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Black-Box Pflege-WG – Neue Wohnformen noch intransparent und kaum geprüft

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München, 20. Februar 2020 – Der Wunsch im Alter lange eigenständig zu leben, lässt viele nach Alternativen zum Pflegeheim suchen. Es gibt immer häufiger betreutes Wohnen oder Wohngemeinschaften (WG). Etwa jede dritte dieser Anlagen ist in den letzten zehn Jahren entstanden. Aktuell existieren bundesweit laut Barmer Pflegereport bis zu 8.000 betreute Wohnanlagen und 4.000 Pflege-Wohngemeinschaften. In Bayern leben derzeit rund 3.000 Menschen in 403 ambulant betreuten Wohngemeinschaften, bundesweit sind es etwa 150.000 Menschen in betreutem Wohnen und über 30.000 in Pflege-WGs. "Diese neuen Wohnformen erscheinen für Bewohner finanziell attraktiv, allerdings bieten sie in der Qualität der Pflege nicht immer, was sie versprechen. Zum Schutz der Bewohner sollte mehr Transparenz über die Qualität hergestellt werden", fordert Professor Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern.

Trotz Mehrausgaben kein Plus an Pflegequalität

Von den über 419.000 bayerischen Pflegebedürftigen wurden 2017 etwa drei Viertel zu Hause betreut. Wer sich für eine Wohngemeinschaft oder betreutes Wohnen entscheidet, sucht vor allem mehr Lebensqualität im Vergleich zu einem Heim, erwartet aber auch eine entsprechende qualitative Betreuung. Der aktuelle Barmer Pflegereport zeigt etwas Anderes: Pflege-Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen würden ambulante Pflegeleistungen mit Elementen der stationären Pflege und der gesetzlichen Krankenversicherung kombinieren können. Somit würden sie im Vergleich zur stationären Pflegeeinrichtung mehr Kosten für die Pflege- und Krankenkasse verursachen. Laut Report spiegele sich das aber nicht in der Qualität wider. Während bundesweit 86,6 Prozent der Pflegeheimbewohner monatlich Kontakt zum Hausarzt hätten, sei das in den neuen Wohnformen nur bei rund 80 Prozent der Fall. Auch sei Wundliegen (Dekubitus) zu 66 Prozent wahrscheinlicher. 3,6 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner des betreuten Wohnens müssen wegen Erkrankungen ins Krankenhaus, die sich eigentlich ambulant sehr gut behandeln ließen. In Pflegeheimen beträfe es nur 2,4 Prozent. "Es ist wichtig, darauf zu achten, dass die Qualität der Pflege in den neuen Wohnformen gewährleistet ist", sagt Wöhler. In Bayern sei festgelegt, dass Pflege-WGs und Servicewohnen gemeldet werden müssen. Eine ordnungsrechtliche Prüfung wie im Pflegeheim würde nicht vorausgesetzt. Auch fehlten für Pflege-Wohngemeinschaften Vorgaben zu Baubestimmungen und eine Personal- bzw. eine Fachkraftquote. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass stationäre Pflegeeinrichtungen nach festen Kriterien regelmäßig geprüft werden, während Pflege-WGs und Servicewohnungen ohne Qualitätsvorgaben, -prüfungen, Baubestimmungenen und Personal- und Fachkraftquoten ihre Leistungen anbieten und in Rechnung stellen können". Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen sich darauf verlassen können, dass eine hochwertige Pflege gewährleistet ist.

Ein selbstbestimmtes Leben darf kein Risiko für Pflegebedürftige sein

Johanna Sell, stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin des Bereiches Pflege des MDK Bayern, ergänzt: "Der MDK Bayern wird zunehmend auch mit Beschwerden von Angehörigen oder Pflegepersonen konfrontiert, die sich über die Versorgung in Pflege-WGs beklagen. Im Sinne der Versicherten und ihrer Zugehörigen gilt es auch in diesem sensiblen Bereich, Anbieter zu identifizieren und sichtbar zu machen, die keine adäquate Versorgung anbieten, und solche hinsichtlich ihrer Qualität zu beraten, die den Gedanken einer Wohngemeinschaft im Sinne der Selbstbestimmung und Teilhabe leben". Anders als für stationäre Pflegeeinrichtungen oder ambulante Pflegedienste schreiben die aktuellen gesetzlichen Regelungen jedoch keine Qualitätsprüfungen für Pflege-WGs vor. "Pflegemängel in Pflege-WGs werden eher zufällig im Rahmen von Pflegebegutachtungen oder auch bei der Überprüfung von ambulanten Diensten aufgedeckt. Hier muss der Gesetzgeber dringend nacharbeiten. Neben spezifischen Qualitätsvorgaben braucht es auch eine Rechtsgrundlage für Qualitätsprüfungen. Der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben und Wohnen im Alter darf nicht zu einem Risiko für die Pflegebedürftigen werden", so Sell.

Selbstständigkeit erhalten – Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

"Älteren und pflegebedürftigen Menschen so lange wie möglich ein Leben in der gewohnten und vertrauten Umgebung zu ermöglichen, ist unverändert von hoher gesellschaftlicher Bedeutung", sagt Wöhler. Um den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu fördern, gewährt die Pflegeversicherung Zuschüsse zum Umbau der Wohnung, beispielsweise für den Einbau von Duschen, Treppenliften, Handläufen, Haltegriffen oder WC-Umbauten. Diese und weitere Anpassungen der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse des pflegebedürftigen Menschen oder auch der Umzug in eine bedarfsgerechte Wohnung, unterstützen ein selbstbestimmtes Leben trotz Pflegebedürftigkeit.

• Wohnraumanpassung: www.barmer.de/s050058

• Entlastungsbetrag zur Unterstützung im Alltag: www.barmer.de/s050056

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