Martin Gross, Landesbezirksleiter ver.di
STANDORTinfo für Baden-Württemberg

Gastkommentar zur Rettungsdienstreform: Nicht aneinander vorbei planen

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Von Martin Gross, ver.di-Landesbezirksleiter

Die vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt das Vorhaben, den Rettungsdienst in Baden-Württemberg qualitativ zu verbessern. Ein Reformkonzept für den Rettungsdienst allein ist aber wenig zielführend. Hier muss die Vernetzung und Konzeption im Rahmen einer ganzheitlichen Notfallversorgung in den Blick genommen werden.

Die derzeit diskutierte neue Leitstellenstruktur und die Trennung von Notfallrettung und Krankentransporten können den Rettungsdienst optimieren. Zudem braucht er einheitliche Standards, die von allen Trägern und Anbietern einzuhalten sind. Der Rettungsdienst darf auch nicht den Mechanismen der freien Marktwirtschaft ausgesetzt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Qualität und Attraktivität des Rettungsdienstes unter Konkurrenz und Billigpreisen leiden.

Bei einer Strukturveränderung dürfen wir die im Rettungsdienst tätigen Menschen nicht vergessen. Wir müssen uns fragen, welche Qualifikation das zukünftige Personal braucht. Und wir benötigen ein einheitliches Konzept für die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Rettungsdienst. Wir müssen uns fragen, wie wir attraktive Arbeitsbedingungen schaffen können, damit die Mitarbeiter im Rettungswesen ihren Beruf bis zur Rente ausüben können. Der aktuelle Personalmangel hat bisher keinen Eingang in die aktuelle politische Debatte gefunden. Das zeigt auch die Ausbildung zum Notfallsanitäter, die noch immer nicht in die Alltagspraxis der Notfallrettung integriert ist. In der Ausbildung werden Kompetenzen vermittelt, die Leben retten könnten – aber leider nur in der Theorie. Denn in der Praxis dürfen sie nicht angewendet werden, das verbietet das Gesetz. Bei der Klärung dieses Widerspruchs lässt sich das baden-württembergische Innenministerium viel Zeit, und so bewegen sich die Notfallsanitäter bei ihrer Berufsausübung in einer rechtlichen Grauzone.

Eine ganzheitliche Notfallversorgung endet nicht beim Einsatz des Rettungsdienstes, sie schließt die Versorgung durch Notärzte und das Vorhandensein von Klinikambulanzen ein. Deshalb müssen die Anzahl und die Ausstattung der Notaufnahmen gemeinsam mit der Reform des Rettungsdienstes geplant werden. Bisher aber werden die Debatten über die Schließung von Krankenhäusern und die Reform des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg getrennt voneinander geführt.

Das alles zeigt: Die zukünftige Notfallversorgung im Land muss die vorhandenen Ressourcen wie Personal, Rettungswachen, Leitstellen und Klinikambulanzen gemeinsam in den Fokus nehmen, anstatt auf den Reißbrettern der Ministerien neue Strukturen aneinander vorbei zu planen.