Eine junge Frau sitzt auf dem Sofa und hat Medikamente zu Einnehmen in der Hand
Medikamente

Können Medikamente Allergien auslösen?

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Arzneimittelallergien wurden lange unterschätzt. Heute weiß man: Sie werden meist von einigen wenigen, häufig verabreichten Präparaten ausgelöst und lassen sich gut in den Griff bekommen. In der Regel stehen alternative Mittel zur Verfügung. Oder Ihr Arzt verabreicht Ihnen das Medikament in ansteigender Dosis – und kann so eine allergische Reaktion weitestgehend verhindern.

Allergie gegen Medikamente – Warum eine rasche Diagnose wichtig ist

Fast jeder kennt jemanden mit einer Medikamentenallergie. Bei genauer Nachfrage steht jedoch meist nur ein Verdacht im Raum statt einer echten Allergie; wirklich diagnostiziert ist die Allergie in den seltensten Fällen.

Beispiel Penicillin: Etwa jeder zehnte Deutsche gibt an, allergisch auf das Antibiotikum zu reagieren. Studien zufolge haben jedoch nur ein bis zehn Prozent der vermeintlich Betroffenen eine echte Penicillin-Allergie.

Überempfindlichkeitsreaktionen bei Allergien gegen Medikamente haben viele Gesichter

Arzneimittelallergien gehören zu den sogenannten Überempfindlichkeitsreaktionen. Darunter zusammengefasst sind allergische und nicht-allergische Reaktionen und Symptome, die sich meist auf der Haut zeigen. Die häufigsten Arzneimittelreaktionen auf der Haut bezeichnet man als Arzneimittelexantheme.

Bei einer allergischen Reaktion auf ein Arzneimittel muss nicht zwingend das Immunsystem involviert sein. Ob das der Fall ist, kann ein Arzt oder eine Ärztin durch spezielle Haut- und Labortests herausfinden. Bei einer bestätigten Allergie kann ein neues Medikament verschrieben werden oder der Körper durch langsam steigende Dosen an das Mittel gewöhnt werden.

Bei der Pseudoallergie treten allergieähnliche Symptome und Reaktionen auf, ohne dass das Immunsystem eine Rolle spielt. Neben Medikamenten wie Schmerz- und Rheumamitteln (nicht-steroidale Antirheumatika, NSAR) gelten auch Mittel zum Entspannen der Muskulatur und Röntgenkontrastmittel als typische Auslöser.

Darin enthaltene Stoffe setzen das Gewebehormon Histamin frei, ohne dass es dafür Signalmoleküle des Immunsystems benötigt. Histamin ist ein Botenstoff, der zu Symptomen wie Nesselsucht, Wasseransammlungen im Gewebe oder asthmatischen Atembeschwerden führt.

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Wie entsteht eine Allergie gegen Arzneimittel?

In der Regel hat unser Körper bereits mehrfach mit dem Allergen (allergieauslösenden Stoff) Bekanntschaft gemacht, bis sich die Beschwerden das erste Mal zeigen – ohne, dass wir es bemerkt haben. Allergene sind körperfremde Eiweiße, gegen deren Eindringen unser Körper sich mit einer übertriebenen Reaktion des Immunsystems zur Wehr setzt.

Dazu gehören eben Inhaltsstoffe von Arzneimitteln, aber auch Pollen von Gräsern und Bäumen, der Kot von Hausstaubmilben oder Erdnüsse. Für eine gewisse Zeit hat der Körper die fremden Eiweiße neutralisiert, ohne dass es Komplikationen gab. Nach und nach schaukelt sich das Immunsystem immer weiter auf – bis es ausreichend Antikörper produziert hat. Normalerweise dienen Antikörper dazu, Krankheitserreger wie Bakterien und Viren zu neutralisieren.

Im Falle einer Allergie bildet der Körper sie aus Übereifer. Beim erneuten Kontakt „stürzen“ sich die Antikörper auf die vermeintlich gefährlichen Eiweiße. Spezifische Zellen, so genannte Mastzellen, schütten daraufhin Histamin aus. Das Gewebehormon löst die allergischen Beschwerden aus.

Welche Medikamente lösen Allergien aus?

Grundsätzlich kann jedes Medikament die Ursache für eine eine Arzneimittelallergie sein und diese auslösen. Verantwortlich sind der Wirkstoff selbst, Abbauprodukte von ihm oder Zusatzstoffe.

Bestimmte Medikamente, die weit verbreitet sind, sorgen für einen Großteil der allergischen Reaktionen. Zu den häufigsten Auslösern von Medikamentenallergien gehören:

  • Antibiotika, häufig Penicilline, Cephalosporine und Sulfonamide,
  • Schmerz- und Rheumamittel (NSAR) wie Ibuprofen oder ASS,
  • Mittel gegen Krampfanfälle oder Epilepsie (Antiepileptika),
  • Psychopharmaka wie Antidepressiva und Neuroleptika,
  • Röntgenkontrastmittel,
  • Mittel zur örtlichen Betäubung (Lokalanästhetika),
  • Narkosemittel,
  • Chemotherapeutika,
  • Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer sowie
  • Zusatzstoffe in Medikamenten.

Diese Mittel werden zum einen häufig verabreicht, so dass das Risiko für allergische Reaktionen steigt. Andere Wirkstoffe wiederum zerfallen aufgrund ihrer biochemischen Struktur leichter und binden sich an bestimmte Eiweiße, die der Körper dann fälschlicherweise als gefährlich bewertet.

Bei welchen Darreichungsformen sind Allergien besonders häufig?

Das Risiko für eine Arzneimittelallergie hängt auch davon ab, wie ein Wirkstoff verabreicht wird. Am geringsten ist die Gefahr einer Allergie bei Tabletten, Saft oder Tropfen. Höher ist das Risiko für Injektionen. Das größte Risiko für schwere allergische Reaktionen (anaphylaktische Reaktion) besteht nach einer Infusion über die Vene.

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Wie erkennt man allergische Reaktionen auf Medikamente?

Allergische Reaktionen bei Medikamenten treten direkt, nach einigen Stunden oder erst nach einigen Tagen auf. In drei von vier Fällen zeigt sich die allergische Reaktion als Arzneimittelexanthem, d. h. mit Symptomen auf der Haut. Hier entwickeln sich beispielsweise juckende fleckig-knotige Ausschläge. 

Anzeichen einer Medikamentenallergie können aber auch an den Gefäßen, am Magen-Darm-Trakt oder Kreislaufsystem sowie an anderen inneren Organe entstehen, die dann zu Entzündungen von Leber, Lungen oder einer Nierenschwäche führen können. Besonders häufig reagiert der Körper mit folgenden Symptomen:

  • gerötete, überwärmte Haut,
  • Hautausschlag,
  • Quaddel-Bildung (Nesselsucht),
  • Juckreiz,
  • Schwellungen der Schleimhäute sowie
  • Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme).
  • und weitere Symptome

In schweren Fällen, bei einem anaphylaktischen Schock, leiden Betroffene unter Atemnot oder Bewusstseinsstörungen oder haben sogar einen Kreislaufstillstand.

Wie erkennt der Arzt oder die Ärztin eine Arzneimittelallergie?

Es ist gar nicht so leicht, eine Arzneimittelallergie zu diagnostizieren, da die Anzeichen und Beschwerden der Patienten teilweise anderen Krankheiten ähneln. Der Arzt oder die Ärztin berücksichtigt daher Haut- und Labortestergebnisse ebenso wie das, was Sie über Ihre Beschwerden berichten.

Die Fachgesellschaften haben Empfehlungen entwickelt, wie bei der Diagnostik vorgegangen werden sollte. Studien zufolge lassen sich Überempfindlichkeitsreaktionen besser aufklären, wenn Sie möglichst akute Beschwerden haben. Spätestens nach sechs Monaten sollte eine allergische Reaktion immer abgeklärt sein. Ansonsten lassen die Anzeichen auf der Haut und im Blut nach, was die Aufklärung erschwert.

Unklare oder negative Hauttests sind häufig. Mitunter ist eine tiefergehende Diagnostik wie Untersuchungen im Labor oder ein Provokationstest notwendig.

Anamnese

Im Diagnosegespräch fragt Sie der Arzt oder die Ärztin nach Art und Umständen Ihrer Beschwerden und danach, welche Medikamente Sie wann und in welcher Dosis eingenommen haben. Als Erinnerung kann Ihnen Ihr Medikationsplan helfen. Vor allem wenn Sie viele Medikamente bekommen, ist es wichtig, dass Sie sich möglichst genau an die Einnahme der einzelnen Mittel erinnern.

Denn prinzipiell kann jedes Präparat die Ursache einer Medikamentenallergie sein. Nennen Sie auch pflanzliche Präparate sowie Nahrungsergänzungsmittel. Auch sie können allergische Reaktionen hervorrufen oder begünstigen.

Hauttests

Der Arzt führt in der Regel einen Hauttest durch, um eine Arzneimittelallergie zu erkennen. Dabei werden auf Unterarm oder Rücken Stoffe aufgetragen, welche die Allergie ausgelöst haben könnten. Die drei häufigsten Hauttests sind

  • Epikutantest,
  • Pricktest und
  • der Intrakutantest.

Für den Epikutantest bringen Arzt oder Ärztin den vermeintlich allergenen Stoff auf die Haut des Patienten auf und fixieren ihn so, dass er dauerhaft einwirken kann. Nach 24 oder 48 Stunden wird geschaut, ob es eine Reaktion gibt. Mitunter wird die Reaktion nach ein paar Tagen ein zweites und drittes Mal abgelesen.

Beim Pricktest (engl. to prick: piksen, stechen) wird die Testlösung auf die Haut von Unterarm oder Rücken aufgetropft und diese mit einer Lanzette eingeritzt.

Für den Intrakutantest injiziert der Arzt die Testlösung mit einer feinen Kanüle in die Haut von Unterarm oder Rücken, so dass eine kleine Quaddel entsteht. Der Test reagiert in der Regel auch, wenn Sie nur eine schwächere allergische Reaktion zeigen.

Selbst wenn die Hauttests nicht anschlagen und es keine Symptome gibt, heißt das nicht, dass Sie tatsächlich keine Medikamentenallergie haben. Teilweise reagiert der Organismus allergisch auf Abbauprodukte von Medikamenten, so dass die Originalsubstanz keine Reaktion auslöst.

Provokationstest

Falls Haut- und Labortests nicht eindeutig ausfallen, kann der Arzt einen Provokationstest durchführen. Dabei wird dem Patienten das verdächtige Arzneimittel zunächst in ganz niedriger Dosierung verabreicht, die nach und nach gesteigert wird. Damit soll eine allergische Reaktion provoziert werden.

Frauen, die schwanger sind oder stillen, sollten ebenso auf einen Provokationstest verzichten wie Patienten, bei denen die Überempfindlichkeitsreaktion lebensbedrohlich ausfallen könnte. Eine solche lebensbedrohliche Reaktion wäre ein anaphylaktischer Schock, der sich auf das Herz-Kreislauf-System auswirken kann.

Laboruntersuchungen

Ergänzende Laboruntersuchungen helfen bei der Diagnose einer Arzneimittelallergie.

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Wie wird eine Arzneimittelallergie behandelt?

Die einfachste Behandlung ist, auf das auslösende Medikament zu verzichten. Alternativ kann das Medikament durch ein anderes Mittel ersetzt werden. Dabei wird im Rahmen der Therapie auch auf Kreuzreaktionen geachtet, also ähnliche Wirkstoffe vermeiden, auf die Ihr Immunsystem ebenfalls allergisch reagieren könnte.

Halten Sie immer Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, bevor Sie ein Medikament eigenmächtig absetzen. Die behandelnden Mediziner wissen um Ihr Krankheitsbild, können die allergischen Symptome von anderen möglichen Diagnosen abgrenzen und kennen die typischen Anzeichen und Zusammenhänge einer Medikamentenallergie.

Für die Behandlung allergischer Hautreaktionen verwenden Mediziner bewährte Medikamente gegen Allergien, sogenannte Antihistaminika, sowie kortisonhaltige Salben und Tabletten. Besonders schwere allergische Reaktionen behandeln sie mit Adrenalin- oder Kortison-Spritzen.

Allergiepass schützt

In der Regel bekommen Sie einen Allergiepass, sollten Sie nachweislich bestimmte Arznei- und Kontrastmittel nicht vertragen. Führen Sie den Pass am besten immer in Ihrer Brieftasche mit sich, so dass man ihn in einer Notfallsituation findet und Sie eine entsprechende Behandlung erfahren.

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Mit der elektronischen Patientenakte der Barmer haben Sie Ihren Allergiepass immer digital dabei und können die Daten bei Bedarf mit Praxen teilen.

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Therapie trotz Arzneimittelallergie

Für manche Wirkstoffe gibt es keinen Ersatz. Krebskranken beispielsweise hilft oft nur ein bestimmtes Chemotherapeutikum. Seit einigen Jahren können Allergiker trotzdem mit den lebensrettenden Mitteln behandeln lassen.

Dafür verabreicht der Arzt das Medikament zunächst in einer sehr niedrigen Dosis, die er dann allmählich steigert. Es wird beobachtet, wie gut das Mittel vertragen wird. Durch das schrittweise Vorgehen kann es in der Regel zumindest für eine gewisse Zeit problemlos eingenommen werden.

Literatur

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