STANDORTinfo für Baden-Württemberg

Barmer entwickelt Wertesystem zur digitalen Ethik

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Die digitale Ethik beschäftigt sich mit den moralischen Fragen des digitalen Wandels. Durch die Digitalisierung verändert sich unsere Welt rasant. Neue Technologien brauchen oft nur wenige Jahre, um sich durchzusetzen.

"Für das Gesundheitssystem ergeben sich dadurch viele Chancen, um die Versorgung der Menschen zu verbessern. Ein Beispiel ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Diagnostik", sagt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg. Schon heute können algorithmische Systeme einige Krebsarten erkennen. Wenn sich durch eine frühere und zuverlässigere Diagnostik die Heilungschance verbessert, dann möchte wohl jeder davon profitieren.

Doch wie der Name es verrät: Die Künstliche Intelligenz ist nicht von sich aus intelligent. Sie lernt mithilfe von Daten. Von unseren Daten. Deshalb tun sich mit diesem lebensrettenden Fortschritt auch Fragen auf: Soll ich meine Daten für Forschungszwecke spenden? Sind meine Daten ausreichend geschützt? Oder wird es in Zukunft vielleicht eine Künstliche Intelligenz geben, welche die heutigen Schutzmechanismen aufheben kann?

Plötze: "Daten können Leben retten. Für eine solidarische Forschung werden die Daten von Patienten benötigt, auch wenn sie vielleicht nicht direkt davon profitieren. Das Solidaritätsprinzip ist die Basis der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb werden wir unsere Kunden über die Datenspende aufklären und versuchen, Ängste zu nehmen."

Verantwortungsvoller Treiber im Gesundheitswesen

Auf der einen Seite treibt die Barmer den Fortschritt mit voran, auf der anderen Seite müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Was ist technologisch machbar, was ist wirtschaftlich notwendig und was ist moralisch vertretbar? "Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wir versuchen, die klassische Managementsicht um ethische Abwägungen zu ergänzen", sagt Plötze. Deshalb hat die Barmer ein Wertesystem entwickelt, das dabei hilft, die Balance zu halten und Orientierung bei Fragen der digitalen Ethik gibt. 

Unser Wertesystem

Mit unseren acht digitalen Werten und den daraus abgeleiteten Fragen und Antworten zur digitalen Ethik wollen wir Stellung beziehen, uns selbst verpflichten und deutlich machen, wofür wir stehen. In die Werte sind sowohl unsere Erfahrungen als auch der Stand der Wissenschaft eingeflossen. Unsere digitalen Werte sind:

  1. souverän/selbstbestimmt: Der digital mündige Patient und Versicherte ist das Ziel. Unsere Versicherten sollen informierte Entscheidungen treffen können, ob und welchen Weg sie in die digitale Welt nehmen möchten. Sie entscheiden über die (Nicht-)Nutzung digitaler Angebote und über ihr Recht auf Geheimnis oder Unwissenheit.
  2. solidarisch/kooperativ: Daten können Leben retten. Deshalb unterstützen wir die KI-basierte Forschung zum Wohle aller jenseits von staatlicher oder kommerzieller Einflussnahme.
  3. wirtschaftlich/fokussiert: Wir gehen verantwortungsvoll mit den Beitragsgeldern um, indem wir unnötige Ausgaben auch mithilfe digitaler Prozesse vermeiden und dafür eintreten, dass E-Health und Gesundheit insgesamt wirksam, bezahlbar und effizient sind.
  4. verantwortlich/verlässlich: Wir trauen digitalen Gesundheitsanwendungen zu, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das heißt aber nicht, dass wir ihnen bedingungslos vertrauen. Wir fordern zuverlässige, objektive Algorithmen, verantwortungsvolle Zertifizierungen und angemessene Kontrollen.
  5. nutzenstiftend/unterstützend: Der Nutzen digitaler Hilfsmittel und Technologien darf nicht nur technisch überprüft werden. Er muss tatsächlich in der realen Welt detailliert erforscht werden. Wir erwarten eine klare Evidenz zum Nutzen digitaler Versorgungsangebote und erleichtern unseren Versicherten den Alltag mittels digitaler Anträge und Bescheinigungen.
  6. sicher/geschützt: Wir setzen uns für eine sichere digitale Gesundheitswelt ein, in der alles dafür getan wird, dass die eingesetzten Technologien nicht schaden und Fehler zum Lernen verpflichten. Darüber hinaus schützen wir unsere Versicherten, indem wir ihnen das Recht lassen, über Preisgabe und Verwendung der eigenen Gesundheitsdaten zu bestimmen. Außerdem zeigen wir transparent auf, welche Daten wofür genutzt werden. 
  7. transparent/aufklärend: Wir legen offen, wie wir Entscheidungen treffen und wir investieren in das Verständnis für digitale Produkte. Wir zeigen mögliche positive als auch negative gesundheitliche Folgen der Digitalisierung auf.
  8. menschenorientiert/patientenzentriert: Die Technik soll sich dem Menschen unterordnen, sich an seinen Bedürfnissen orientieren und nicht umgekehrt. Deshalb stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt digitaler Gesundheitstechnologien. Das gilt für Patientinnen und Patienten ebenso wie für die Gesundheitsberufe und die Beschäftigten der Barmer.