Porträtfoto Caroline Quartucci
Experteninterview Klima und Gesundheit

"Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen und gefährdet unsere Gesundheit"

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Sophie Gericke (Internetredaktion der BARMER)

Zur Person

  • Dr. Caroline Quartucci

Als Fachärztin für Arbeitsmedizin, Allergologin und Mitarbeiterin in der Arbeitsgemeinschaft Umweltbezogener Gesundheitsschutz und Prävention am Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit befasst sich Dr. Caroline Quartucci mit den gesundheits- und krankheitsbestimmenden Aspekten der Mensch-Umwelt-Beziehung. Im Interview erklärt sie, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die menschliche Gesundheit hat und welche Möglichkeiten wir haben, diese zu schützen.

Frau Dr. Quartucci, Sie sind Mitarbeiterin in der Arbeitsgemeinschaft umweltbezogener Gesundheitsschutz und Prävention – warum ist Ihnen Klimaschutz wichtig?

Dr. Caroline Quartucci: Gesundheit ist unser wichtigstes Gut und der Schutz unserer Gesundheit hat daher höchste Priorität. In meiner Tätigkeit als Ärztin hat sich insbesondere der enge Zusammenhang von Umwelteinflüssen und Gesundheit sehr deutlich gezeigt. Deshalb liegt mir die Prävention von umweltbezogenen Gesundheitsgefährdungen besonders am Herzen, sowie alles, was die Entstehung gesundheitlicher Belastungen vorbeugt oder verhindert.

Wie kam es, dass Sie Ihren Schwerpunkt auf den umweltbezogenen Gesundheitsschutz gelegt haben?

Dr. Caroline Quartucci: Als Allergologin und Fachärztin für Arbeitsmedizin hatte ich schon immer Überschneidungen mit dem umweltbezogenen Gesundheitsschutz, da dieser in vielen Punkten mit dem arbeitsbezogenen Umweltschutz Hand in Hand geht. So haben Umwelteinflüsse, wie z. B. Hitze, nicht nur direkte Auswirkungen auf unsere Gesundheit, sondern auch auf unsere Arbeit. Der Wechsel zur Umweltmedizin fiel mir daher nicht schwer.

"Neben der Vorbeugung von Gesundheitsgefährdungen ist auch eine gewisse Anpassung an die Folgen des Klimawandels erforderlich. So können beispielsweise Kommunen und Gesundheitseinrichtungen Hitzeaktionspläne ausarbeiten, um sich den neuen klimatischen Bedingungen anzupassen".

Welche Verbindung sehen Sie zwischen dem Klimawandel und unserer Gesundheit?

Dr. Caroline Quartucci: Die Themen Klimawandel und Gesundheit sind fest miteinander verbunden. So beeinflussen der Klimawandel und seine Folgen die Gesundheit in vielfältiger Weise, z. B. durch die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen oder Starkregen, einer höheren Pollenbelastung sowie dem Anstieg von vektorübertragenen und wasserbedingten Infektionskrankheiten.

Handlungen zur Eindämmung des Klimawandels dienen also auch dem Schutz unserer Gesundheit. Viele Klimaschutzmaßnahmen haben sogar einen direkten positiven Effekt auf unsere Gesundheit. Wer etwa das Auto stehen lässt und stattdessen auf das Fahrrad umsteigt, verringert nicht nur die Luftschadstoffe, sondern hält sich zudem körperlich fit. Auch mit einer fleischarmen oder pflanzenbasierten Ernährung werden Treibhausgase eingespart und die Darmgesundheit gefördert.

Neben der Vorbeugung von Gesundheitsgefährdungen ist aber auch eine gewisse Anpassung an die Folgen des Klimawandels erforderlich. So können beispielsweise Kommunen und Gesundheitseinrichtungen Hitzeaktionspläne ausarbeiten, um sich den neuen klimatischen Bedingungen anzupassen.

"Handlungen zur Eindämmung des Klimawandels dienen also auch dem Schutz unserer Gesundheit. Viele Klimaschutzmaßnahmen haben sogar einen direkten positiven Effekt auf unsere Gesundheit".

Welche Umweltbelastung stellt für Sie die größte Gesundheitsgefährdung dar?

Dr. Caroline Quartucci: Der Klimawandel birgt viele Risiken für unsere Gesundheit. Einen der größten Risikofaktoren sehe ich dabei in den stark ansteigenden Temperaturen. Schon heute beeinträchtigen Hitzetage und langanhaltende Hitzewellen die Gesundheit vieler Menschen. Doch insbesondere für ältere Menschen kann der Temperaturanstieg künftig gefährlich werden, weshalb wir vermehrt mit hitzebedingten Todesopfern rechnen müssen.

Vor welche neuen Herausforderungen wird das Gesundheitswesen durch den Klimawandel gestellt und was kann es im Kontext des Klimawandels tun?

Dr. Caroline Quartucci: Der Anteil des Gesundheitswesens an den Emissionen wird global auf etwa sechs bis sieben Prozent beziffert. Deshalb ist das Gesundheitswesen gleich auf zwei Ebenen herausgefordert, sich an den Klimawandel anzupassen. So gilt es, die Emissionen zu reduzieren und sich gleichzeitig auf neue gesundheitliche Gefährdungen einzustellen, die der Klimawandel mit sich bringt. Außerdem müssen Gesundheitseinrichtungen Maßnahmen etablieren, um Patientinnen und Patienten, aber auch das medizinische Personal vor gesundheitlichen Belastungen, wie etwa durch die Hitze, zu schützen.

Auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von medizinischem Personal muss umfassend über die Folgen des Klimawandels und mögliche Schutzmaßnahmen informiert werden. Aktuell finden deshalb Überarbeitungen der Curricula statt, um sich noch besser auf den Klimawandel und seine gesundheitsgefährdenden Folgen einzustellen.

Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus dem demografischen Wandel, denn durch die alternde Bevölkerung vergrößert sich die Anzahl der vulnerablen Personen, für die der Klimawandel mit einem großen gesundheitlichen Risiko einhergeht.

"Auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von medizinischem Personal muss umfassend über die Folgen des Klimawandels und mögliche Schutzmaßnahmen informiert werden". 

Was bedeutet der Klimawandel für Ärztinnen und Ärzte?

Dr. Caroline Quartucci: Ärztinnen und Ärzten kommt eine sehr große Bedeutung und eine sehr hohe Verantwortung in Bezug auf den Klimawandel zu. Sie müssen über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels informiert sein, entsprechende Symptome erkennen und behandeln können, wie z. B. von Infektionskrankheiten, die bisher in Deutschland eher untypisch waren. Als Beispiel sei hier das von der asiatischen Tigermücke übertragene Dengue-Fieber zu nennen. Auch wenn in Deutschland bislang nur Einzelfälle bekannt sind, sind lokale Ausbrüche künftig durchaus denkbar.

Zudem sollten Ärztinnen und Ärzte als Multiplikatoren fungieren und den direkten Kontakt zu den Menschen und deren Vertrauen dazu nutzen, um für die Folgen des Klimawandels zu sensibilisieren und Verhaltenstipps mit auf den Weg zu geben. 

Porträtfoto Caroline Quartucci

Dr. Caroline Quartucci, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Allergologin und Mitarbeiterin in der Arbeitsgemeinschaft Umweltbezogener Gesundheitsschutz und Prävention

Welche Krankheiten sind auf den Klimawandel zurückzuführen und mit welchen neuen Krankheiten und Allergien müssen wir künftig rechnen?

Dr. Caroline Quartucci: Der Klimawandel kann sich in vielfältiger Weise sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit auswirken, wie die Flutkatastrophen hierzulande bereits eindringlich gezeigt haben.

Aber auch bereits bestehende Krankheiten, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, können sich durch den Klimawandel verschlimmern und Allergiesymptome durch längere Pollenflugzeiten sowie die Zunahme allergener Potenziale der Pollen verstärken. Das Ansiedeln und die Verbreitung neuer hochallergener Pflanzenarten, wie z. B. der Ambrosia, ist genauso wie der Anstieg nicht-heimischer Infektionskrankheiten ebenfalls auf den Klimawandel zurückzuführen.

Kann sich unser Körper an die Folgen des Klimawandels und die dadurch entstehenden schädlichen Umwelteinflüsse gewöhnen?

Dr. Caroline Quartucci: Bis zu einem gewissen Grad ist eine Anpassung durchaus denkbar. So führen Hitzewellen von gleicher Intensität im Norden Deutschlands zu höheren hitzebedingten Belastungen als im Süden Deutschlands, was auf eine Adaptation an wärmere Temperaturen schließen lässt. Mit Blick auf den demografischen Wandel und die Zunahme von Hitzeperioden ist mit einem Rückgang der Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit dennoch nicht zu rechnen.

Was würde in den nächsten 10 Jahren passieren, wenn wir unser Denken und Handeln nicht an den Klimawandel anpassen?

Dr. Caroline Quartucci: Unsere Gesundheit wird zunehmend durch den Klimawandel gefährdet, wenn wir nicht schnell etwas unternehmen, um den Klimawandel aufzuhalten oder uns an die Folgen anzupassen. Extremwetterereignisse werden weiter zunehmen und wir werden in den nächsten Jahren mit vielen hitzebedingten Todesfällen rechnen müssen. Auch Überschwemmungen werden zunehmen und ihre Todesopfer fordern. Man kann also mit großer Gewissheit sagen, dass wir eine erhöhte Krankheitslast erwarten, wenn wir nicht umgehend handeln.

Woran liegt es, dass in der Öffentlichkeit noch so wenig über den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit diskutiert wird?

Dr. Caroline Quartucci: Für viele Menschen ist der Klimawandel ein Phänomen oder auch ein Problem der Zukunft. Aber die Klimaveränderungen wirken sich bereits jetzt auf unsere Gesundheit aus. Diese Auswirkungen sind jedoch nicht immer unmittelbar spürbar. So ist es eher selten, dass jemand Kopfschmerzen direkt auf den Klimawandel zurückführt. Erst die Corona-Pandemie hat uns für das Thema sensibilisiert und uns aufgezeigt, wie verletzlich wir sind und von welch großer Bedeutung der öffentliche Gesundheitsdienst in Bezug auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist.

Kann ich auch selbst etwas tun, um mich und meine Gesundheit besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen?

Dr. Caroline Quartucci: Zunächst sollten wir die durch den Klimawandel bedingten Gesundheitsveränderungen und entsprechende Schutzmaßnahmen genauestens kennen. Diese können je nach Gesundheitsgefahr ganz unterschiedlich sein. Bei Hitze sollte z. B. darauf geachtet werden, ausreichend zu trinken und schattige kühle Plätze aufzusuchen sowie die Dosierung bestimmter Medikamente mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abzusprechen und gegebenenfalls anzupassen.

Außerdem sollten wir alle darauf achten, mit einem umweltbewussten Verhalten den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Denn es geht schließlich darum, nicht nur mit den Folgen des Klimawandels zu leben, sondern die Ursachen der Veränderungen zu bekämpfen.

Gibt es einen Rat, den sie uns noch mit auf den Weg geben möchten?

Dr. Caroline Quartucci: Die Gefährdung unserer Gesundheit durch den Klimawandel und seine Folgen muss ernst genommen werden. Der Klimawandel ist bereits jetzt in Deutschland angekommen und kein Phänomen der Zukunft oder ferner Länder. Die Anpassung unseres eigenen Verhaltens ist daher dringend notwendig, um unsere Gesundheit zu schützen.

Vielen Dank für das Gespräch!