Kommentar zum Koalitionsvertrag

Anspruchsvolle Ziele in der Gesundheitspolitik für Kiez und Metropole

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„Wir sind Großstadt, Hauptstadt und trotzdem auch immer Kiez.“ Diese Worte, mit denen Franziska Giffey am 29. November den Koalitionsvertrag der neuen rot-grün-roten Regierung vorstellte, sind auch ein Maßstab für die Berliner Gesundheitspolitik. Schließlich soll Berlin internationale Spitze bei Forschung und Medizin sein. Andererseits geht es auch immer um einen gleichen Zugang aller Berlinerinnen und Berliner zu einer gesundheitlichen Versorgung auf hohem Qualitätsniveau, mit einer entsprechenden personellen Ausstattung und ohne Grenzen zwischen den Sektoren. Mitten im Wahlkampf hatten Berliner Krankenhäuser den Grünen noch vorgeworfen, die Bedeutung der Medizin für Berlin seit Jahren zu unterschätzen. In der Pandemie hätten die Grünen eher über „fleischlose Krankenhauskost“ gesprochen als über die Pflegenot, regte sich ein Klinikvertreter im Tagesspiegel auf. Die letztlich getroffene Wahl der Ressorts, Wissenschaft mit Gesundheit, Finanzen und Klimaschutz, lässt nun allerdings die Hoffnung zu, dass diese Themen künftig aus einer Perspektive zugunsten der Gesundheit und gesundheitlichen Versorgung in der Metropolregion Berlin/Brandenburg gestaltet werden.

Viele präzise formulierte Vorhaben im Bereich Gesundheit und Pflege

Im Koalitionsvertrag nehmen die längst überfällige Krankenhausinvestitionsfinanzierung, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege, insbesondere die Beschleunigung des viel zu langen Anerkennungsverfahrens durch Organisationsveränderungen im Landeamt für Gesundheit und Soziales, die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die gesamtgesllschaftliche Aufgabe Prävention erfreulicherweise verhältnismäßig viel Raum ein. Um all diese Vorhaben nachhaltig finanzieren zu können, ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Finanzressort unabdingbar. Wünschenswert wäre zudem, bei der Gestaltung von großen Wohnraumprojekten die angestrebten Konzepte aus dem Kapitel 5 mitzuführen. Ebenso sollte bei der geplanten Schulbauoffensive mit Blick auf Prävention und Gesundheitsförderung der Bau von Schulküchen aufgenommen werden, um allen Kindern die Bedeutung einer gesunden Ernährung für das gesamte Leben als Bestandteil von Gesundheitskompetenz bereits in der Schule zu vermitteln.

Die Klimakrise als Herausforderung für das Gesundheitswesen

Die Barmer hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein. Eine mit der Klimakrise einhergehende Gesundheitsgefährdung hat die neue Koalition im Blick. Durch den Klimawandel werden Hitze und extreme Wetterlagen zunehmen und somit auch gesundheitliche Belastungen. Die Koalition verspricht einen Hitzeaktionsplan und knüpft die Krankenhausinvestitionen an klimapolitische Ziele. Dieser Schritt ist sicher notwendig, denn der deutsche Gesundheitssektor trägt rund fünf Prozent zu den nationalen Treibhausgasemissionen bei. Um Fehlinvestitionen mit Blick auf eine notwendige Strukturreform zu vermeiden, muss der im Koalitionsvertrag formulierte Grundsatz ambulant vor stationär konsequent mitgeführt werden.

Hoffen auf neuen Politikstil

Die Probleme bei der Gesundheitsversorgung in Berlin, sei es im Kiez oder im internationalen Wettbewerb, sind bei den Koalitionären angekommen. Das wird bei der Lektüre des Koalitionsvertrages deutlich. Die Vorhaben sind formuliert. Nun dürfen wir gespannt warten, wie die Umsetzung erfolgen wird. Wünschenswert ist, wenn mit der neuen Leitung auch wieder ein Politikstil einziehen würde, der mehr auf Kooperation und Einbeziehung auch der Kostenträger setzt und nicht ausschließlich auf „eine gute Zusammenarbeit mit allen Krankenhausträgern und Leistungserbringern im Gesundheitswesen“. Denn in kaum einem anderen Politikfeld kommt es so sehr auf das gute Miteinander der unterschiedlichen Akteure an.