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Schwangerschaft und Geburt

Medikation und Schwangerschaft: Damit die aufregendste Zeit im Leben von Anfang an eine Zeit der Vorfreude ist

Lesedauer unter 4 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Die Barmer setzt sich für einen Rechtsanspruch von Frauen im gebärfähigen Alter auf einen Medikationsplan ein, der für sie und für behandelnde Ärztinnen und Ärzte Transparenz schaffen soll, ob sie ein potenziell kindsschädigendes Medikament, auch Teratogen genannt, einnimmt.

Ich bin schwanger - für etwa vier von zehn Frauen in Europa kommt die Nachricht überraschend. Und zwischen der Empfängnis und der Erkenntnis, dass da jetzt also ein Kind im Bauch heranwächst, können durchaus einige Wochen liegen. Die Barmer begleitet und unterstützt Schwangere von der Familienplanung über die gesamte Schwangerschaft bis zur Geburt, übernimmt die Kosten für die medizinische Betreuung und leistet natürlich auch nach der Geburt mit einem umfangreichen Leistungsangebot für Mutter und Kind umfassenden Krankenversicherungsschutz. Außerdem informieren wir darüber, wie sich Risiken für Schwangere und Kind vermeiden lassen, zum Beispiel mit Blick auf die Einnahme von Medikamenten vor und in der Schwangerschaft.

Drei von zehn Frauen nehmen Medikamente ein

Genau diesen Aspekt hat die Barmer ganz aktuell zu einem Schwerpunktthema ihres diesjährigen Arzneimittelreports 2021 gemacht. Ausgewertet wurden umfassendes Abrechnungsdatensätze, außerdem führte das Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung eine vertiefende Umfrage unter 1.300 Barmer-versicherten Frauen durch. Laut dieser Umfrage nahmen etwa 30 Prozent aller Schwangeren vor ihrer Schwangerschaft regelmäßig mindestens ein Medikament ein. Da einige Medikamente potenziell fruchtschädigende, also teratogene Wirkung auf das ungeborene Kind haben können und diese teils fatalen Schädigungen insbesondere in der Zeit der ersten Wochen der Schwangerschaft beobachtet werden, sendet die Barmer mit dem diesjährigen Report ein wichtiges Signal.

Notwendig ist ein bundeseinheitlicher Medikationsplan für Frauen
 

Das Bild zeigt Professor Doktor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.

Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer

Barmer-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Christoph Straub fordert zudem einen Rechtsanspruch von Frauen im gebärfähigen Alter auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan, wenn sie sich in einer Dauermedikation befinden. Zu der Gruppe der Frauen mit ungeplanter Schwangerschaft kommen nämlich noch viele Frauen mit Medikation hinzu, die ihre Schwangerschaft zwar planen, mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt aber nicht über den Kinderwunsch sprechen. Da der Anspruch auf einen Medikationsplan in der Gesetzlichen Krankenversicherung bislang erst ab drei verordneten Medikamenten besteht, kommt es auch in der Arzt-Patient-Beziehung so zu Informationslücken und bleiben mögliche Kontraindikationen immer noch unentdeckt. Im ersten Schwangerschaftsdrittel bekamen im Jahr 2018 von mehr als 66.000 Barmer-Versicherten mit Entbindung 663 Frauen Medikamente mit potenziell kindsschädigenden Wirkungen verordnet.

Barmer-Vorstandschef Straub: „Die grundsätzliche Verordnung von Teratogenen vor einer Schwangerschaft ist nicht das Problem. Vor allem dann nicht, wenn verhütet wird. Spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft darf aber kein Teratogen mehr zum Einsatz kommen. Genau genommen muss der Schutz des ungeborenen Kindes bereits davor beginnen.“
 

Mit einem bundeseinheitlichen Medikationsplan kann das Risiko für das ungeborene Leben bei einer notwendigen teratogenen Medikation laut Straub massiv reduziert werden. Derzeit werde die Arzneimitteltherapie unzureichend dokumentiert. Das führe zu gefährlichen Informationslücken zu Beginn der Schwangerschaft. Vor allem für Gynäkologinnen und Gynäkologen sei es schwer bis unmöglich, Teratogene rechtzeitig abzusetzen, so Straub. Denn, so eine weitere Erkenntnis aus dem Report: Bis zu einer Schwangerschaft sind es in der Regel die Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, die Medikamente verordnen.
 

Risiko-Wirkstoffe im Medikationsplan vermerken
 

Hinzu kommt: Noch immer bekommen Frauen auch im späteren Verlauf der Schwangerschaft Arzneimittel mit Risiken der Schädigung des ungeborenen Kindes verordnet. Im Jahr 2018 waren hiervon 1.210 Barmer-versicherte Frauen betroffen. „Zu einem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft sind solche Arzneimittel im Einzelfall eventuell akzeptabel, weil die Gefahr für Missbildungen und Schädigungen des Kindes dann etwas geringer ist. Deren Verabreichung muss dann aber zwingend im Medikationsplan stehen“, sagt der Autor des diesjährigen Arzneimittelreports und Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, Prof. Dr. Daniel Grandt.

Medikation wird weiterhin zu häufig nicht umgestellt
 

Mit Blick auf die frühe Schwangerschaft kritisiert Grandt zudem, dass die Absetzquoten bei den als besonders kritisch geltenden Arzneimittelwirkstoffen zu niedrig sind und im Beobachtungszeitraum des Reports lediglich zwischen 31 und 60 Prozent betragen hat. „Das ist viel zu wenig“, sagt Grandt. Gerade der Einsatz stark fruchtschädigender Arzneimittel ist für ihn dann in keinem Fall vertretbar, wenn es gleichwertige und sicherere Alternativen gibt.
 

Barmer geht in puncto Medikationssicherheit voran
 

Die Barmer treibt mehrere Innovationsfondsprojekte voran, bei denen es auch darum geht, riskante Verordnungen bei Schwangeren zu vermeiden. So sollen verordnende Ärztinnen oder Ärzte mit dem in der Planungsphase befindlichen Projekt eRIKA einen Überblick über die Gesamtmedikation einer Patientin erhalten können. Darüber hinaus soll eRIKA darauf hinweisen, ob ein zur Verordnung vorgesehenes Medikament in der Frühschwangerschaft teratogene Wirkungen hat. Kooperationspartner ist neben Ärzteschaft und Apothekern die Berliner Charité. Schon jetzt haben Barmer-Mitglieder die Möglichkeit, ihre Medikation im Mediplaner ihrer elektronischen Patientenakte eCare zu managen.

Der Arzneimittelreport ist als PDF ab sofort kostenfrei abrufbar.  Barmer Arzneimittelreport 2021

Sehen Sie auch ein Video-Statement von Prof. Dr. Daniel Grandt zum Report.