Junger Mann sitzt mit geschlossen Augen auf einer Bank
Knochenmarkspende

Wie Markus seine Stammzellspende erlebt hat

Lesedauer unter 9 Minuten

Redaktion

  • Ricky Heimberg (Content Creator (Medical), TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Prof. Dr. Johannes Schetelig (DKMS gGmbH)

Markus war 25 Jahre alt, als ihn die DKMS kontaktiert und ihm mitteilt, dass er als Stammzellspender für einen erkrankten Menschen infrage kommt. Zum damaligen Zeitpunkt ist er bereits seit sieben Jahren in der Spenderdatei der DKMS registriert. Ob er überhaupt in die Situation kommen würde, für eine Spende angefragt zu werden, hatte er bei seiner Registrierung nur kurz überlegt. Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet. Wie er als Stammzellspender den Ablauf der Spende erlebt hat, wieso eine periphere Stammzellspende und eine Knochenmarkspende nicht das Gleiche sind, und welche Gedanken ihn beschäftigt haben, lesen Sie in diesem Erfahrungsbericht.

Markus’ Registrierung als freiwilliger Stammzellspender

Seine Registrierung als freiwilliger Spender hat Markus im Rahmen des Wehrdiensts durchgeführt: „Am Anfang meiner Grundausbildung bei der Bundeswehr wurde für die Erkennungsmarke die Blutgruppe bestimmt. Im Sanitätsversorgungszentrum wurden wir dann auch gefragt, ob wir uns als Stammzellenspender registrieren lassen wollen.“ Das niedrigschwellige Angebot hat es Markus besonderes leicht gemacht, sich für die Registrierung zu entscheiden. Für ihn war klar: Wenn er etwas Gutes tun kann, – und es auch noch so einfach ist – dann tut er es.

Als die DKMS ihn sieben Jahre später kontaktierte, hatte er die Möglichkeit gar nicht mehr vor Augen, dass es wirklich zu einer Anfrage für eine Stammzellspende kommt. „Irgendwann hatte ich mal geschaut, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich als Spender infrage kommen könnte. Aber ansonsten habe ich nie wirklich aktiv über das Thema nachgedacht.“

Anfrage zur Stammzellspende: Markus bekommt Post von der DKMS

Im März 2017 erhielt Markus eine Nachricht von seiner Mutter: Die DKMS habe ihm ein dringendes Päckchen an sein Elternhaus gesendet. Markus hatte bei seinem Umzug nicht daran gedacht, auch die DKMS über seine Adressänderung zu informieren. In seinem Fall lief die Anfrage glücklicherweise nicht ins Leere und seine Eltern konnten ihm ein Foto des beiliegenden Briefs weiterleiten.

Durch den Brief wurde klar: Es gab einen Menschen irgendwo auf der Welt, der krank war und Markus gespeichertes „Profil“ könnte zu diesem Patienten passen. Markus ließ sich zunächst von der DKMS telefonisch beraten. Sie schickten ihm umgehend einen Gesundheitsfragebogen und weitere Informationen per E-Mail zu. „Das waren die Spenderbroschüre mit allen wichtigen Informationen rund um die Spende sowie Fragen und Antworten zu den Risiken.“ Die DKMS hat ihm außerdem Unterlagen zum Versicherungsschutz von Spendern gesendet. Markus bekam auch einen Termin für eine Blutabnahme bei einem Arzt in seiner Nähe vermittelt. Die Blutprobe ist nötig für eine Bestätigungstypisierung. „In dem Päckchen der DKMS war bereits alles, was für die Bestätigungstypisierung nötig war. Also Röhrchen für das abgenommene Blut sowie ein Karton mit einem Adressaufkleber mit den Daten eines Labors.“ Die Typisierung stellte sicher, dass Markus wirklich als Spender für die erkrankte Person geeignet ist. Er hat sich bei den Untersuchungen stets gut informiert gefühlt: „Die DKMS hat mich von Anfang an über alle anstehenden Schritte gut informiert und ist transparent mit allen Punkten rund um die Spende umgegangen.“

Über den Empfänger seiner möglichen Spende wusste Markus erst einmal nichts. Er sollte seine Entscheidung, ob er spenden möchte, unvoreingenommen treffen. „Man denkt natürlich darüber nach, in was für einer Lage eine Person ist, die so erkrankt ist. Aber woher die Person kommt oder was für ein Mensch sie ist, spielte bei meiner Entscheidung natürlich keine Rolle.“

Ist Markus als Spender geeignet?

Die Bestätigungstypisierung des Labors ergab, dass Markus’ sogenannte HLA-Gewebemerkmale denen des Empfängers ähnlich genug waren, um Blutstammzellen zu spenden. Durch die größtmögliche Übereinstimmung verringern die Ärzte das Risiko, dass es im Empfängerkörper zu gefährlichen Abstoßungsreaktionen kommt.

Voruntersuchung und Beratungsgespräch: Markus wird durchgecheckt

Nach der Bestätigungstypisierung folgten die Voruntersuchungen. Markus war eher aufgeregt und wollte die nächsten notwendigen Schritte sorgfältig durchführen. „Ich habe vor der finalen Entscheidung noch mal alle Informationen gesichtet, um die Risiken einer peripheren Stammzellenspende besser einschätzen zu können. Aber da zum Beispiel keine Langzeitnebenwirkungen bekannt sind und das Verfahren schon seit über 20 Jahren angewendet wird, sah ich keinen Grund, mich gegen die Spende zu entscheiden. Außerdem schien mir der Aufwand sehr überschaubar, nicht anders als eine 'ausführliche Blutspende'. Allerdings habe ich im Gespräch mit Bekannten oft gemerkt, dass viele noch glauben, dass Stammzellen ausschließlich unter Vollnarkose durch eine Knochenmarkentnahme entnommen werden, obwohl inzwischen meistens über peripheres Blut gespendet werden kann.“

Die Voruntersuchungen sollten sicherstellen, dass Markus fit genug war, um Blutstammzellen zu spenden. Neben einer körperlichen Untersuchung und Fragen zu Markus allgemeiner Gesundheit führten die Ärzte auch ein EKG und einen Ultraschall durch und nahmen ihm Blut ab, um seine Laborwerte zu bestimmen. Bei den Ärzten im Entnahmezentrum hat sich Markus gut beraten gefühlt. „Dort wurde mir der Sinn jeder Untersuchung erklärt und die Laborparameter erläutert. Auch in den Arztgesprächen konnte ich jederzeit Fragen stellen und wurde detailliert über alles Relevante aufgeklärt.“ Die Untersuchungen hat er bis auf eine kurze Kreislaufschwäche bei der ersten Blutabnahme als problemlos erlebt. 

Die finale Entscheidung zur Spende

Wenn alle Untersuchungen positiv ausfallen und die Ärzte keine Bedenken haben, ist es wichtig, dass die potenziellen Spender eine finale Entscheidung treffen. Wenn sie sich für die Spende entscheiden, bedeutet das, dass die Empfänger für die Transplantation vorbereitet werden und ein unumkehrbarer Prozess beginnt. Die Stammzellen im Knochenmark der Empfänger werden zunächst mit einer Chemo- und Strahlentherapie zerstört. Ab diesem Punkt kann der erkrankte Mensch nur durch die Spende überleben. Eine große Verantwortung für die Spender, auch wenn die Ärzte sie vorab über die Situation aufklären. Für Markus war es ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass das Leben eines anderen Menschen nun vollkommen von ihm und seiner eigenen Gesundheit abhing. Er konnte sich dabei auch mit seinem Umfeld austauschen. „Ich hatte meine Entscheidung zwar schon früh getroffen, aber habe trotzdem mit Familie und Freunden geredet, um mich abzusichern. Alle stimmten zu, dass der Aufwand im Vergleich zu dem Nutzen der Spende sehr überschaubar war. Ich konnte mich eigentlich gar nicht anders entscheiden.“

Ablauf der Stammzellspende

In den fünf Tagen vor der Spende musste sich Markus nach Anleitung seiner Ärzte ein Präparat verabreichen. Mit kleinen Spritzen hat er sich den körpereigenen Stoff G-CSF unter die Haut gespritzt. G-CSF ist ein Wachstumsfaktor, der dafür sorgt, dass vermehrt Stammzellen vom Knochenmark ins Blut wandern. Ob es ihm schwerfallen würde, sich selbst Spritzen zu verabreichen, konnte Markus im Vorfeld schlecht einschätzen. Heute muss er über seinen Notfallplan lachen: „Eine damalige Kollegin hatte ein Pferd und meinte, dass sie kein Problem damit hat, ihrem Pferd eine Spritze zu geben. Sie hätte mir im Notfall geholfen. Ich habe dann aber festgestellt, dass ich kein Problem damit hatte und musste zum Glück nicht auf ihr Angebot zurückkommen.“

G-CSF kann Grippe-ähnliche Symptome auslösen. Markus war davon nicht betroffen. Trotzdem hat er die Wirkung gefühlt: „Am Ende habe ich mein gesamtes Skelett gespürt. Das war zwar unangenehm und ungewohnt, aber wirklich schmerzhaft war es nicht und so habe ich auch keine Schmerztabletten genommen.“

Für die Spende konnte Markus ebenfalls in das Entnahmezentrum in seiner Nähe gehen. Die Spende selbst hat ungefähr vier Stunden gedauert. Er bekam an beiden Armen Zugänge gelegt, durch die das Blut heraus und wieder hineingeführt wurde. Dazwischen hat eine spezielle Maschine die Stammzellen aus dem Blut gefiltert. Nach der Spende gab es etwas zu essen und Markus musste auf die Ergebnisse aus dem Labor warten, um zu erfahren, ob genügend Stammzellen gewonnen wurden.

Aufwand und Belastung für Markus

Auch wenn er den ganzen Prozess als gut schaffbar und nicht allzu aufwendig erlebt hat, sagt Markus rückblickend: „Als ich nach der Spende aus der Klinik gegangen bin, war ich wirklich erleichtert und auch glücklich, dass ich meinen Teil erfüllen konnte.“

Für ihn war es auch hilfreich, dass er die Untersuchungen und die Spende in seinem Wohnort durchführen konnte. „Die Voruntersuchungen und die Spende waren gefühlt nur zwei kurze Unterbrechungen des Alltags. Fast schon ironisch, dass ich im Endeffekt nur zwei Tage meiner Freizeit aufbringen musste. Im Verhältnis zu der Wirkung der Spende, war der Aufwand für mich kaum der Rede wert.“ Vom Zeitpunkt des ersten Kontakts bis zum Termin der peripheren Blutstammzellspende vergingen etwa acht Wochen.

Was passiert nach der Spende? (Stammzelltransplantation)

In einem Brief teilte die DKMS Markus fünf Monate nach seiner Spende mit, dass die Empfängerin die Transplantation und die ersten kritischen Monate überstanden hatte. Dieser zeitliche Abstand ist üblich, da der Erfolg einer Stammzelltransplantation nicht sofort abschätzbar ist und die Spender nur verlässliche Zwischenstände erfahren sollen. Markus’ Spende konnte der Patientin wie erhofft helfen.

Kontaktaufnahme zum Empfänger

Heute weiß Markus, dass seine Spende einer Frau Mitte 50 geholfen hat, die in den USA lebt. Für Markus war es eine Überraschung, dass seine Zellen tatsächlich um die halbe Welt geflogen wurden. „Ich habe mir im Anschluss an die Spende alles und nichts vorgestellt. Theoretisch hätten meine Stammzellen ja an jedem Ort der Welt landen können.“

Ihm wurde angeboten, der Empfängerin einen anonymen Brief zu schreiben. „Ich habe mich damals dagegen entschieden Kontakt aufzunehmen, da ich noch für zwei Jahre für die Person reserviert war und falls die Person eine weitere Spende gebraucht hätte, wollte ich wieder eine rationale Entscheidung treffen können.“

Markus ist auch weiterhin bei der DMKS registriert. Er kann sich gut vorstellen, noch einmal zu spenden – auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist.

Rückblick: Was denkt Markus vier Jahre später über seine Spende?

Im Alltag denkt Markus nicht mehr oft über seine Spende nach. „Ich bekomme noch regelmäßig die Fragebögen für die Nachbeobachtung. Die DKMS fragt darin den allgemeinen Gesundheitszustand ab.“

Manchmal kam die Spende in seinem Umfeld zur Sprache. Wenn ihm deswegen Bewunderung entgegengebracht wird, ist Markus das aber eher unangenehm: „Ich sitz‘ dann da und denke mir nur, dass das echt nichts so Großes war. Aber ich bin natürlich froh, dass ich mich damals für die Registrierung und dann auch für die Spende entschieden habe.“ Aus seiner Perspektive steht der Aufwand, den er als Spender hatte, nicht im Verhältnis zu dem großen Nutzen, den die Spende für die Empfängerin bedeutet hat.

Gerade deswegen weiß Markus, wie wichtig es ist, dass sich viele Menschen als Stammzellspender registrieren lassen. Er versucht seine positive Erfahrung auch an andere weiterzugeben und fragt hin und wieder Freunde oder Kollegen, ob sie ihn zur Blutspende begleiten oder sich ebenfalls als Stammzellspender registrieren lassen wollen.

Und er versucht mit dem veralteten Bild der Knochenmarkspende und der Entnahme aus dem Beckenknochen aufzuräumen: „Ich hatte den Eindruck, dass viele Leute glauben, dass Stammzellen ausschließlich per Knochenmarkspende entnommen werden.“ Tatsächlich ist das aber eher selten: derzeit werden nur 10 Prozent der Spenden mit einer Operation aus dem Knochenmark entnommen. „Aber natürlich sollte man prinzipiell sowohl zu einer peripheren Spende als auch zu einer Knochenmarkspende bereit sein, wenn man sich registrieren lässt. Vielen war das gar nicht bewusst und hat sie deshalb vielleicht von der Registrierung abgehalten.“ Bei ihm selbst war es vielleicht auch eher ein glücklicher Zufall, dass ihm die Registrierung einfach nebenbei angeboten wurde und er zugestimmt hat. Aber schlussendlich hat seine Entscheidung bewirkt, dass das Leben eines anderen Menschen gerettet wurde.

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