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Schlaflos in Hamburg: Immer mehr Beschäftigte von Schlafstörungen betroffen

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Hamburg, 16. Oktober 2019 – Gesunder Schlaf fördert die Gesundheit, das Leistungsvermögen und die Produktivität am Arbeitsplatz. Allerdings treten immer weniger Menschen ihren Arbeitstag ausgeschlafen an. So kommt der Barmer-Gesundheitsreport 2019 zu dem Ergebnis, dass 41 von 1.000 Beschäftigten nicht richtig ausgeschlafen sind. In Hamburg leiden mehr als 51.000 Beschäftigte, rund vier Prozent, unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Dabei dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen, wie eine repräsentative Befragung der Bevölkerung zur Schlafgesundheit aus dem letzten Jahr vermuten lässt. Hier geben rund 35 Prozent der Hamburger zwischen 15 und 74 Jahren an, nicht ausreichend lange zu schlafen und über 30 Prozent haben das Gefühl, unter einer Schlagstörung zu leiden.

36 Tage länger krank

„Anhaltender Schlafmangel macht krank oder verlangsamt das Gesundwerden“, stellt Frank Liedtke, Landesgeschäftsführer der Barmer in Hamburg, fest. Laut Report waren im Vergleich zu ihren ausgeschlafenen Kollegen die „Schlafmangel-Geplagten“ durchschnittlich 56 Tage im Jahr arbeitsunfähig und damit 36 Fehltage pro Jahr mehr krankgeschrieben. Die Kombination von Schlafstörung und psychischer Grunderkrankung führt zu einer signifikanten Erhöhung der Fehltage.

„Wer nicht ausgeruht ist, kann sich schlechter konzentrieren. In der Folge erhöht sich die Fehlerquote im Arbeitsalltag. Im schlimmsten Fall sind unausgeschlafene Beschäftigte sogar ein Sicherheitsrisiko, etwa dann, wenn sie einen Pkw oder Lkw fahren“, mahnt Frank Liedtke. Er fordert mehr Prävention von Schlafstörungen in Schule und Beruf sowie eine höhere Behandlungskompetenz bei Ärzten, Therapeuten und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe.

Besorgniserregender Trend

Erhielten im Jahr 2006 noch 24 von 1.000 Beschäftigte in Hamburg die Diagnose Ein- und Durchschlafstörung, stieg die Anzahl der betroffenen im Jahr 2017 auf 41 – ein Anstieg von knapp 75 Prozent. „Die aktuelle Entwicklung betrachten wir mit Sorge. Sind doch die Auswirkungen von Schlafstörungen auf die Gesundheit und das Leistungsvermögen von Beschäftigten bislang drastisch unterschätzt worden“, sagt Liedtke. Denn stellt man die Befragungsergebnisse der Erhebung „Schlafgesundheit in Deutschland“ und die im Barmer Gesundheitsreport 2019 analysierten Diagnosezahlen gegenüber, wird sichtbar, dass weniger als die Hälfte der Betroffenen mit subjektiv empfundenen Schlafstörungen zum Arzt gehen. Unter den Betroffenen finden sich mehr Frauen als Männer. Die Diagnosehäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter – dies bei Frauen allerdings nur bis zum Alter von 54 Jahren, während die Kennwerte bei Männern bis zur höchsten untersuchten Altersgruppe stetig ansteigen.

Schlafstörungen sind eng mit psychischen Erkrankungen verbunden

Häufige Symptome von Schlafstörungen sind Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung, vermehrte Reizbarkeit oder Konzentrationsstörungen aber auch depressive Verstimmungen. Seelische Leiden drücken sich wiederum häufig in Schlafstörungen aus. So wurde bei rund 53 Prozent der Betroffenen eine anhaltende, krankhaft veränderte negative Grundstimmung (affektive Störung) diagnostiziert. Immerhin 26 Prozent der von Schlafstörungen Betroffenen hatten zusätzlich eine psychische Erkrankungsdiagnose, die dazu führt, dass der Genesungsprozess deutlich länger ausfällt. Erwerbstätige mit Depressionen waren 6,1-mal häufiger arbeitsunfähig gemeldet als Personen ohne Schlafstörungen.

Andauernder Schlafmangel macht krank

Auch die Funktion des Immunsystems kann durch Schlafstörungen beeinträchtigt sein. So nimmt zum Beispiel im Winter die Infektanfälligkeit durch Schlafstörungen zu. Erste wissenschaftliche Daten sprechen auch dafür, dass bei sehr langfristig bestehenden schweren Schlafstörungen möglicherweise das Krebsrisiko ansteigt. Längerfristig bestehende Schlafstörungen jeglicher Art erhöhen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, es steigt zum Beispiel der Blutdruck, es nehmen Herzrhythmusstörungen zu, insbesondere das Risiko von Schlaganfällen steigt an. Auch der Stoffwechsel des Organismus wird durch quantitative und/oder qualitative Schlafstörungen beeinträchtigt. Vor allem der Kohlenhydratstoffwechsel ändert sich durch eine zunehmende Insulinresistenz, damit steigt das Risiko für einen Diabetes bzw. ein sogenanntes metabolisches Syndrom.

Schlafkiller Schichtarbeit – ein Leben gegen den Rhythmus

Beschäftigte im Schichtdienst leben oft entgegen einem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus. Sie arbeiten, wenn der Körper normalerweise schläft, und (sollen) schlafen, wenn er eigentlich auf Aktivität eingestellt ist. Auch ist ihr Schlaf am Tag im Schnitt um zwei Stunden kürzer als der normale Nachtschlaf. Das führt oft zu massiven Ein- und Durchschlafstörungen.

Das mit Abstand größte Risiko, an Schlafstörungen zu erkranken, haben unter den Beschäftigten Bus- und Straßenbahnfahrer, gefolgt von Maschinen- und Anlagenführern. Auch Beschäftigungen im Objekt-, Werte- und Personenschutz sowie Tätigkeiten in Callcentern bergen nach Analysen des Barmer-Reports ein großes Risiko für diese Störungen. In den genannten Berufen kommt Schicht- und Nachtarbeit vergleichsweise häufig vor. Hier finden sich oft überdurchschnittlich viele erkrankungsbedingte Fehlzeiten je Jahr.

„Die Arbeitszeiten in bestimmten Berufsfeldern werden stark von den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher und Nutzer bestimmt. Nacht- und Schichtarbeit wird es zukünftig wohl häufiger und in noch mehr Berufsbranchen geben. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit zu fördern“, erläutert Liedtke.

Auf der Suche nach erholsamen Schlaf

Um den Schlaf und damit die wichtige Erholung für den Arbeitsalltag zu verbessern, bedarf es präventiver Maßnahmen durch Arbeitgeber, Selbstdisziplin von Beschäftigten, aber auch rechtzeitiger medizinischer Diagnosen und Therapien.

Dr. med. Johannes Wiedemann, Facharzt für Innere Medizin/Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin beschreibt die Situation so: „Das grundsätzliche Problem liegt darin, dass wir unseren Körper nicht überlisten und unseren Biorhythmus nicht komplett umstellen können. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten bei der Dienstplangestaltung, Beachtung bestimmter Schlafenszeiten am Tage und auch Optimierung der Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz Schlafstörungen in Folge von Schichtarbeit vorzubeugen.“

Fakten

  • In Hamburg leiden aktuell mehr als 41 von 1.000 Beschäftigte unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Nur in Rheinland-Pfalz und dem Saarland (42), Bremen und in Berlin (44) leiden mehr Menschen an Schlafstörungen
  • Im Jahr 2006 bekamen in Hamburg noch 24 von 1.000 Erwerbspersonen diese Diagnose, im Jahr 2017 waren es bereits über 41. Das entspricht einem Anstieg von 75 Prozent innerhalb von elf Jahren. Tatsächlich dürfte die Dunkelziffer noch deutlich höher sein, denn Umfragen zufolge geht nicht einmal jeder Zweite zum Arzt, wenn er nicht richtig schlafen kann.
  • Für wirtschaftliche Erfolge sind ausgeschlafene Mitarbeiter die Voraussetzung. Schätzungen gehen von einem Produktivitätsausfall für die deutsche Wirtschaft durch Schlafstörungen infolge Absentismus und Präsentismus am Arbeitsplatz von bis zu 1,6 Prozent des Bruttosozialproduktes aus. Internationale Studien lassen eine doppelt so hohe Rate an Arbeitsunfähigkeiten bei Mitarbeitern mit Schlafstörungen im Vergleich zu ihren ausgeschlafenen Kollegen vermuten. Nach der im Jahr 2016 veröffentlichen Rand-Studie, die für fünf OECD Staaten durchgeführt wurde, gehen der deutschen Wirtschaft jährlich ca. 60 Milliarden Euro durch Produktivitätsausfall und ca. 210.000 Fehltage am Arbeitsplatz infolge Schlafstörungen verloren.
  • Datengrundlage des Barmer Gesundheitsreportes 2019: Analyse der Abrechnungsdaten von 3,9 Millionen Erwerbspersonen, entspricht 11,4 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland (Hamburg: 80.753 Erwerbstätige entsprechen acht Prozent aller Beschäftigten in Hamburg).
  • Zum Spezialthema Schlafstörungen wurden Diagnosen von Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien: F51.0, F51.9, G47.0/G47.9) von mehreren Millionen Menschen über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren (2006-2017) betrachtet. Umfrage zur Schlafgesundheit in Deutschland: www.barmer.de/p009701

Ergebnisse des Gesundheitsreports Hamburg zu Arbeitsunfähigkeiten

  • In Hamburg haben 2018 weniger Menschen krankheitsbedingt bei der Arbeit gefehlt als im Bundesdurchschnitt. Dennoch stiegen die Fehlzeiten in Hamburg im Vergleich zum Vorjahr um 3,75 Prozent auf durchschnittlich 16,6 Fehltage. Die Hamburger fehlten damit rund 1,7 Tage weniger als der Durchschnitt aller Berufstätigen in Deutschland.
  • Eine Krankschreibung dauerte je Krankheitsfall in Hamburg durchschnittlich 14,3 Tage.
  • Der Krankenstand stieg in Hamburg von 4,38 Prozent im Jahr 2017 auf 4,53 Prozent im Jahr 2018.