Stilisierte Darstellung von weißen und roten Blutkörperchen
Krebs

Stammzelltransplantation

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Natalie Tutzer (Medical Writer, TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin, Allergologin, Phlebologin, Barmer)
  • Dr. med. Ursula Marschall (Fachärztin für Anästhesie, Barmer)
  • Annette Mittmann (Gynäkologie, Psychotherapie, Psychoonkologie - medproduction GmbH )

Die erste erfolgreiche Stammzelltransplantation wurde 1972 durchgeführt. Heute wird die Methode, die manchmal auch vereinfacht Stammzellentherapie genannt wird, unter anderem in der Krebsbehandlung eingesetzt. In unserem Beitrag zu diesem Verfahren der Onkologie erfahren Sie, was Stammzellen sind, was der Unterschied zwischen einer autologen und allogenen Stammzelltransplantation ist und wie die Behandlung abläuft.

Was ist eine Stammzelltransplantation?

Bei einer intensiven Chemotherapie und Strahlentherapie zur Behandlung von Krebs werden nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesunde Zellen wie Stammzellen im Knochenmark zerstört. Doch ohne blutbildende Zellen können Menschen nicht überleben. Indem man Blutstammzellen – von der betroffenen Person selbst oder von einem Spender oder einer Spenderin – nach der Behandlung überträgt, ersetzt man die fehlenden Zellen. Sie wandern in das Knochenmark ein, das wieder gesunde Blutzellen bildet. 

Die Stammzelltransplantation selbst ist also meistens keine direkte Krebsbehandlung. Bei Leukämien oder Lymphomen gibt es jedoch auch Behandlungsformen, in denen das Immunsystem der gespendeten Stammzellen gegen die Tumorzellen vorgeht.
Man unterscheidet zwei Arten von Stammzelltransplantationen: die autologe und die allogene Transplantation von Blutstammzellen.

  • Autolog bedeutet, die verwendeten Stammzellen spenden die Patienten „an sich selbst“
  • Allogen bedeutet, eine andere Person mit sehr ähnlichen Gewebemerkmalen spendet die Stammzellen.

Was sind Stammzellen?

Der menschliche Körper besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Zelltypen. Stammzellen besitzen noch keine bestimmte Aufgabe: Aus ihnen entwickeln sich erst noch spezifische Zellen, die sich in ihren Funktionen voneinander unterscheiden. Stammzellen, die sich zu Blutzellen entwickeln, heißen hämatopoetische (= „blutbildende“) Stammzellen. Die Transplantation von Blutstammzellen wird daher „hämatopoetische Stammzelltransplantation“ (HSZT) genannt.

Blutstammzellen kommen vor allem im Knochenmark vor. Sie sind die Basis, aus der sich die drei Arten von Blutzellen entwickeln: Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) transportieren im Körper hauptsächlich den Sauerstoff, die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) bilden die Immunabwehr gegen Bakterien, Viren und andere krankmachende Erreger und die Blutplättchen (Thrombozyten) stoppen Blutungen, indem sie kleinere Verletzungen abdichten und sich mit weiteren Bestandteilen des Blutes zu größeren Blutgerinnseln zusammenfinden.

Autologe Stammzelltransplantation

Bei der autologen Stammzelltransplantation spenden Patienten an sich selbst: Dabei entnimmt man Menschen, die an Krebs erkrankt sind, Stammzellen. Nach einer hochdosierten Chemotherapie und gegebenenfalls auch einer Strahlentherapie werden die entnommenen Zellen wieder eingesetzt. 

So können sich die lebenswichtigen Blutzellen nach der Therapie neu bilden und die Gefahr ernsthafter Komplikationen durch die Behandlung wird verringert. Durch dieses Vorgehen wird jedoch riskiert, dass kranke Zellen in den Körper zurückübertragen werden und die Krebserkrankung wieder auftritt. Bei Blutkrebs (akute und chronische Leukämien) wäre dieses Risiko hoch, daher kommt die autologe Stammzelltransplantation hier nur selten zum Einsatz. Bei Lymphdrüsenkrebs (Lymphome) und einem Multiplen Myelom hingegen werden häufiger Stammzellen der Patienten selbst eingesetzt.

Allogene Stammzelltransplantation

Bei der allogenen Stammzelltransplantation spenden andere Menschen die Stammzellen, die einer an Krebs erkrankten Person eingesetzt werden. Wie bei Organtransplantationen kann es vorkommen, dass das Immunsystem der Patienten versucht, die fremden Zellen abzustoßen. 

Deshalb ist es wichtig, dass die gespendeten Zellen den Zellen des Empfängers sehr ähnlich sind. Diese Ähnlichkeit wird anhand von Merkmalen des Gewebes bestimmt, den sogenannten HLA-Merkmalen (human leucocyte antigen; deutsch: menschliches Leukozytenantigen). Es sind über 7.000 von diesen Merkmalen bekannt.

Unter direkten Geschwistern gibt es eine größere Chance, so einen „genetischen Zwilling“ zu finden. Je mehr Personen zu einer Spende bereit sind, desto größer sind die Chancen von Menschen mit Krebs, einen geeigneten Spender zu finden. Acht von zehn Menschen, die als Empfänger von Blutstammzellen in Frage kommen, finden mithilfe von großen nationalen und internationalen Datenbanken wie der DKMS einen geeigneten Spender.

Ein Risiko der allogenen Stammzelltransplantation ist, dass sich die Immunabwehrzellen im gespendeten Blut gegen den Körper der Patienten richten (Graft-versus-Host-Effect; deutsch: Spender-gegen-Empfänger-Reaktion beziehungsweise Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion). 

Diese Reaktion schadet vor allem der Haut, dem Darm und der Leber der Empfänger. Um die Wahrscheinlichkeit für diese Reaktion zu verringern, nehmen Patienten nach einer Transplantation Medikamente ein, die die Immunabwehr unterdrücken.

Die allogene Stammzelltransplantation wird vor allem bei Menschen mit Leukämie eingesetzt.

Wann ist eine Stammzelltransplantation sinnvoll?

Ob und wann eine Stammzelltransplantation sinnvoll ist, hängt von sehr vielen Faktoren ab und wird immer individuell entschieden. Die Stammzelltherapie kann beispielsweise in Frage kommen, wenn eine vorangegangene Behandlung nicht erfolgreich war oder es zu einem Rückfall (Rezidiv) kommt, also die Krebserkrankung zurückkehrt. 

Die Therapie kann sehr wirksam sein, aber auch mit Risiken und Nebenwirkungen einhergehen. Die Krebsart und wie weit die Krankheit vorangeschritten ist, aber auch das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand der Patientin beziehungsweise des Patienten spielen eine Rolle für die Prognose. 

Um Chancen und Risiken der Therapie abzuwägen, sind auch die persönlichen Bedürfnisse der an Krebs erkrankten Person von großer Bedeutung. Daher wägen Ärzte und Ärztinnen und Patienten in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung sorgfältig ab.

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So funktioniert eine Stammzelltransplantation

Die Spende von Stammzellen

Blutstammzellen werden meistens auf zwei Arten gewonnen: die periphere Stammzellenentnahme aus dem Blut und die Entnahme aus dem Knochenmark.

In acht von zehn Fällen werden die Stammzellen aus dem Blut eines Spenders entnommen – gleich, ob die erkrankte Person selbst an sich spendet oder eine andere Person für diese. Zunächst nimmt der Spender einige Tage lang ein Medikament ein, durch welches mehr Stammzellen gebildet und aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf abgegeben werden. 

Bei der Spende selbst nimmt man über eine Vene Blut des Spenders ab. Das Blut durchläuft in einer Art „Blutwäsche“ eine Zentrifuge, die die Zellen vom Blut trennt. Das Blut läuft dann über den anderen Arm zurück in den Körper des Spenders. Manchmal muss dieser Vorgang wiederholt werden, um ausreichend Stammzellen für eine erfolgreiche Transplantation zu gewinnen. Eine Vollnarkose ist nicht nötig und in der Regel kann man nach der Spende nach Hause gehen.

In zwei von zehn Fällen ist die periphere Stammzellenentnahme über das Blut nicht möglich. Dann entnimmt man die Stammzellen direkt aus dem Knochenmark. Für diesen Eingriff werden Spender unter Vollnarkose an mehreren Stellen des Beckenknochens punktiert, da das Knochenmark hier besonders reich an Stammzellen und gut zugänglich ist. Nach der Entnahme müssen Spender für einige Tage in der Klinik bleiben.

Wenn Sie mehr über den Ablauf der Spende von Stammzellen aus Knochenmark oder Blut erfahren möchten, lesen Sie in unserem Beitrag zur Stammzellspende weiter.

Ablauf einer Stammzelltransplantation

Der erste Schritt, um die Transplantation vorzubereiten, ist die Konditionierung. In der Konditionierung sollen durch Hochdosis-Chemotherapie und gegebenenfalls auch Bestrahlung alle Krebszellen zerstört werden. Medikamente unterdrücken das Immunsystem der Patienten, damit die danach gespendeten Blutstammzellen nicht abgestoßen werden.

Eine schonendere Variante ist die „reduzierte Konditionierung“. Die Dosis von Chemotherapie und Strahlentherapie ist geringer. Das Ziel der reduzierten Konditionierung ist nicht, alle Krebszellen zu erreichen, sondern eine Grundlage zu schaffen, damit die gespendeten Blutstammzellen gut anwachsen können.

Im zweiten Schritt erfolgt die eigentliche Transplantation der Blutstammzellen ein bis zwei Tage, nachdem die Konditionierung abgeschlossen ist. Die gespendeten Stammzellen werden als Transfusion über die Vene in den Blutkreislauf der Patienten übertragen. Das dauert etwa zwei bis vier Stunden.

Nach der Transplantation beginnt die Phase der Aplasie, was bedeutet, dass die Funktion des Knochenmarks eingeschränkt ist (Knochenmark-Aplasie‎). Die neuen, gesunden Stammzellen siedeln sich in den ersten zehn Tagen im Knochenmark der Patienten an. Dort nehmen die Zellen ihre Arbeit zur Blutproduktion auf. 

Nach etwa drei bis vier Wochen werden wieder funktionstüchtige Blutzellen gebildet. Die Blutwerte erholen sich und die kritische Zeit mit hohem Risiko für eine Infektion ist meist vorbei. Diese Zeit wird als Regenerationsphase oder Engraftment bezeichnet. Nach vier Wochen wird mit einer Knochenmarkspunktion bestätigt, dass die gespendeten Stammzellen angenommen wurden. Ist die Blutbildung wieder in Gang und sind keine Krebszellen mehr nachweisbar, war die Transplantation erfolgreich.

Auf einen Blick: Der Ablauf der Stammzelltransplantation

1) Spende: Am Anfang steht die Spende der Blutstammzellen, die übertragen werden sollen. Sie werden entweder der erkrankten Person selbst oder einem geeigneten Spender entnommen.

2) Konditionierung: In dieser Phase werden durch intensive Chemotherapie oder Strahlentherapie die erkrankten Tumorzellen zerstört, doch auch gesunde Zellen werden geschädigt und sterben ab. Medikamente unterdrücken das körpereigene Abwehrsystem, damit die gespendeten Blutstammzellen später nicht abgestoßen werden (immunsuppressive Therapie).

3) Transplantation: Über eine Transfusion werden die Spenderzellen in den Blutkreislauf der erkrankten Person gebracht. Bei einer Eigenspende werden die gesammelten Blutstammzellen der Patienten zurückgeführt.

4) Aplasie: Da die Immunabwehr von Patienten stark geschwächt ist, sind sie in dieser Zeit sehr anfällig für Infekte. Deshalb müssen sie durch Antibiotika und eine möglichst keimarme Umgebung vor einer Infektion geschützt werden. In den Wochen nach der Transplantation siedeln sich die neuen Stammzellen im Knochenmark an und nehmen die Blutproduktion wieder auf.

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Wie lange ist das Immunsystem nach einer Stammzelltransplantation schwach?

Nach der Transplantation braucht das Immunsystem einige Zeit, um seine Aufgabe „neu zu lernen“. Weiße Blutkörperchen, die vor allem Bakterien abwehren (Granulozyten), sind nach etwa vier Wochen wieder funktionstüchtig. 

Weiße Blutkörperchen, die vor allem Viren abwehren (Lymphozyten), brauchen länger, um sich zu erholen: Bei einer autologen Stammzelltransplantation dauert es etwa drei Monate (100 Tage), bei der allogenen Stammzelltransplantation etwa sechs Monate (200 Tage), bis die T-Lymphozyten wieder funktionieren. In dieser Zeit sind Patienten weiterhin anfälliger für Infekte. 

Nach etwa einem Jahr sollte das Immunsystem wieder so stark sein, dass ein normales Leben ohne große Einschränkungen möglich ist.

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