Porträt von Vanessa
Krebs

Bloß keine Blumen ans Bett: Vanessa erzählt, wie sie und ihre Familie mit dem Krebs umgegangen sind

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Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

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  • Vanessa hat eine Krebserkrankung überstanden und möchte nun anderen Betroffenen helfen.

Vor vier Jahren bekam die 27-jährige Vanessa die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Die Erkrankung stellte ihr Leben völlig auf den Kopf und war natürlich auch für ihr Umfeld – ihre Familie, ihren Partner und ihre Freundinnen und Freunde – ein riesiger Schock. Heute ist sie zum Glück wieder gesund. Im Interview erzählt sie uns, wie der Krebs die Beziehungen in ihrem Leben noch enger und intensiver gemacht hat und was sie Angehörigen von Krebspatientinnen und -patienten raten würde.

Gab es Menschen in deinem Umfeld, die dich während deiner Krankheit besonders unterstützt haben? Wer hat dir Kraft gegeben?

Vanessa: Vor allem meine Eltern waren wirklich immer für mich da und haben mich begleitet. Sie waren bei allen Terminen dabei, sodass ich nicht allein sein musste. Mein Vater hat seine Arbeitszeiten komplett nach mir und meiner Behandlung ausgerichtet – sie haben auf ihr eigenes Leben verzichtet für die Zeit meiner Erkrankung. Auch mein kleiner Bruder, der damals erst 15 war, hat wahnsinnig viel Verantwortung übernommen. Als ich zum Beispiel plötzlich starke Knochenschmerzen bekam, hat er für mich den Notarzt gerufen und versucht, mich zu beruhigen – er hat da intuitiv einfach total viel richtig gemacht.

Mit meinem Freund hatte ich damals eine Fernbeziehung und wir waren erst ein Jahr lang zusammen. Ich habe ihm gesagt, dass ich es verstehen würde, wenn er sich lieber von mir trennen will. Ich habe mich ja auch äußerlich stark verändert, er mochte meine langen blonden Haare und dann hatte ich eine Glatze wegen der Behandlung. Aber er hat zu 1000 Prozent zu mir gestanden und hat mich regelmäßig besucht, auch, um meine Eltern zu unterstützen und ihnen ein bisschen Freizeit zu ermöglichen. Wenn es mir schlecht ging, habe ich ihn oft „angezickt“ – er war mein Blitzableiter und hat das immer einfach weggesteckt. Seine Familie hat mir schöne Pakete geschickt, obwohl sie mich noch gar nicht kannten. Und ich habe Freundinnen, die während der Krankheit alles getan haben, um mich einzubeziehen – das alles hat mir viel bedeutet.

Toll, dass die Menschen in deinem Leben dich so unterstützt und durch die schwere Zeit getragen haben. Gab es auch Menschen, die Schwierigkeiten oder „Berührungsängste“ mit deiner Krankheit hatten?

Vanessa: Meine Schwester hatte mit meiner Erkrankung große Probleme, sie konnte lange nicht damit umgehen, wenn ich zum Beispiel Schmerzen hatte. Sie hat auch nie nach meiner Erkrankung gegoogelt, wollte nichts darüber wissen – und konnte erst später zugeben, wie schwer ihr das alles gefallen ist. Aber als ich wieder gesund war, hat sie mir einen Herzenswunsch erfüllt und ist mit mir in den Urlaub nach Mallorca geflogen. Ich weiß heute, dass ihre Reaktion absolut menschlich und verständlich ist – jeder geht anders mit so einer Situation um.

In meinem Freundeskreis gab es auch manche, die nicht mit der Erkrankung zurechtgekommen sind. Einige Freundinnen wollten sich und ihr Leben einfach nicht so lange einschränken, ich konnte ja teilweise nichts machen, musste zum Beispiel in einem abgedunkelten Raum liegen. Heute habe ich zwar einen kleineren Freundeskreis als vor der Erkrankung, aber wir sind uns umso näher und können uns immer aufeinander verlassen.

Wie sind die Leute mit dir umgegangen beziehungsweise welchen Umgang hättest du dir gewünscht?

Vanessa: Ich persönlich wollte kein Mitleid, wollte nicht die arme Kranke sein. Mit meinem Vater habe ich Witze über die Chemo gemacht, die teilweise auch echt unter der Gürtellinie waren – mir persönlich hat das geholfen, wenn die Leute ganz normal mit mir geredet haben und „tough“ waren. Bloß keine Blumen ans Bett. Aber das ist eine Typfrage denke ich.

Was würdest du Leuten empfehlen, die Angehörigen mit einer Krebserkrankung helfen wollen und nicht wissen, wo sie anfangen sollen?

Vanessa: Ich finde ganz wichtig, dass auch Angehörige von Menschen mit einer schweren Erkrankung Unterstützung und Rat bekommen. Sie leiden ja mit, und es ist wichtig, dass die Krebspatienten nicht auch noch Schuldgefühle haben müssen, weil sie ihre Familie belasten. Es gibt viele Selbsthilfevereine, die sich auch an Angehörige richten. Ich hätte während meiner Erkrankung zum Beispiel gern von Eisvogel e.V. gewusst – dieser Verein hilft Krebs-Erkrankten und ihren Angehörigen und vermittelt Patenschaften. Bald werde ich auch Patin bei Eisvogel sein und hoffe, dass ich so anderen Menschen mit Krebs ein bisschen Unterstützung anbieten kann.
 

  • Das Interview wurde am 3. Dezember 2020 telefonisch geführt. 

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