Dr. Frederike Escher-Brecht
Gesunde digitale Gesellschaft

Wohlbefinden und Zufriedenheit steigern durch eine am Menschen orientierte Digitalisierung

Lesedauer unter 4 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Dr. Frederike Escher-Brecht ist Principal Service Designerin bei der Barmer.i und neues Vorstandsmitglied bei D21.

Deutschlands größtes Netzwerk für die digitale Gesellschaft hat sich neu aufgestellt und Dr. Frederike Escher-Brecht, Principal Service Designerin der Barmer, in den Gesamtvorstand der Initiative D21 gewählt. Mit ihrer Expertise im Human-Centered Design engagiert sie sich für eine digitale Transformation des Gesundheitswesens, die den Menschen von Beginn an in den Mittelpunkt stellt. Auch die Integration der Produkt- und Praxisperspektive in den gesundheitspolitischen Diskurs um Digitalisierung sieht sie in ihrer Verantwortung als neu gewählte Vorständin.

Die digitale Transformation des Gesundheitswesens hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Sie betrifft jeden von uns und wird disruptive Veränderungen mit sich bringen. Damit dies im Sinne aller gelingt, schlagen Sie vor, den Menschen von Beginn an in den Mittelpunkt zu stellen. Können Sie uns erklären, welche Vorteile dieser Ansatz mit sich bringt?

Dr. Frederike Escher-Brecht: Mit der Methode des Human-Centered Designs können wir passgenaue Lösungen für relevante Zielgruppen entwickeln. Wir stellen den Menschen – in unserem Fall meistens Versicherte, Leistungserbringende oder Mitarbeitende – in den Mittelpunkt. Wir schauen was die Nutzenden brauchen, wann und in welcher Form und schlagen erst dann den Bogen zur „Machbarkeit“. Wir sollten nicht nur digitalisieren, weil es von uns verlangt wird, sondern weil wir die Effektivität und die Effizienz erhöhen, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Versicherten messbar steigern möchten. Deshalb digitalisieren wir bei der Barmer auch nicht einfach nur Prozesse. Zum Beispiel haben wir im Dentalbereich nicht nur die Prüfung des Heil- und Kostenplans digitalisiert, sondern betrachteten den gesamten Kontext in dem die Versicherten sich bewegen. Für die Versicherten fängt der „Dentalprozess“ schon zuhause an, wenn sich Zahnschmerzen zeigen – und genau da müssen wir sie dann auch mit unseren Services abholen. Wir beziehen unsere Versicherten von Beginn an mit in die Entwicklung von Lösungen ein – von der Betrachtung des Problems über die Konzeption bis hin zur Umsetzung.

Digitalprodukte beeinflussen die Verhaltensweisen und Entscheidungen der Nutzerinnen und Nutzer, woraus sich eine große Verantwortung für die Designer ergibt. Warum ist digitale Ethik gerade jetzt so ein wichtiges Thema im Kontext von Gesundheit und Gesundheitswesen?

Dr. Frederike Escher-Brecht: Das Gesundheitswesen ist ein Feld, das nicht erst durch die Digitalisierung eng mit ethischen Fragen verbunden ist. Schon lange bevor die Digitalisierung Einzug in nahezu alle Lebensbereiche gehalten hat, stand der Schutz sensibler Gesundheitsdaten ganz oben auf der Prioritätenliste. Dennoch birgt die Digitalisierung neue Herausforderungen. Die Datensätze sind größer und die Zugangswege undurchsichtiger.

Aber genauso wie Ethikkommissionen bei klinischen Studien bestimmen, welche Patientendaten herangezogen werden können, sollte es ethische Leitlinien für den Umgang mit digitalen Gesundheitsdaten geben. Letztendlich sollten alle Nutzenden von digitalen Produkten im Gesundheitswesen Datenschutzrichtlinien verstehen können – nicht alles vollumfänglich, aber die wichtigsten Punkte. Nutzende sollten verstehen, was eine Datenspende ist und mit individuell anpassbaren Einstellungen zu persönlichen Daten in Digitalprodukten mündig umgehen können.

Schließlich nehmen wir alle ärztliche Hilfe in Anspruch und werden früher oder später auch mit digitalen Lösungen konfrontiert werden. Wir sollten aufhören, digitale Ethik nur auf theoretischer Ebene zu diskutieren, teilweise auch angstschürende Formulierungen zu benutzen und stattdessen Aufklärung leisten, die verständlich ist. Denn nur, wenn wir unsere Versicherten gut genug und praxisgerecht informieren und Prozesse intuitiv gestalten, können sie sich selbstbewusst und selbstbestimmt im digitalen Raum bewegen. Nicht nur das Mitgestalten der ethischen Leitlinien, sondern die mündigen Nutzenden, die wissen auf welchem Server ihre Daten gespeichert werden, wie lange, wer Zugang hat etc., sollten dabei ein angestrebtes Ziel sein.

Mit welchen ethischen Fragestellungen werden sich Krankenkassen künftig noch auseinandersetzen müssen?

Dr. Frederike Escher-Brecht: Neben der Aufklärung über den Umgang mit gesundheitsbezogenen Daten, wird auch die Verwertung von Versichertendaten in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere in der Berechnung von Prädiktionsmodellen sehe ich großes Potenzial. Ich denke, hier wird sich noch Einiges tun. Außerdem werden die Grenzen zwischen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern, Kassen und Versicherten im Zuge der Digitalisierung immer weiter verschwimmen – wir werden viel enger zusammenarbeiten müssen.

Die digitale Gesellschaft ist komplex und unterliegt einem ständigen Wandel. Um nicht abgehängt zu werden, ist Digitalkompetenz wichtig. Wie erreicht man diese, ohne jemanden auszuschließen?

Dr. Frederike Escher-Brecht: Das Fördern der Digitalkompetenz sollte bereits bei den Mitarbeitenden beginnen. Im Idealfall sollten alle Mitarbeitenden die wichtigsten Digitalprodukte, den Zweck und die Funktionen genauestens kennen, begeistert sein. Denn erst mit dem Verständnis und der Begeisterung unserer Mitarbeitenden können wir die Versicherten erreichen. Das muss das Unternehmen möglich machen. Dafür müssen wir mit unseren Teams genauso umgehen wie mit unseren Versicherten und Tools mit guter User Experience entwickeln. Je intuitiver man ein Digitalprodukt bedienen kann, desto kompetenter fühlt man sich. Auch für Menschen, die sich sonst eher ungern und selten im Digitalen bewegen, dürfen die Anwendungen keine große Hürde darstellen. Neben einer guten User Experience braucht es außerdem einen passenden Use Case, also einen Anwendungsfall, der sofort den Mehrwert und die Sinnhaftigkeit der Anwendungen deutlich macht. Teilweise kommt man nicht ganz ohne Erklärungen aus – zum Beispiel, wenn neue Digitalbegriffe auftauchen wie „NECT Verfahren“ oder „Zwei Faktor Authentifizierung“. Hier gilt wie beim Umgang mit der digitalen Ethik: Weg von Allgemeinplätzen, hin zu nutzernahen und praxisbezogenen Erklärungen mit konkreten Beispielen.

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