Gesetzgebung

Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz – KHPflEG)

Lesedauer unter 9 Minuten

Abgeschlossen und in Kraft getreten

Termine Gesetzgebung

- zustimmungsfrei - 
29.12.2022Inkrafttreten
16.12.20222. Durchgang Bundesrat
02.12.20222./3. Lesung Bundestag
09.11.2022Öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss
28.10.20221. Durchgang Bundesrat
19.10.20221. Lesung Bundestag
14.09.2022  Kabinettsbeschluss
 01.08.2022Referentenentwurf
08.07.2022Empfehlungen der Regierungskommission

Wesentliche Inhalte des Gesetzes

  • Einführung eines neuen Krankenhaus-Personalbemessungsinstruments: BMG kann in Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen Vorgaben zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfes und zur Festlegung der Personalbesetzung bestimmen
  • Zusätzliche Vergütung für die Pädiatrie in den Jahren 2023 und 2024 - Finanzierung mit jeweils 270 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds
  • Zusätzliche Vergütung der geburtshilflichen Versorgung in Krankenhäusern für 2023 und 2024 - Finanzierung aus Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds mit jeweils 108 Millionen Euro
  • Einführung einer tagesstationären Behandlung im Krankenhaus zum 01.01.2023
  • Spezielle sektorengleiche Vergütung für Leistungen des AOP-Katalogs zum 01.01.2023
  • Vorgaben zur besseren Interoperabilität der Praxis- und Krankenhaussysteme, Anpassungen zur Interoperabilität der Telematikinfrastruktur, Einführung einer Telematikinfrastruktur-Pauschale für Leistungserbringer
  • Fristen der Kassen zur Einführung weiterer Funktionen der elektronischen Patientenakte werden verlängert. Krankenkassen müssen Versicherten verpflichtend eine eGK und PIN für die Nutzung der ePA zusenden.

So positioniert sich die Barmer

Zur Einführung der PPR 2.0 wird das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, bis zum 30.11.2023 in einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorgaben zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfes und zur Festlegung der Personalbesetzung zu bestimmen. Diese sollen ab dem 01.01.2024 gestuft von den Krankenhäusern umgesetzt werden. Im Gesetz werden konkrete Vorgaben für die Verordnung formuliert etwa zur Anzahl der zu erfassenden Pflegekräfte und zum Qualifikationsmix. Außerdem soll die Verordnung Vorgaben beispielsweise zur täglichen Bestimmung des Pflegeaufwandes und der Dokumentation enthalten. Geregelt werden auch Sanktionen bei Nichterfüllung der Vorgaben durch die Häuser.
Um die Regelungen vorzubereiten und zu erproben, soll das Bundesministerium für Gesundheit eine fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtung oder einen Sachverständigen beauftragen.
PPR 2.0 wird nicht in Krankenhäusern angewendet, die bereits tarifvertragliche Regelungen mit konkreten Personalbemessungen (Entlastungstarifvertrag) vereinbart haben. Ausgenommen von den Vorgaben werden auch Pflegekräfte auf Intensivstationen.

Weiterhin sieht das Gesetz vor, die gesetzlich bereits seit 2021 bestehenden Fristen für die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in Krankenhäusern um ein Jahr zu verlängern. Diesbezügliche Vorarbeiten der Selbstverwaltung liegen dem Bundesministerium für Gesundheit bereits zur weiteren Entscheidung vor.

Position der Barmer
Eine Entlastung des Krankenhauspflegepersonals ist dringend notwendig. Ob die vorgesehenen Regelungen zur Einführung einer PPR 2.0 allerdings dazu beitragen können, ist fraglich. Die umfangreichen Erfassungs- und Dokumentationspflichten sorgen für mehr Bürokratie und belasten die Pflegekräfte zusätzlich.
Ungeklärt bleibt nicht nur die Frage nach der Finanzierung. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist zudem offen, wie die sich ergebenden Pflegebedarfe gedeckt werden können. Ebenso ist unklar, wie mit den für die Patientensicherheit notwendigen Pflegepersonaluntergrenzen weiterverfahren wird.
Wichtig ist, dass die gesetzlich bereits vorgesehene Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur Bemessung des Pflegepersonalbedarfs nicht aufgegeben wird. Das dazu bereits vorliegende Entwicklungskonzept sollte zügig auf den Weg gebracht werden.

Um die geburtshilfliche Versorgung durch Krankenhäuser zu fördern, werden zusätzliche finanzielle Mittel zu Verfügung gestellt. Entgegen ursprünglicher Planungen (wir berichteten in Berlin kompakt Nr. 13) sollen nun nicht mehr nur bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser von den zusätzlichen Mitteln profitieren. Stattdessen legen die Länder die zu fördernden Krankenhausstandorte fest und bestimmen die jeweilige Höhe der finanziellen Förderung. Es gibt keine bundeseinheitlich verbindlichen Kriterien, welche Einrichtungen gefördert werden sollen. Die im Gesetz genannten Förderkriterien wie die Bedarfsnotwendigkeit, der Anteil vaginaler Entbindungen oder die Anzahl der Geburten haben lediglich Empfehlungscharakter. Für die Maßnahme werden in den Jahren 2023 und 2024 jeweils 111 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden über den Königsteiner Schlüssel an die Bundesländer verteilt.

Position der Barmer 
Es ist gut, dass der Bund kurzfristig Mittel zur Verfügung stellt, um die schwierige Situation in der Geburtshilfe zu verbessern. Der vorgesehene Finanzierungsmechanismus über den Königsteiner Schlüssel führt zu einer Fehlallokation der finanziellen Mittel. Eine Verteilung der Gelder nur an ländliche Krankenhäuser, die als Sicherstellungskandidaten gelten, wäre zielführender gewesen. Mit Blick auf die Versorgungsqualität wäre eine Verbindlichkeit zur Anwendung und eine nähere Definition der Förderkriterien nötig. Im Ergebnis wird es nun 16 unterschiedliche Lösungsansätze zur Verteilung der Mittel geben.

Auf breite Kritik war auch die Regelung des Gesetzentwurfs gestoßen, den Verhandlungsstau bei den jährlich auf Ortsebene stattfindenden Budgetverhandlungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen aufzulösen (wir berichteten in Berlin kompakt Nr. 10). Vorgegeben waren enge Fristen und die automatische Anrufung der Schiedsstelle, wenn es zu keiner Einigung zwischen den Vertragsparteien kommt. Die Fristen für die Verhandlung der Budgets werden nun verlängert und damit entzerrt, um den Verhandlungsstau ohne übermäßige Beanspruchung der Schiedsstellen aufzulösen. Die neue Regelung sieht nunmehr vor, dass die rückständigen Vereinbarungen bis Ende 2025 geschlossen sein müssen. Ab dem Vereinbarungsjahr 2026 (und nicht mehr ab dem Jahr 2024) muss der Abschluss der Budgetverhandlungen bis zum 31.07. des Jahres erfolgen, für das die Vereinbarung gelten soll.

Position der Barmer
Die nun vorgesehenen Fristen sind weitaus besser als die noch im Kabinettsentwurf genannten Fristen geeignet, die Rückstände bei den Budgetvereinbarungen aufzuholen, ohne dabei ein nicht vertretbares Maß an Mehrbelastungen bei allen Beteiligten zu erzeugen.

Krankenhäusern ist es ab dem 01.01.2023 freigestellt, bisher vollstationär erbrachte somatische Leistungen als Tagesbehandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus durchzuführen. Mit dieser Neuregelung will der Gesetzgeber nicht nur eine kurzfristige Entlastung des Krankenhauspersonals bewirken, sondern auch Einsparungen für das Gesundheitswesen realisieren. Die medizinische Entscheidung, ob im Einzelfall eine tagesstationäre Behandlung angezeigt ist, liegt bei der behandelnden Ärztin oder dem Arzt, sie erfordert zudem die Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Die Haftung liegt beim Krankenhaus.

Eine tagesstationäre Behandlung ist pro Tag mit einem mindestens sechsstündigen Aufenthalt im Krankenhaus verbunden, bei dem überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlungen erbracht werden. Das Krankenhaus muss die Patienten darauf hinweisen, dass eventuell entstehende Fahrkosten nicht übernommen werden. Davon ausgenommen waren zunächst nur Rettungsfahrten zum Krankenhaus. Durch eine Änderung sind nun auch Transporte von mobilitätsbeeinträchtigten Patientinnen und Patienten von der Ausnahme umfasst.

Weil keine Übernachtungen anfallen, soll die Vergütung über die jeweiligen DRG für das Krankenhaus reduziert werden. Die Höhe des Abzugs wird auf maximal 30 Prozent der Entgelte für den Aufenthalt begrenzt. Bei der Einführung der neuen Behandlungsform wird den bereits im Sozialgesetzbuch geregelten ambulanten Behandlungsformen im Krankenhaus der Vorrang eingeräumt. Sie dürfen nicht als tagesstationäre Behandlungen erbracht werden.

Position der Barmer
Ob die neue Leistung einer tagesstationären Behandlung Versorgungsrealität wird, ist überaus fraglich. Mit der erhofften Entlastung des Pflegepersonals ist nicht zu rechnen.
An der Umsetzung der Reform des AOP-Katalogs sollte weiterhin festgehalten werden, um das ambulante Potenzial im Krankenhaus konsequent zu heben. Richtig ist, dass im Gesetz Kriterien für die Abgrenzung zu anderen Leistungsbereichen formuliert werden, besonders zu den Leistungen des AOP-Katalogs.

Mit einer speziellen, sektorengleichen Vergütung will der Gesetzgeber einen Anreiz für die ambulante Erbringung von Leistungen geben, die bisher „unnötig stationär“ erbracht werden. In Zukunft sollen demnach Leistungen, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können, durch Fallpauschalen vergütet werden, deren Höhe zwischen dem ambulanten (nach EBM) und dem stationären (nach DRG) Niveau liegt. Damit wird die im Koalitionsvertrag geforderte „Hybrid-DRG“ umgesetzt.
GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben den Auftrag, die neue Vergütung bis zum 31.03.2023 zu vereinbaren. Dies war zunächst anders geplant, ursprünglich sollte das Bundesministerium für Gesundheit dazu ermächtigt werden, die neue Vergütungsform per Rechtsverordnung zu regeln.
Die Entwicklung der neuen Vergütungssystematik und die Auswahl der Leistungen finden schrittweise statt. Weil die notwendigen Daten für die Kostenkalkulation bisher nur für den stationären Bereich vorliegen, werden die Fallpauschalen in einem ersten Schritt nach den bisherigen Preisen ambulanter und stationärer Leistungen berechnet. Spätestens ab dem Jahr 2026 sollen die Fallpauschalen auf Grundlage empirischer Kostendaten aus beiden Versorgungsbereichen kalkuliert werden. Dabei wird nach dem Schweregrad der Fälle differenziert.

Als Basis für die Auswahl geeigneter Leistungen durch die Selbstverwaltungspartner dient der AOP-Katalog. Grundsätzlich geht es dem Gesetzgeber um Leistungen mit besonders hohem Ambulantisierungspotenzial, also Leistungen mit hoher Fallzahl im Krankenhaus, einer Verweildauer von bis zu drei Tagen und mit geringem klinischem Komplexitätsgrad.

Die definierten Leistungen können sowohl von vertragsärztlichen Leistungsbringern ausgeführt werden als auch von Krankenhäusern, die die Voraussetzungen für das ambulante Operieren erfüllen. Neben Krankenhäusern sollen auch ambulante Operationszentren, Praxiskliniken, Medizinische Versorgungszentren und Vertragsärztinnen und Vertragsärzte für die Erbringung zugelassen werden. Die Abrechnung erfolgt direkt mit den Krankenkassen.

Position der Barmer
Zur Umsetzung der neuen Fallpauschalen für eine spezielle sektorengleiche Vergütung hat der Gesetzgeber einen kurzfristig umsetzbaren Ansatz gewählt. Besonders in einer Übergangszeit bis 2026 wird dies zu einer deutlichen Überfinanzierung der neuen Leistungen führen. Langfristig soll die Kalkulationsbasis für die Fallpauschalen auf einer empirischen Basis der ambulanten und stationären Kostendaten erfolgen. Damit würde eine sachgerechtere Kostenkalkulation ermöglicht.
Wichtig ist, dass die Verantwortung für die Entwicklung der Fallpauschalen und die Auswahl der Leistungen bei den Selbstverwaltungspartnern liegt, der Zeitrahmen ist jedoch zu eng bemessen.

Leistungserbringern soll der Zugang zur Telematikinfrastruktur erleichtert werden. Laut Referentenentwurf haben sie aktuell kaum die Möglichkeit, Primärsysteme und weitere Dienste von unterschiedlichen Herstellern ohne zusätzliche Gebühren und frei miteinander zu kombinieren. Grund dafür sind vertragliche und technische Beschränkungen durch die Anbieter informationstechnischer Systeme. Dies will das Bundesministerium für Gesundheit ändern, indem die Einbindung technischer Komponenten zur Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur erleichtert wird. Ziel ist es, die Interoperabilität zu verbessern. 

Position der Barmer
Die vorgesehenen Regelungen fördern den Wettbewerb von Anbietern und können zur Verbesserung der Interoperabilität in der Telematikinfrastruktur beitragen. Zudem führen die Maßnahmen zu mehr Flexibilität bei der Auswahl technischer Lösungen durch die Leistungserbringer und sollten somit auch einem effizienteren Einsatz von Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.

Die Fristen der Krankenkassen zur Einführung weiterer Funktionen der elektronischen Patientenakte (ePA) werden zeitlich verschoben. So wird die Pflicht der Kassen zur Speicherung der Daten der pflegerischen Versorgung der Versicherten in der ePA von Anfang 2023 um ein halbes Jahr verschoben. Auch die Freigabe von ePA-Daten für Forschungszwecke müssen die Kassen nun erst zum 01.07.2023 ermöglichen. Die Frist für die Einführung der sogenannten elektronischen Patientenkurzakte für den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten wird bis zum 01.10.2024 verlängert. Enthalten ist ebenfalls die Androhung von finanziellen Sanktionen für gesetzliche Krankenkassen bei Nichteinhaltung von Fristen.

Position der Barmer
Die Kassen sind im Vorfeld der Entwicklung der ePA-Funktionen auf die gematik und Dritte angewiesen. Auch die Prüfung und Zertifizierung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur durch die gematik ist von den Kassen nicht beeinflussbar. Trotzdem werden die Krankenkassen bei Verzögerungen in Haftung genommen. Die gesetzlichen Fristen müssen daher so ausgestaltet werden, dass die Kassen ihre Aufgaben erfüllen können – ungerechtfertigte Sanktionen können so vermieden werden.