz nach Bremen (84 Prozent) bei den höchsten Anstiegsraten der PPI-Verordnungen. Zwischen 2006 und 2016 hatte sich die Zahl der Verordnungen in Hessen sogar verdoppelt. „Es ist ein gutes Zeichen, dass den Menschen in Hessen nicht mehr so viele Magensäureblocker verschrieben werden. Die langjährige Debatte um den therapeutischen Nutzen und die Nebenwirkungen von Protonenpumpen-Inhibitoren scheint endlich Wirkung zu zeigen,“ sagt Martin Till, Landeschef der Barmer in Hessen. Die Zahl der Verordnungen sei aber immer noch unverhältnismäßig hoch. Die hohen Verordnungsraten seien aus Sicht der Barmer rein medizinisch oder demografisch nicht erklärbar und bergen erhebliche Gesundheitsrisiken.

Entgegengesetzter Trend bei Kindern und Jugendlichen

Während die Verordnungen allgemein rückläufig sind, stellt die Barmer bei Kindern und Jugendlichen einen entgegengesetzten Trend fest. Demnach ist die Anzahl der Verordnungen in der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen zwischen den Jahren 2006 und 2019 bundesweit um 173 Prozent gestiegen. Damit bekamen, hochgerechnet für Deutschland, im vorvergangenen Jahr rund 42.500 Kinder und Jugendliche Magensäureblocker verordnet. Auch unter den 15- bis 19-Jährigen stieg der Anteil um 165 Prozent. „Ein Grund können psychische und physische Belastungssituationen sein, die buchstäblich auf den Magen schlagen“, vermutet Martin Till. Die Zahl der Verordnungen in dieser Altersgruppe sei dennoch viel zu hoch. Hessische Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte verordneten Magensäureblocker jedoch überwiegend einmalig. Dies zeigt eine Auswertung der Abrechnungsdaten von 196 hessischen Medizinerinnen und Medizinern. Den jungen Betroffenen im Alter bis 18 Jahre wurde in den Jahren 2019 und 2020 in mehr als 50 Prozent der Fälle nur einmalig verordnet. „Das spricht für eine kurzfristige Einnahme und damit gegen die potentiellen Nebenwirkungen einer Langzeiteinnahme“, erklärt Martin Till. Nur bei etwa 10 Prozent der Verordnungen wurde den betroffenen jungen Menschen ein PPI-Präparat vier Mal oder häufiger über einen längeren Zeitraum verschrieben.

Weniger Verordnungen aber höhere Dosierungen

In Hessen wurden im Jahr 2016 rund 292.481.000 empfohlene Tagesdosen von PPI-Präparaten verordnet - diese Zahl sank bis 2019 um 9 Prozent. Dieser Rückgang fällt etwas geringer aus, als auf Bundesebene (9,6 Prozent). Zwischen den Jahren 2006 und 2016 hatte sich die Zahl der verordneten Tagesdosen in Hessen zunächst fast verdreifacht. Frauen erhalten im Durchschnitt etwas häufiger PPI. Rund 55 Prozent der Menschen, die 2019 eine Verordnung erhielten, waren weiblich. Die Menge der im Schnitt pro Kopf benötigten Tagesdosen stieg hingegen zwischen 2016 und 2019 an. So erhielten Betroffene in Hessen im Jahr 2016 im Schnitt 278 Tagesdosen pro Person. Im Jahr 2019 lag dieser pro Kopf Bedarf bei 282 Tagesdosen. „Der leichte Anstieg bei gleichzeitig sinkender Zahl der Verordnungen zeigt, dass weniger Menschen betroffen sind, die Betroffenen aber höhere Dosierungen brauchen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Menschen mit langwierigen oder chronischen Erkrankungen handeln, die pro Rezept eine größere Menge an Magensäureblockern verordnet bekommen“, so Martin Till.

Ernsthafte Nebenwirkungen und hohes Abhängigkeitsrisiko

Magensäureblocker kommen häufig bei Bauchschmerzen, Blähungen und Übelkeit zum Einsatz. In vielen Fällen werden sie auch nach Operationen und gemeinsam mit Schmerzmitteln, die die Magenschleimhaut reizen, verschrieben. Zu den Nebenwirkungen der PPI zählen ein erhöhtes Osteoporose-Risiko, Nierenerkrankungen, Magnesiummangel und eine höhere Anfälligkeit für Darminfektionen. Wenn sich der Organismus an die Magensäureblocker gewöhnt hat, kann es außerdem zur Abhängigkeit kommen. Denn das Absetzen des Präparat kann Überproduktion von Magensäure auslösen. Die Patientinnen und Patienten bekommen wieder Magenschmerzen oder Sodbrennen und greifen erneut zu dem Medikament.

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